Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 41 Kulturspiegel ren der Burg habhaft geworden sind. Damit nicht genug, der Söldnertrupp steckt Wittenberg in Brand. Die Mittel des Kohlhaas’schen Ungehorsams im Zeichen eines übergeordneten Interesses, der Gerechtigkeit im Staat, werden immer radikaler. Er nimmt in Kauf, dass sein Rachefeldzug auch unschuldige Menschen in Mitleidenschaft zieht. Welche Mittel sind gerechtfertigt, um auf Unrecht im eigenen Interesse hinzuweisen? Wieviel sozialen Ungehorsam muss eine Gesellschaft im Namen eines höheren Zieles tolerieren? Sind Flugausfälle und versperrte Kreuzungen durch Klebeaktionen von Aktivisten im Interesse einer konsequenteren sächsischen Kurfürsten, dann bei seinem Landesherren in Brandenburg. Die Adeligen sind zunehmend genervt von der Penetranz des Untertans und beschuldigen ihn letztlich des Querulantentums. Immer aggressiver wird das Hufgetrap- pel auf der Bühne, das die Akteure mit hinter dem Rücken versteckten Kastagnetten imitieren und sich hopsend von links nach rechts und wieder zurück bewegen. Assoziationen mit Don Quijote und dem Monty Das Theater Bonn zeigt eine anregende Inszenierung der Novelle „Michael Kohlhaas“ von Heinrich von Kleist mit vielen aktuellen Bezügen. von Jürgen Brenn Am Schauspielhaus in Bonn-Beuel ist die Inszenierung der 1810 veröffentlichten Novelle „Michael Kohlhaas“ von Heinrich von Kleist zu „Kohlhaas (Can't get no satisfaction), eine Maßlosigkeit von Kleist, David und Ensemble“ mutiert. Die Regie führt die 1993 geborene Rebekka David. Die Handlung des Stücks, in deren Zentrum der gegen Ungerechtigkeit ankämpfenden Michael Kohlhaas steht, wird in imposanten Kulissen gezeigt, die Robin Metzer auf die Bonner Theaterbühne stellte. Links und rechts stehen riesige, schwarze, sich aufbäumende Schlachtrösser, deren Augen bei Bedarf zum Glühen gebracht werden können. Zusammen mit Rauch und Licht, das aus den Tiefen des Bühnenraums zu kommen scheint, wird eine geradezu bedrohliche Szenerie erschaffen. Der rechtschaffene brandenburgische Pferdehändler, Michael Kohlhaas, ist der historischen Figur von Hans Kohlhase entlehnt. Die Handlung ist im 16. Jahrhundert angesiedelt. Kohlhaas, solide gespielt von Janko Kahle, ist mit seiner Handelsware auf dem Weg nach Dresden. Der Junker Wenzel, gespielt von Jacob Z. Eckstein, hindert den Kaufmann an der Weiterreise und fordert einen Passierschein. Da Kohlhaas diesen nicht vorweisen kann, verlangt der Junker zwei kräftige Rappen als Pfand, die auf der Burg verbleiben sollen. Zähneknirschend lässt Kohlhaas die zwei Rösser und seine Magd Herse, gespielt von Karolina Horster, auf der Burg zurück. In Dresden angekommen, erfährt der Händler, dass es den geforderten Passierschein gar nicht gibt. Auf seinem Rückweg findet er seine Magd misshandelt und die beiden einstmals kräftigen Pferde in äußerst schlechtem Zustand vor. Die Forderung, sein Pfand so zurückzugeben, wie er es bekommen habe, prallt an dem hochmütigen Adligen ab. Das Unrecht kann und will Kohlhaas nicht auf sich beruhen lassen. Ebenso beharrlich wie geduldig legt er schriftlich Beschwerde ein, zuerst beim Rechtfertigt Unrecht Unrecht? Hoch zu Ross fordert Kohlhaas Gerechtigkeit ein. Die Aufnahme zeigt von links nach rechts: Janko Kahle, Daniel Stock, Birte Schrein und Jacob Z. Eckstein. Foto: Matthias Jung Python Film „Die Ritter der Kokosnuss“ sind beabsichtigt. Daniel Stock spielt den treuen Knecht Waldmann, der als Erzähler die Handlung vorantreibt bis zu dem Zeitpunkt, an dem Kohlhaas der Kragen platzt und er einsehen muss, dass er von der Obrigkeit keine Gerechtigkeit bekommt. Der Pferdehändler beschließt, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen. Nach dem Tod seiner geliebten Frau radikalisiert sich Kohlhaas und zieht zusammen mit weiteren Mitstreitern los, um sich an denen zu rächen, die ihm sein Recht versagten. Als Erstes brennt er die Burg des Junkers nieder. Genüsslich reißen die Protagonisten in Bonn die großen Mauern aus festem, schwarzem Kunststoff ein, die wie Puzzleteile ineinander gesteckt sind und die Gestelle verborgen haben, auf denen die beiden anklagenden Schlachtrösser mit ihren vorderen Hufen drohen, alles zu zermalmen, was sich ihnen in den Weg stellt. Der Junker Wenzel wird ordentlich vermöbelt, nachdem Kohlhaas und seine Mannen seiner im InneKlimapolitik zu rechtfertigen? Wo ist eine Grenze überschritten und wann wird aus einem Freiheitskämpfer, der sich unerschrocken gegen eine korrupte Obrigkeit auflehnt, ein Gewalttäter, der mit der gerechten Sache Terrorismus rechtfertigt? Nach jeder neuerlichen Drehung an der Gewaltschraube stehen die Figuren auf der Bühne und versuchen, die richtige Haltung zu den Geschehnissen zu finden. Dabei hilft ihnen auch Birte Schrein als Mittlerin nur bedingt weiter. Die Figur der Vermittlerin ist der Novelle hinzugedichtet worden, im Versuch, den Ausgleich zwischen den extremen Positionen herbeizuführen. Wortgewaltig fliegen die Argumente, gespickt mit Anspielungen auf AfD, Terrorismus und Trump hin und her und machen vor skurrilen Vergleichen nicht halt, die vor allem eins zeigen, dass die Novelle Kohlhaas aktueller ist denn je. Informationen unter www.theater-bonn.de oder Tel.: 0228 778008.

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