Rheinisches Ärzteblatt 06/2025

Gesundheits- und Sozialpolitik 20 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2025 Zuhören, anpacken, umsetzen – so lautet das Motto der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken auf ihrem Instagram-Kanal. Die Umsetzung der gesundheitspolitischen Reformvorhaben aus dem Koalitionsvertrag wird kein Spaziergang für die bisher in der Gesundheitspolitik noch nicht in Erscheinung getretene Politikerin. von Thomas Gerst Im zweiten Wahlgang klappte es am 6. Mai doch noch mit der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler, und am frühen Abend konnte die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) im Bundestag nach der Ernennung durch den Bundespräsidenten den Amtseid ablegen. Ihre Berufung ins Ministeramt war sicherlich eine der Überraschungen bei der Regierungsbildung für die kommende Legislaturperiode. „Diesen Namen hatte kaum jemand auf dem Zettel“, hatte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz am 28. April bei der Vorstellung der für die Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD vorgesehenen CDU-Ministerinnen und -Minister angemerkt. Nina Warken sei eine Frau, die eher im Stillen wirke. „Sie übernimmt eine Aufgabe, die sicher zu den schwierigsten im Lande zählt, mit vielen unterschiedlichen Interessen. Das erfordert vor allem persönliche Stabilität und ein klares politisches Konzept“, betonte Merz. Vertiefte Kenntnisse in der Gesundheitspolitik scheinen für ihn als Qualifikation für die Besetzung des Ministeramts von eher untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein. Expertin für Innere Sicherheit Die neue Gesundheitsministerin ist seit 2013 als direkt gewählte Abgeordnete für den Wahlkreis Odenwald-Tauber im Deutschen Bundestag und dort seit 2021 Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Das Fachgebiet der 46-jährigen Rechtsanwältin in ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete war bisher die Innere Sicherheit. Folgerichtig wirkte sie bei der Vorbereitung des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD in der Arbeitsgruppe „Inneres, Recht, Migration und Integration“ mit und nicht in der Arbeitsgruppe, die sich mit den Themen Gesundheit und Pflege befasste. Dort verhandelte für die CDU unter anderen Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, der vielen als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Bundesgesundheitsministers galt. Der Rechtsanwalt soll nun seine Expertise als Parlamentarischer Staatssekretär ins Ministerium einbringen, gemeinsam mit dem gesundheitspolitisch versierten Dr. iur. Georg Kippels, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis I. Positive Erwartungshaltung Es wird also in der neuen Legislaturperiode viel juristischer Sachverstand in der Führung des Bundesgesundheitsministeriums vorzufinden sein, sicherlich kein Nachteil, wenn es darum geht, sich im Paragrafendschungel der Sozialgesetzbücher zurechtzufinden und diesen möglicherweise im Sinne einer effizienteren gesundheitlichen Versorgung auch ein wenig zu lichten. Und wenn es um die Umsetzung wichtiger Reformen geht, so scheint politische Durchsetzungsfähigkeit manchmal wichtiger als Fachwissen. Aus ihrer Tätigkeit als Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird Nina Warken auf einen diesbezüglichen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Die Reaktionen aus dem gesundheitspolitischen Raum auf Nina Warken als neuer Gesundheitsministerin waren zunächst einmal überwiegend positiv. So zeigten sich die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erfreut über die Ernennung und hofften auf eine konstruktive Zusammenarbeit, nachdem die vergangene Legislaturperiode unter anderem geprägt gewesen sei durch Misstrauen gegenüber der Selbstverwaltung. „Bei der neuen Bundesregierung setzen wir auf echte Bereitschaft zum sachlichen Dialog und mehr Verlässlichkeit im Handeln“, erklärten die Vorstände mit kritischer Distanzierung zum Amtsvorgänger Professor Dr. Karl Lauterbach. Vorschusslorbeeren für die neue Gesundheitsministerin gibt es auch von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). „Wir sind überzeugt, dass Nina Warken gemeinsam mit ihrem Team … einen neuen Ton in die gesundheitspolitische Kommunikation bringen wird“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. rer. pol. Gerald Gaß. Eine respektvolle und lösungsorientierte Zusammenarbeit habe man in den letzten Jahren schmerzlich vermisst. Etwas verhaltener sind die Glückwünsche an die neue Ministerin vonseiten der Krankenkassen. Sie sind verbunden mit der dringenden Bitte, möglichst rasch die Stabilisierung der Finanzlage von Kranken- und Pflegeversicherung in die Wege zu leiten. Gerade in diesem Punkt bleiben die Vereinbarungen zur Gesundheitspolitik im 144-seitigen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD relativ vage. Angestrebt sei, so heißt es in dem neun Seiten umfassenden Kapitel zu Gesundheit und Pflege, „die seit Jahren steigende Ausgabendynamik zu stoppen und die strukturelle Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen“. Wie genau dieses Ziel erreicht werden soll, bleibt vorläufig allerdings noch offen. Eine Expertenkommission soll dazu bis zum Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen vorschlagen – viel zu spät meinte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, anlässlich der Regierungsbildung. Es brauche mehr Tempo auf dem Weg dorthin und die schnelle Umsetzung erster Sofortmaßnahmen. Verbindliches Primärarztsystem Es gibt also Handlungsdruck, und der neuen Bundesgesundheitsministerin bleibt wenig Zeit, sich mit der für sie neuen Materie vertraut zu machen und eine To-do-Liste auf der Grundlage des Koalitionsvertrags zu erarbeiten. Manches dort ist unpräzise formuliert und lässt Interpretationsspielraum bei der späteren Ausgestaltung zu. Einige Vorhaben werden aber durchaus konkret benannt, was die Umsetzung in der kommenden Legislaturperiode wahrscheinlicher erscheinen lässt. Dies gilt auch für Reformen, mit denen die ambulante Versorgung durch Ärztinnen und Ärzte verbessert werden soll. Hier setzen die Regierungsparteien „auf ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag“, was im Wesentlichen auch einem Beschluss des 128. Neu im Amt mit vielen Baustellen

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