Cannabis-Gesetze auf dem Prüfstand Zwischen Hippokrates und Medfluencer Die Wahrnehmung des Arztberufs wandelt sich, das Wesen nicht Vorzeitiger Tod durch Marktversagen Der weltweite Zugang zu Medikamenten bleibt ungleich Anders behandelt, besser versorgt Geschlechtersensible Medizin hilft Fehlbehandlungen zu vermeiden November 2025 Heft 11 / 31.10.2025 80. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts
Veranstaltungsinformationen: Nähere Informationen zu den Referierenden finden Sie online. Die Veranstaltung ist kostenfrei und mit 5 Fortbildungspunkten anerkannt. Eine Anmeldung ist über obigen QR-Code erforderlich. Die Veranstaltung wird durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein- Westfalen in Kooperation mit dem Landesfachbeirat Psychiatrie und der Ärztekammer Nordrhein und der Ärztekammer Westfalen-Lippe veranstaltet. Gewaltrisiko bei psychischen Erkrankungen – wie können eine nachhaltige Behandlung und Versorgung gelingen? Präsenzveranstaltung im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf Mittwoch, 19.11.2025, von 14:00 bis 18:45 Uhr Begrüßung und Grußworte Staatssekretär Matthias Heidmeier, Dr. med. Sven Dreyer Einführung und Moderation Stefanie Oberfeld Gewaltrisiko und Gewaltprävention bei psychischen Erkrankungen Prof. Dr. med. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank Rechtliche Grundlagen Matthias Koller Psychisch kranke Straftäter: Risikoanalyse, aktuelle Entwicklungen, Probleme und Lösungen Jutta Muysers Moderierter Talk Perspektiven der Angehörigen und Betroffenen Wiebke Schubert, Franz Reimering Wie machen es die anderen Länder? Dr. Islem Ganzoui, Prof. Dr. med. Elmar Habermeyer Paneldiskussion Gewaltprävention und Gelingensfaktoren Melany Richter, Prof. Dr. med. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Lothar Buddinger, Dr. Milena Lechner, Prof. Dr. med. Martin Schäfer, Dr. Islem Ganzoui, Prof. Dr. med. Elmar Habermeyer
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 3 Heft 11 • November 2025 Die unzureichende Reform der Reform Anfang Oktober wurde im Bundeskabinett das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) verabschiedet. Gut ist, dass in dem Gesetzentwurf geklärt wird, dass die Finanzierung der Transformationskosten für die Modernisierung der Krankenhauslandschaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die aus Steuermitteln und nicht aus den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber bezahlt werden muss. Ansonsten bleiben aber die im KHAG formulierten Nachbesserungen, die die Krankenhausreform der ehemaligen Ampel praxistauglich machen sollen, hinter unseren Erwartungen zurück. Ganz ausdrücklich unterstützen wir die Idee einer Krankenhausreform, in der hochspezialisierte Behandlungen konzentriert werden, aber gleichzeitig eine bedarfsnotwendige Grund- und Notfallversorgung in der Fläche erhalten wird. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die Finanzierungssystematik so ausgelegt ist, dass die Häuser in der Fläche eine wirkliche und leistungsunabhängige Vorhaltevergütung in Form einer vollständigen Refinanzierung der tatsächlichen Personalkosten erhalten. Sie benötigen eine solche leistungsunabhängige Vorhaltevergütung, da sie in Folge der Reform ihr Leistungsspektrum einschränken müssen, ohne einen Ausgleich für die dadurch wegfallenden Erlöse zu erhalten. Dennoch hält das KHAG an der im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz formulierten Finanzierungssystematik mit Fallzahlbezug fest und verschiebt lediglich die Fristen für die Einführung der Vorhaltevergütung um ein Jahr nach hinten. Doch eine Verschiebung ändert ja nichts daran, dass eine jetzt schon als unzureichend erkannte Finanzierungskonzeption zur Gefährdung vieler Standorte der Grund- und Regelversorgung auf dem Land führen wird, die wir auch nicht durch ambulante Strukturen auffangen können. Auch werden die Auswirkungen der Krankenhausreform auf die ärztliche Weiterbildung im KHAG weiterhin nur unzureichend berücksichtigt. Da die Planung auf Basis von Leistungsgruppen zu einer stärkeren Zentralisierung weiterbildungsrelevanter Versorgungsinhalte führen wird, ist eine verstärkte Kooperation von Krankenhäusern untereinander und mit weiteren Weiterbildungsstätten wichtig, um auch in Zukunft eine umfassende und qualitativ hochwertige Weiterbildung zum Beispiel im Rahmen von Weiterbildungsverbünden zu gewährleisten. Bei der Umsetzung des Krankenhausplans muss daher darauf geachtet werden, dass die Leistungen zum Erwerb einer Facharztweiterbildung auch in genügend Häusern erbracht werden können. Denn wir müssen verhindern, dass sich Weiterbildungszeiten wegen häufiger Stellen- und Wohnortwechsel verlängern, schon allein damit sich der Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten nicht weiter verschärft und darüber neue Wartezeiten für Patientinnen