Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

30 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 146 Handhabung des Herstellers zu orientieren. Die Platzierung der Bohrkanäle entsprach nicht den Vorgaben des Herstellers. Die in der nachbehandelnden Klinik dokumentierte Einnahme eines oralen Kortikoids zur Therapie von Asthma bronchiale dürfte – je nach Dosierung – als mitursächlich angesehen werden. Juristische Hinweise zum Gesundheitsschaden Die Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden trägt nach einhelliger Auffassung grundsätzlich die Anspruchstellerin/Patientin. Ist wie hier die Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Fraktur der Kniescheibe mit der sogenannten „praktischen Gewissheit“ nachgewiesen, besteht damit die Haftung dem Grunde nach. Die Mitursächlichkeit der Pflichtwidrigkeit ist ausreichend für die Haftung. Die vom Sachverständigen angesprochene mögliche Mitursache der Einnahme des oralen Kortikoids zur Therapie von Asthma bronchiale ist für die von der Gutachterkommission allein festzustellende Haftung dem Grunde nach (vgl. § 2 der Verfahrensordnung der Gutachterkommission) ohne weitere Bedeutung. Ob und wie sich die Mitursächlichkeit durch die Einnahme des oralen Kortikoids auf die Höhe des Schadens auswirkt, hat die Gutachterkommission nicht zu entscheiden. Dr. med. Daniel Frank ist Stellvertretendes Geschäftsführendes Kommissionsmitglied, Paul-Heinz Gröne ist Stellvertretender Vorsitzender und Dr. med. Tina Wiesener ist Leiterin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein. wie vom Hersteller empfohlen, 1–2 mm distal von der oberen inneren Begrenzung der Kniescheibe für die obere Bohrung und 15–20 mm weiter distal für die weitere Bohrung angelegt worden. Vielmehr hätten die vom Operateur ausgeführten Bohrungen in Höhe der Kniescheibenmitte und im unteren Drittel gelegen, wie anhand der radiologischen Bildgebung der nachbehandelnden Klinik erkennbar gewesen sei. Ergänzend hierzu verdeutlichte der orthopädische Gutachter, dass die untere Zone der Kniescheibe eine deutlich geringere Sklerosierung der rückwärtigen Wand der Kniescheibe aufweise und die Stabilität der Kniescheibe in diesem Bereich geringer sei als in den oberen zwei Dritteln der Kniescheibe. Die fehlplatzierten Bohrlöcher hätten zudem die ventrale Kortikalis (harte äußere Knochenschicht) durchbrochen und somit zu einer Sollbruchstelle der Kniescheibe geführt. Der Bruch der Patella sei in eben diesem Bereich eingetreten und damit nicht als Komplikation zu bewerten. Die fehlerhafte Anlage der Bohrkanäle – zu weit distal und ventral (zu weit unten und nach vorne) bei gleichzeitiger Perforation der ventralen Kortikalis – habe eine erhebliche Schwächung der Kniescheibe verursacht. Dies sei als Behandlungsfehler zu beurteilen, der zwei Monate nach erfolgter Operation zu der Fraktur der Kniescheibe geführt habe. Hersteller von Medizinprodukten gewährleisten bei der Inverkehrbringung ihrer Produkte, dass diese den an sie gesetzten Anforderungen entsprechen (Artikel 10 EU-Medizinprodukteverordnung). Die Produkte müssen den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen genügen. Die Hersteller informieren die Anwender über die Handhabung der Produkte. Demzufolge haben sich die Anwender (Operateure) an den Vorgaben zur Ausriss des MPFL-Grafts zugezogen und ein postoperatives Beugedefizit des Kniegelenks bestanden habe. Es erfolgte eine operative Revision als offene Arthrolyse mit Schraubenosteosynthese der Patella und additiver ÄquatorialFaden-Cerclage sowie eine tendoligamentäre Überbrückung des Streckapparats. Die Gracilis-Graft-Plastik des MPFL wurde zur Reinsertion mittels Naht fixiert. Weiter ist vermerkt, dass die Patientin aufgrund von Asthma bronchiale orale Kortikoide einnehme. Im Begutachtungsverfahren machte die Patientin geltend, dass die MPFL-Plastik in der vorbehandelnden Klinik fehlerhaft durchgeführt worden sei. Bei ordnungsgemäß durchgeführter Operation wäre es nicht zur Fraktur und zum Ausriss der Bandplastik gekommen. Orthopädische Begutachtung Der orthopädische Gutachter stellte fest, dass die Indikation zur Rekonstruktion beziehungsweise Verstärkung des inneren Kniescheibenseitenbands bei offensichtlich vorliegender Patellafehlbildung und einer Vielzahl stattgehabter Kniescheibenluxationen zweifelsfrei vorgelegen habe. Die MPFL-Plastik stelle dabei eine bewährte Methode dar, um einer weiteren Kniescheibenluxation nach lateral (außen) Einhalt zu gebieten. Dem Operationsbericht sei zu entnehmen, dass gemäß den Vorgaben des Herstellers zur Präparation der Kniescheibe zunächst durch Anlage der beiden Bohrkanäle zwei Kirschnerdrähte in die Kniescheibe platziert und anschließend mit dem 3,25-mm-Bohrer überbohrt wurden. Allerdings seien die Bohrkanäle für die beiden einzubringenden Anker zur Befestigung der Sehne an der Kniescheibe nicht, 100 Kilometer Fußweg für ein medikament. das geht zu weit. Jede Spende hilft: www.medeor.de Die Notapotheke der Welt. medeor_Anzeige_100Kilometer_179x50mm_0u_Rheinisches_Aerzteblatt.indd 2 18.10.22 12:11

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