Rheinisches Ärzteblatt 08/2025

22 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 8 / 2025 Berufsunwürdigkeit wegen Falschabrechnung Das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat einen niedergelassenen Facharzt für Innere Medizin wegen Verstößen gegen die Abrechnungsvorgaben der Gebührenordnung für berufsunwürdig erklärt (Urteil vom 23. April 2025, Az.: 36 A 925/23.T). von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg Ärztinnen und Ärzte genießen in der Gesellschaft ein hohes Ansehen, das mit besonderen Pflichten verbunden ist. Die persönliche Integrität und Zuverlässigkeit sind unerlässliche Voraussetzungen für die Ausübung des ärztlichen Berufs. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) ist die Approbation als Ärztin oder Arzt zu erteilen, wenn die Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Die Approbation ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 weggefallen ist. Zuständige Behörde ist in Nordrhein-Westfalen die jeweilige Bezirksregierung. Unabhängig davon kann nach § 60 Abs. 1 Ziff. 5 des Heilberufsgesetzes NRW (HeilBerG) im berufsgerichtlichen Verfahren auf Feststellung der Berufsunwürdigkeit erkannt werden. Die Kriterien sind hierbei die gleichen wie im Verwaltungsverfahren bei der Bezirksregierung. Die GOÄ ist zu beachten Nach § 31 HeilBerG in Verbindung mit § 12 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) muss eine Honorarforderung angemessen sein. Grundlage für deren Bemessung ist die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Eine Abrechnungspraxis, die die Vorschriften der GOÄ vorsätzlich nicht beachtet oder rechtlich nicht vertretbar ist, stellt nach Auffassung des Landesberufsgerichts für Heilberufe beim OVG NRW einen Verstoß gegen die Berufspflichten dar (Beschluss vom 25. November 2015, Az.: 6 t E 441/13.T). Im vorliegenden Fall hatte das OVG NRW einen niedergelassenen Facharzt für Innere Medizin bereits in der Vergangenheit wegen überhöhter Rechnungen zu einer Geldbuße von 20.000 Euro verurteilt (Urteil vom 6. Februar 2013, Az.: 6 TA 1843/10.T). Zudem wurde ihm das passive Berufswahlrecht entzogen und auf die Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung erkannt. Gegenstand waren damals Rechnungen, in denen insbesondere sonografische Ziffern mehrfach an einem Tag in Ansatz gebracht worden waren. Das OVG hatte festgestellt, dass dieser mehrfache Ansatz mehrere Arzt-Patienten-Kontakte voraussetze, zu denen es in den streitgegenständlichen Fällen nicht gekommen war. Fortgesetzter Pflichtverstoß Der Arzt änderte in Folge dieses Urteils sein Abrechnungsverhalten nicht, sondern setzte das Muster seiner unzulässigen Abrechnungen in Kenntnis der Rechtswidrigkeit seines Handels fort. Das Gericht hat nunmehr erneut festgestellt, dass der Arzt mit den streitigen Rechnungsstellungen aufgrund der hohen Zahl von nicht abrechenbaren Gebührenpositionen weiterhin die Pflicht zur gewissenhaften Ausübung seines Berufs verletzt und dem Vertrauen, das ihm im Zusammenhang mit dem ärztlichen Beruf entgegengebracht wird, nicht entspricht (Verstoß gegen § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW, §§ 2 Abs. 2, 12 Abs. 1 BO). So sei zum Beispiel der 20-fache Ansatz der Nr. 644 GOÄ an einem Tag nach keiner vertretbaren Auffassung in Einklang mit den Vorschriften der GOÄ zu bringen. Für das Gericht stand somit außer Frage, dass es berufsrechtlicher Maßnahmen bedurfte. Gericht stellt Unwürdigkeit fest Das HeilBerG sieht in § 60 als mögliche berufsgerichtliche Maßnahmen den Verweis, die Entziehung des passiven Berufswahlrechts, die Teilnahme an einer Fortbildung, eine Geldbuße von bis zu 100.000 Euro sowie die Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs vor. Nach § 60 Abs. 3 ist es in besonderen Fällen zudem möglich, auf die Veröffentlichung der Entscheidung zu erkennen – und zwar unter Namensnennung. Das Landesberufsgericht hat gegen den Internisten die schärfste nach dem HeilberG NRW mögliche Sanktion ausgesprochen: die Feststellung der Unwürdigkeit. Der Arzt habe nahezu 20 Jahre lang systematisch und wiederholt falsch abgerechnet und sich damit in besonders schwerwiegender Weise des Vertrauens unwürdig erwiesen, das in den Berufsstand als Teil des Gesundheitssystems gesetzt wird. Bei der Auswahl und Bemessung der berufsgerichtlichen Maßnahmen seien grundsätzlich das Gewicht der Verfehlung des Beschuldigten, seine Persönlichkeit sowie das Ausmaß seiner Schuld zu berücksichtigen. Neben dem Gewicht des Berufsvergehens sei die Prognose des zukünftigen Verhaltens maßgeblich. Auch sei die Notwendigkeit zu berücksichtigen, das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes zu wahren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und die Zuverlässigkeit der Ärztinnen und Ärzte zu sichern, um so die Funktionsfähigkeit des Berufsstandes zu gewährleisten. Hiervon ausgehend erweise sich im vorliegenden Fall die Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs als angemessen. Ein Arzt ist dem OVG zufolge unwürdig, den Arztberuf auszuüben, wenn er ein Fehlverhalten gezeigt hat, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes nicht zu vereinbaren ist und er daher nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist. Das Urteil bedeutet nicht, dass jede Ärztin und jeder Arzt, der Abrechnungsfehler begeht, um seine Approbation fürchten muss. Aber ein Arzt, der sich hartnäckig über geltende Regeln hinwegsetzt, kann seine Berufszulassung riskieren. Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung. Praxis – Arzt und Recht – Folge 148

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