Rheinisches Ärzteblatt 10/2025

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 10 / 2025 17 Die hat Dagmar Anheyer nicht. „Ich empfinde meine Arbeit als sehr befriedigend, denn ich bekomme von den Patientinnen und Patienten viel zurück.“ Es sei allerdings wichtig, dass man im Umgang mit den Suchtkranken eine klare Linie verfolge. „Zugleich müssen die Patienten spüren, dass man hinter ihnen steht und sie so nimmt, wie sie sind.“ Behandlungserfolge wie die bei Axel Dannenberg zeigten ihr, wie wichtig die Substitutionstherapie sei. Obgleich es natürlich immer auch Rückschläge gebe und man Menschen an die Drogen und den Tod verliere. „Nicht in unserer Straße“ In die Entwicklung des Flurstraßenkonzepts waren vor knapp zehn Jahren alle Suchthilfeakteure der Stadt Düsseldorf eingebunden. „Unsere Erfahrungen sind bisher sehr gut“, sagt der Fachbereichsleiter Drogenhilfe der SKFM, Patrick Plötzke. „Wir halten für alle Lebenslagen ein Angebot vor: von der Obdachlosigkeit über die Substitution bis hin zum kompletten Ausstieg aus der Drogensucht.“ Was ihm zurzeit Sorge bereitet, sind die Reaktionen aus der Nachbarschaft auf das Suchthilfeangebot. Das Zentrum liege in unmittelbarer Nähe einer Grundschule, was einige Eltern bewogen habe, gegen die Einrichtung zu klagen, weil sie das Wohl ihrer Kinder gefährdet sähen. Plötzke kann die Verunsicherung nachvollziehen. „Die Situation ist eine Herausforderung und braucht ein besonderes Augenmerk,“ räumt er ein. „Unser Wunsch ist es, mit der Schule und den Eltern in den Austausch zu kommen.“ So könne man zum Beispiel das Thema Sucht und Abhängigkeit in der Klasse kindgerecht erklären. „Aber die Vorbehalte und Ängste gegenüber unserer Zielgruppe – substituierten, drogenabhängigen und konsumierenden Menschen – sind leider groß“, sagt Plötzke. Dabei schaffe ein Zentrum wie das in der Flurstraße eine Struktur, die einer Verelendung wie in der offenen Drogenszene entgegenwirken und Betroffene und Nachbarschaften schützen und unterstützen könne. „Dr. Anheyer, wir Sozialarbeiter, die Mitarbeiter von Polizei und Ordnungsamt – wir alle setzen uns dafür ein.“ Es sei wohl ein Grundphänomen der Sucht- und Drogenhilfe, dass die meisten die Arbeit wichtig und gut fänden – aber nicht in der eigenen Straße. feld. Er sei da so reingeschlittert. Und er ergänzt: „Ich hatte nicht das Glück, in einer heilen Welt aufzuwachsen.“ Ein Schlüsselerlebnis für den ernsthaften Schritt heraus aus der Drogenszene sei der Tod seiner Mutter gewesen. „Das war der ausschlaggebende Grund für mich, was zu ändern.“ Dannenfeld entgiftete stationär und begab sich danach direkt in die Behandlung von Substitutionsärztin Anheyer. „Ich habe ihr gesagt, ich will weg von dem Zeug. Mit aller Gewalt. Ich muss da raus. Da hat sie gesagt, das kriegen wir hin“, beschreibt er den ersten Termin in der Suchtambulanz. Nach einem dreiviertel Jahr unter Methadon habe er kein Heroin mehr angefasst. „Das ist auch so geblieben“, sagt Dannenfeld nicht ohne Stolz. Die Substitution habe für ihn alles verändert. Der tägliche Druck, die Heroinsucht zu befriedigen, sei weggefallen. „Das ist Freiheit“, sagt Dannenfeld. Das Ersatzmedikament habe zwar nicht die gleiche Wirkung wie die Droge. Aber man sei gedämpft, der Suchtdruck sei weg. „Das hat mir die Grundlage gegeben, mein neues Leben aufzubauen. Oder das zumindest zu versuchen.“ Klar habe er zwischendurch Phasen gehabt, in denen er alles hinschmeißen wollte. „Aber ich habe die Kurve immer wieder gekriegt. Man muss das wirklich wollen und darf sich kein Türchen offenhalten“, betont Dannenfeld. Den Kontakt zur offenen Drogenszene habe er deshalb vollständig abgebrochen. Manche haben Berührungsängste In Nordrhein-Westfalen befinden sich zurzeit knapp 24.500 Patientinnen und Patienten in einer Substitutionstherapie, bundesweit sind es 80.400. Das geht aus dem Substitutionsregister 2025 hervor, das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geführt wird. Insgesamt ist danach die Zahl der Substitutionspatienten innerhalb von zehn Jahren um 3.200 leicht angestiegen. Anders verhält es sich bei den Ärztinnen und Ärzten, die substituieren. Deren Zahl lag laut Register in den Jahren 2015 bis 2019 bundesweit stabil bei etwa 2.600. Während der Coronapandemie sei sie jedoch deutlich gefallen auf heute gut 2.400 (NRW: 654, Nordrhein: 240 gegenüber 280 im Jahr 2019). Angesichts des Rückgangs substituierender Ärzte fördert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein seit 2022 über den Strukturfonds Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, in unterversorgten Gebieten zusätzliche Substitutionsangebote zu schaffen. Sie erhalten 1.000 Euro für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Suchtmedizinische Grundversorgung“ und bis zu 5.000 Euro, um ihre Praxen auszurüsten, beispielsweise mit einem Tresor für die Ersatzmedikamente oder einem Dosierungsautomaten. Für den Rückgang substituierender Ärztinnen und Ärzte führt die KV mehrere Ursachen an: Viele ältere Ärzte, die „aus innerer Überzeugung“ Substitution angeboten hätten, würden aus Altersgründen sukzessive aus der Versorgung ausscheiden. Nachrückende Ärzte scheuten oft den bürokratischen und organisatorischen Mehraufwand aufgrund gesetzlicher Vorschriften. Manche dürften auch Berührungsängste haben. Spezial Die KVNO genehmigt die Substitutionsbehandlung und fördert diese finanziell in unterversorgten Gebieten: www.kvno.de/praxis/qualitaet/genehmigungen/substitution Die Beratungskommission substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger der Ärztekammer Nordrhein unterstützt Ärztinnen und Ärzte in allen Fragen rund um das Thema: www.aekno.de/aerzte/beratung/beratungskommission- substitutionsgestuetzte-behandlung-opioidabhaengiger Informationen zur Substitution

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