Rheinisches Ärzteblatt / Heft 8 / 2025 15 Spezial Elend statt Erholung Viele „Verschickungskinder“ kehrten in den 1950er- bis 1980er-Jahren traumatisiert aus ihren Erholungs- oder Kuraufenthalten nach Hause zurück. Die Betroffenen leiden oft auch noch Jahrzehnte später unter den Folgen. Die mittlerweile stattfindende Aufarbeitung macht die Dimension des Geschehens deutlich. von Thomas Gerst Vieltausendfach ist die Zahl der Erwachsenen, die seit einigen Jahren auf öffentlich zugänglichen Seiten im Internet Zeugnis ablegen über das, was sie als Kinder bei ihren in der Regel ärztlich verordneten Erholungs- und Kuraufenthalten erlitten. Die Autorin und Sozialpädagogin Anja Röhl, selbst Betroffene, löste offenbar mit ihrem im Jahr 2021 erschienenen Buch „Verschickungskinder“ und der zugrundeliegenden Umfrageaktion eine Lawine weiterer Erfahrungsberichte sowie eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu dem Thema aus. Diese machen zunehmend das Ausmaß des Geschehens sichtbar. Es sind keine beklagenswerten Einzelfälle, die nur einen Bruchteil der in den Jahren von 1950 bis 1990 rund zehn Millionen verschickten Kinder betrafen. Man muss vielmehr ein systematisches Versagen der beteiligten Institutionen konstatieren, wodurch Kindern in vielfältiger Weise Schaden zugefügt wurde. Auch Ärztinnen und Ärzte waren Akteure in einem System, das mit repres- Essenszwang Oft täuschte der schöne Schein. Ärztlicher Direktor des DRK-Kindersolbads in Bad Dürrheim, von wo die beiden Aufnahmen auf diesen Seiten stammen, war in den Jahren 1959 bis 1973 der durch seine NS-Vergangenheit belastete Hans Kleinschmidt. Von ihm stammen detaillierte Vorschläge zu Strafen nach Ordnungsverstößen. Essenszwang oder -verbote prägten sich vielen Verschickungskindern als belastende Erfahrung ihres Kuraufenthalts ein. Foto groß: DRK Foto klein: ILA-Pressebild-Zentrale/DRK
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