Rheinisches Ärzteblatt 07/2025

14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 7 / 2025 Thema – 129. Deutscher Ärztetag deutlich sprach sich die weit überwiegende Mehrheit der Delegierten (gut 90 Prozent) dafür aus, den Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln, die Beratungspflicht vor einem Abbruch aber beizubehalten. Die Entkriminalisierung und die dadurch bedingte gesellschaftliche Entstigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen trügen dazu bei, die Versorgung der betroffenen Frauen sowie die Rechtssicherheit für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zu verbessern, heißt es in dem Beschluss, der federführend von Abgeordneten der Ärztekammer Nordrhein um Dr. Lydia Berendes erarbeitet worden war. Die Antragsteller betonen zugleich, dass die Beibehaltung der Beratungspflicht dazu beitrage, auch das werdende Leben zu schützen. Mehr Rechtssicherheit für Ärzte Berendes hatte vor dem Plenum betont, dass man sich in Nordrhein im Rahmen eines Lenkungsausschusses § 218 ausführlich mit den juristischen, historischen, medizinischen und ethischen Aspekten des Schwangerschaftsabbruchs beschäftigt habe. Zugleich sei es darum gegangen, das Grundrecht der Frau auf reproduktive Selbstbestimmung und das Grundrecht des Ungeborenen auf Leben in Einklang zu bringen. Orientiert habe man sich dabei auch an den Ergebnissen der Regierungskommission. Mit der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im 1. Trimenon außerhalb des Strafrechts schaffe man mehr Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte. Denn die derzeitige Regelung signalisiere Ärzten und betroffenen Frauen, „was sie tun, ist unrecht“, so Berendes. Dr. Susanne Johna, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer, zählte zu den vielen Unterstützerinnen und Unterstützern des Antrags aus Nordrhein. „Ich wünsche mir keine Ächtung, sondern Achtung für die Frauen, die diese schwierige Phase durchleben“, sagte Johna. Dazu gehöre auch, dass man die Lebensumstände der geborenen Kinder mehr in den Blick nehme. Johna betonte zugleich, dass Ärztinnen und Ärzte nicht gezwungen werden dürften, Schwangerschaftsab- brüche vorzunehmen. Sie seien allein ihrem Gewissen verpflichtet. „Die Kolleginnen und Kollegen müssen aber befreit werden vom Umstand, dass sie einen grundsätzlich rechtswidrigen Eingriff durchführen.“ Die derzeitige Regelung, nach der der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen zwar rechtswidrig sei, aber straffrei bleibe, laufe leer, gab der Präsident der Ärztekammer Nordrhein und BÄKVorstandsmitglied Dr. Sven Dreyer zu bedenken. „Ein Strafrechtsparagraf, der nicht angewendet wird, gehört dort nicht hin“, so Dreyer. Wie Johna appellierte auch er an Politik und Gesellschaft, die Lebenssituation von Kindern zu beachten. „Der beste Schutz für das ungeborene Leben ist, wenn alle Kinder gewollt und gut behütet aufwachsen können“, so Dreyer. tungen Abstriche in Kauf nehmen musste. „In der Summe profitiert die Breite der Ärzteschaft aber auch wirtschaftlich“, so Reinhardt. Zumal die GOÄ in Zukunft kontinuierlich an den Fortschritt und die Kostenentwicklung in der Medizin angepasst werden solle. „Die Einigung zeigt die Gestaltungsfähigkeit der Partner in einem freiheitlichen Gesundheitssystem jenseits von Staat und GKV-System“, sagte Reinhardt. Zugleich stärke sie das duale System aus PKV und GKV. Position zur Abtreibung Innerärztliches Konfliktpotenzial bot auch die Positionierung zur Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs im ersten Trimenon aus dem Strafgesetzbuch. Der 128. Deutsche Ärztetag in Mainz hatte sich dafür ausgesprochen, die Diskussion darüber zu einem Schwerpunktthema in diesem Jahr in Leipzig zu machen. Zum Hintergrund: Die von der Ampelregierung eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hatte sich im April 2024 für eine Entkriminalisierung ausgesprochen. Ein Anfang dieses Jahres vorgelegter fraktionsübergreifender Gesetzentwurf von mehr als 300 Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken sah vor, die Regelungen in den Paragrafen 218 und 218a des Strafgesetzbuches entsprechend zu reformieren. Danach sollte ein Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche grundsätzlich nicht mehr rechtswidrig sein, vorausgesetzt, es erfolgt zuvor eine Beratung. Das vorzeitige Aus der Ampelkoalition beendete auch diesen Gesetzesvorstoß. Die Diskussion auf dem 129. Deutschen Ärztetag in Leipzig hatte vor diesem Hintergrund zwar an Aktualität, aber nicht an Brisanz verloren. Überraschend Freude über die sehr große Zustimmung zum nordrheinischen Antrag zur Ent- kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs: Dr. Andrej Weissenberger, Dr. Feras El-Hamid, Dr. Lydia Berendes, Dr. Sven Dreyer (v.l.). Foto: Sabine Schindler-Marlow

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