Rheinisches Ärzteblatt 08/2025

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 8 / 2025 Foto: peterschreiber.media/istockphoto.com Dr. Jochen Post ist besorgt. Den niedergelassenen Onkologen aus Nettetal am Niederrhein treibt ein grundsätzliches Problem seines Fachs um: „Wir verordnen täglich sehr viele, sehr teure Medikamente“, sagt Post im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Häufig lägen die jährlichen Therapiekosten bei mehreren zehntausend Euro je Patient. Etwa 1.000 Patientinnen und Patienten versorgen Post und seine Kolleginnen und Kollegen in ihrem Medizinischen Versorgungszentrum im Quartal. „Wenn man diese Kosten hochrechnet auf ganz Deutschland mit zum Teil hochspezialisierten onkologischen Zentren, wird einem schwindelig“, meint Post. „Ich habe die Befürchtung, dass das GKV-System überstrapaziert wird, wenn sich an dieser Preispolitik nichts ändert.“ Im schlimmsten Fall stünden für nachfolgende Generationen von Krebskranken nur noch eingeschränkte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, weil kein Geld mehr da sei. Zumal aufgrund der alternden Bevölkerung die Zahl der Tumorerkrankungen noch ansteigen werde. Rasante Kostensteigerungen Zu einer ähnlichen Diagnose kommt der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege in seinem jüngsten Gutachten für die Bundesregierung, das Ende Mai veröffentlicht wurde. Von „rasanten Kostensteigerungen“ ist dort die Rede. Insbesondere für Markteinführungen innovativer Arzneimittel würden immer höhere Preise aufgerufen. Zuletzt entfiel mehr als die Hälfte des Arzneimittelumsatzes auf patentgeschützte Arzneimittel, während ihr Anteil an den Verordnungen auf sieben Prozent zurückgegangen sei, so der Rat. Die Preisentwicklung bei den neu eingeführten Arzneimitteln sei besorgniserregend. Kostete vor 15 Jahren ein patentgeschütztes neues Arzneimittel durchschnittlich 1.000 Euro, lag dieser Wert den Wissenschaftlern zufolge zuletzt zeitweise bei 70.000 Euro. Für neuartige Gentherapien, bei denen es sich oft um Einmaltherapien handele, würden Preise von 200.000 bis drei Millionen Euro aufgerufen. Werde die bisherige Systematik der Bewertung und Bepreisung innovativer Arzneimittel unverändert fortgesetzt, drohe eine Überforderung des Systems, warnt der Rat. In Summe gaben die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr 55,25 Milliarden Euro für die Arzneimittelversorgung ihrer Versicherten aus. Die Arzneimittelausgaben sind damit nach der Krankenhausversorgung (102 Milliarden Euro) der zweitgrößte Kostenblock in der GKV. Viel hatten sich Politik und Kostenträger vom Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) versprochen, das 2011 in Kraft trat. Es sah vor, dass nur noch Arzneimittel mit einem Zusatznutzen einen höheren Preis erzielen dürfen als die zweckmäßige Vergleichstherapie. Zwar halten alle Beteiligten die Grundidee des Verfahrens nach wie vor für richtig. Das Ziel der Kostendämpfung wurde hingegen verfehlt. Nach Angaben der Krankenkassen stiegen die Arzneimittelausgaben zwischen 2011 (32 Milliarden Euro) und 2024 um knapp 73 Prozent. Die Kassen machen dafür Arzneimittel: Preise auf dem Prüfstand Die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen auf Rekordniveau. Trotzdem sind die Kassen leer. Im vergangenen Jahr wies die GKV ein Defizit von rund 6,2 Milliarden Euro auf. Das Problem: Die Einnahmen halten mit den wachsenden Ausgaben nicht Schritt. Strukturreformen sollen das System fit für die Zukunft machen. Auch die Preispolitik der Arzneimittelhersteller steht auf dem Prüfstand. von Heike Korzilius

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