Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2025 27 Rechtliche Rahmenbedingungen der ärztlichen Praxisvertretung Die ärztliche Vertretung in der ambulanten Versorgung ermöglicht es niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, sich während ihrer Abwesenheit beispielsweise bei Urlaub oder Krankheit vertreten zu lassen, um die Patientenversorgung sicherzustellen. Diese Vertretung kann durch andere Ärzte wie etwa Kollegen aus einer Gemeinschaftspraxis oder angestellte Ärzte erfolgen. von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg Die Rahmenbedingungen der Vertretung sind im Sozialgesetzbuch V (SGB V), in der Berufsordnung sowie in den vertragsärztlichen Zulassungsbestimmungen geregelt. Das SGB V regelt die vertragsärztliche Tätigkeit und sieht vor, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte eine kontinuierliche Versorgung ihrer Patienten gewährleisten müssen. Gemäß § 28 Abs. 1 SGB V müssen Vertragsärzte eine Vertretung organisieren, wenn sie ihre Praxis vorübergehend nicht selbst führen können. Die Vertretung muss dabei fachlich qualifiziert sein und die gleiche Zulassungsgruppe betreffen. Zulassungsrechtliche Vorgaben Die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) regelt in § 32 die Vertretung niedergelassener Vertragsärzte. Diese dürfen sich bei Urlaub, Krankheit, Fortbildung oder Wehrübung vertreten lassen – maximal drei Monate innerhalb von zwölf Monaten. Eine Mutterschaftsvertretung ist bis zu zwölf Monate zulässig. Bei solchen langfristigen Vertretungen kann eine vorübergehende Zulassung beantragt werden. Vertretungen von bis zu einer Woche sind formlos anzuzeigen, solche, die länger als eine Woche dauern, sind von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu genehmigen, ab einem Monat kann die KV die fachliche Eignung der Vertreterin oder des Vertreters prüfen. Der Vertreter muss approbiert und fachlich geeignet sein. Eine Vertretung durch ärztliches Assistenzpersonal oder Medizinstudierende ist unzulässig. Der Vertreter darf grundsätzlich nur in der Praxis des abwesenden Arztes tätig sein, nicht an einem weiteren Ort. Privatärztliche Vertretung In privatärztlichen Praxen ist eine Vertretung nicht zwingend vorgeschrieben, allerdings sollte zumindest für eine Notfallbetreuung gesorgt sein. Eine privatärztliche Vertretung unterliegt jedoch nicht den Vorschriften der Ärzte-ZV oder des SGB V. Entscheidend ist hier allein das Berufsrecht und das Zivilrecht im Verhältnis zwischen dem Patienten und Arzt. § 20 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte regelt: „Sie (die Ärztinnen und Ärzte) dürfen sich grundsätzlich nur durch eine Fachärztin oder einen Facharzt desselben Fachgebiets vertreten lassen.“ Anders als im vertragsärztlichen Bereich darf die Vertretung auch überörtlich stattfinden, sofern die Praxis entsprechend organisiert ist. Die Vertretung muss dem Patienten offengelegt werden, das heißt die Patienten müssen wissen, dass sie von einem Vertreter behandelt werden. Pflichten und Verantwortung Der Praxisinhaber trägt die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Organisation der Vertretung. Der Vertreter wiederum unterliegt denselben Berufspflichten wie der Praxisinhaber: Schweigepflicht, Dokumentationspflicht, Sorgfaltspflicht. Er muss selbst sicherstellen, dass er nur Leistungen erbringt, für die er qualifiziert ist. Abrechnung In der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt die Abrechnung im Rahmen der KV. Bei persönlicher Vertretung rechnet der Vertreter unter der lebenslangen Arztnummer (LANR) des Praxisinhabers ab. Das Honorar wird dem Praxisinhaber gutgeschrieben; das Innenverhältnis (zum Beispiel Vergütung des Vertreters auf Honorarbasis) ist privatrechtlich zu regeln. Für die Abrechnung muss ein Vertretungsvermerk (zum Beispiel Muster 19) geführt werden. In der privatärztlichen Versorgung ist der Vertreter der rechtliche Vertragspartner des Patienten und rechnet eigenständig nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab. Eine Abrechnung im Namen des Praxisinhabers ist nur dann zulässig, wenn eine entsprechende Bevollmächtigung (zum Beispiel Praxisgemeinschaft mit gemeinsamer Rechnungsstellung) vorliegt und dies dem Patienten offengelegt wird. Die Abrechnung erfolgt ebenfalls nach GOÄ. Dabei gilt: Der tatsächlich behandelnde Arzt rechnet gegenüber dem Patienten ab, nicht der abwesende Praxisinhaber. Haftungsrechtliche Aspekte Die Haftung bei ärztlicher Vertretung ist differenziert zu betrachten. Grundsätzlich haftet der behandelnde Arzt – also der Vertreter – für eigenes Fehlverhalten unmittelbar gegenüber dem Patienten. Dies gilt sowohl für Behandlungsfehler als auch für Aufklärungsfehler. Der Praxisinhaber haftet zusätzlich mittelbar, etwa im Rahmen der Organisationsverantwortung. Versäumt er es beispielsweise, die Eignung des Vertreters zu prüfen oder relevante Patienteninformationen weiterzugeben, kann er ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden (§ 823 BGB i.V.m. der Garantenstellung als Praxisbetreiber). Fazit Während im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung klare Grenzen bei Dauer, Qualifikation und Abrechnung geregelt sind, gilt im privatärztlichen Bereich vor allem das Berufs- und Zivilrecht. Praxisinhaber und Vertreter tragen jeweils Verantwortung – auch haftungsrechtlich. Sorgfältige Auswahl, schriftliche Vereinbarungen und klare Abrechnungswege sind unerlässlich, um Behandlungsfehler und rechtliche Risiken zu vermeiden. Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung. Praxis – Arzt und Recht – Folge 147
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