Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2025 3 Heft 6 • Juni 2025 Große Erwartungen Am 6. Mai bekam Nina Warken, die neue Bundesgesundheitsministerin, ihre Ernennungsurkunde. Am Tag darauf erhielt sie bei der Amtsübergabe im Bundesgesundheitsministerium als Antrittsgeschenk einen Nussknacker für harte politische Entscheidungen und zugleich eine Vielzahl an Glückwünschen. Diesen guten Wünschen schließen wir uns an, denn für die anstehenden Aufgaben wird die neue Ministerin eine glückliche Hand und viel Kommunikationsgeschick brauchen. Viele Akteure haben ihre Glückwünsche mit großen Erwartungen für die ersten 100 Tage ihrer Amtszeit und einer gewaltigen To do Liste meist im Sinne eigener Belange verbunden. Auch das ist bei Ministerwechseln geübte Praxis. Doch Vorsicht: Nicht zu Unrecht formulierte der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl: „Die größten Enttäuschungen haben ihren Ursprung in zu großen Erwartungen.“ Bundesgesundheitsministerin Warken übernimmt das Amt in schwierigen Zeiten, besonders im Hinblick auf die angespannte Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung. Steigende Beitragssätze belasten Versicherte und Arbeitgeber und unzweifelhaft bedarf es an dieser Stelle schneller und nachhaltiger Maßnahmen. Die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen ist dabei sicher ein Weg, um die solidarische Finanzierung der GKV nicht weiter zu überlasten. Begrüßenswert ist, dass im Koalitionsvertrag konkret festgehalten wurde, dass der bisher der GKV zugeschriebene Finanzierungsanteil am KrankenhausTransformationsfonds aus Mitteln des Sondervermögens Infrastruktur und somit aus Steuermitteln gespeist werden soll. Darüber hinaus soll zur Stabilisierung der Beitragssätze eine Kommission aus Experten und Sozialpartnern bis Frühjahr 2027 über den Koalitionsvertrag hinausgehende Instrumente erarbeiten. Warken übernimmt ihr Amt zudem in einer Zeit, in der der demografische Wandel für eine höhere Inanspruchnahme medizinischer und pflegerischer Leistungen und zugleich für einen zunehmend offenkundigen Fachkräftemangel in unserem Gesundheitswesen sorgt. Lösungen für diese Problematik gibt es auf die Schnelle nicht. Seit Jahren bleiben – übrigens nicht nur in Deutschland – viele Arztstellen und Arztsitze vor allem in strukturschwachen Gebieten unbesetzt, zum Nachteil unserer dort lebenden Patientinnen und Patienten. Lösungen kann man hier nicht allein von der neuen Gesundheitsministerin erwarten; hier müssen Selbstverwaltung und Politik gemeinsam kreativ werden. An der Entbürokratisierung, die derzeit viele Fachkräfte bindet, muss sich die Selbstverwaltung ebenfalls beteiligen. An Lösungen für eine bessere Koordination der Zugänge zur vorgeschalteten telemedizinischen, zur ambulanten und zur stationären Versorgung müssen wir als Ärzteschaft gemeinsam arbeiten. Das gilt auch für die Koordination und Delegation ärztlicher Leistungen zur Entlastung der Ärztinnen und Ärzte im ambulanten wie stationären Sektor. Wir sollten also nicht nur Erwartungen an unsere neue Gesundheitsministerin formulieren, sondern mit guten Konzepten an ihre Tür klopfen. Ich bin hoffnungsfroh, dass Nina Warken gemeinsam mit ihren Parlamentarischen Staatssekretären Tino Sorge und Georg Kippels einen neuen Ton in die gesundheitspolitische Kommunikation und damit auch Bewegung in dringend benötigte Reformen bringen wird. Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes
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