und Patienten entstehen. Mir ist schleierhaft, warum dieser wichtige Aspekt bei der Reform überhaupt nicht gesehen wird. Dabei sieht das im letzten Jahr beschlossene KHVVG Kooperationsvereinbarungen zwischen Krankenhäusern ausdrücklich vor, nur leider nicht im Bereich der Weiterbildung. Es wäre absolut zielführend, wenn jeder Kooperationsvertrag, den Krankenhäuser schließen, um die Qualitätsvoraussetzungen für die Erteilung von Leistungsgruppen zu erfüllen, verpflichtend auch die Möglichkeit der Weiterbildungsrotation zwischen den Häusern festlegt. Dafür werden wir uns einsetzen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Reform der Reform noch an vielen Stellen Praxistauglichkeit vermissen lässt. So bleibt uns, auf das Strucksche Gesetz zu hoffen, dass im parlamentarischen Verfahren noch relevante Verbesserungen im Sinne einer bedarfsorientierten Krankenhausreform einfließen können. Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes
Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: +49 211 4302-2751 E-Mail: iqn@aekno.de Die Veranstaltungen sind kostenfrei und mit 3 Fortbildungspunkten anerkannt! Anmeldung erforderlich: www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Internet: www.iqn.de 95. Fortbildungsveranstaltung „Aus Fehlern lernen“ in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Geburtshilfe im Fokus zwischen Risikogeburt und Hebammenkreißsaal Dienstag, 25. November 2025, 17:30 – 19:45 Uhr, Live Online-Seminar • Mütterliche Geburtsverletzungen – schicksalhaft oder aufklärungspflichtig • Geburtsplanungs-Sprechstunde in der Klinik – Inhalte, Aufgaben und Fallstricke • Neonatale Asphyxie – Was ist vermeidbar? Für Hebammen anerkannt gemäß § 7 Abs. 2 Berufsordnung für Hebammen NRW Prof. Dr. med. Markus Fleisch, Univ.-Prof. Dr. med. Thorsten Orlikowsky, Dr. med. Patricia Van de Vondel, Prof. Dr. med. Friedrich Wolff, Dr. med. Sabine Mewes Im Fokus: Sexuell übertragbare Erkrankungen Mittwoch, 03. Dezember 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • HIV – aktueller Stand • Mpox – ein Überblick • Ausgewählte sexuell übertragbare gynäkologische Infektionen • Update bakterielle sexuell übertragbare Infektionen Prof. Dr. med. Stefan Esser, PD Dr. med. Björn-Erik Ole Jensen, Prof. Dr. med. Werner Mendling, Dr. med. Stefan Scholten, Dr. med. Sabine Mewes 100 Kilometer Fußweg für ein medikament. das geht zu weit. Jede Spende hilft: www.medeor.de Die Notapotheke der Welt.
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 5 Cannabis-Gesetze auf dem Prüfstand Heft 11 • November 2025 Meinung Die unzureichende Reform der Reform Seite 3 Magazin Seite 6 bis 10 KBV fordert mehr Gestaltungsfreiheit · Vor 50 Jahren · Weiterbildungsregister soll für mehr Transparenz sorgen · MFA-Ausbildung bleibt gefragt · Kammer Online · Patenärztinnen und Patenärzte gesucht · Krankenhausreform: Ärztliche Weiterbildung angemessen berücksich- tigen · Studium und Berufseinstieg Thema Cannabis-Gesetze auf dem Prüfstand Seite 12 Spezial Arztsein heute Seite 14 Gesundheits- und Sozialpolitik Der weltweite Zugang zu Medikamenten bleibt ungleich Seite 18 NRW Staatssekretär Heidmeier spricht sich für Primärarztsystem aus Seite 20 Praxen brauchen Rückenwind – keine neuen Sparpläne Seite 21 Wissenschaft und Fortbildung Fehlerhafte Operation und Nachbehandlung bei Hallux valgus – Folge 148 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 22 Forum „Frauen sind keine zehn Kilo leichteren Männer“ Seite 24 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 25 RÄ Regional Seite 29 An Rhein und Ruhr Seite 33 Kulturspiegel Der Postkarten-Widerstand Seite 34 Amtliche Bekanntmachungen Seite 35 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 35 Mein Beruf „Im Bürokratiedschungel braucht man einen langen Atem“ Seite 43 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: Rena Lolivier / istockphoto.com Arztsein heute Die öffentliche Wahrnehmung von Ärztinnen und Ärzten wandelt sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Dasselbe gilt für das Bild, dass Ärzte von sich selbst haben. Nicht dem Wandel unterworfen ist der Kern ärztlicher Tätigkeit: die Orientierung am Wohl des Patienten. Ungleicher Zugang zu Medikamenten Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern erhalten lebensnotwendige Medikamente und Impfstoffe oft nicht, weil sie sie schlicht nicht bezahlen können. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat vor gut 25 Jahren eine Kampagne ins Leben gerufen, um diesen Zustand zu verändern. Eine erste Evaluation zu den Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes lässt vorerst keinen dringenden Handlungsbedarf erkennen. In den ersten 18 Monaten nach Inkrafttreten seien keine grundlegenden Veränderungen beim Umgang mit Cannabis festzustellen, heißt es dort. Dem missbräuchlichen Erwerb von Medizinal-Cannabis soll jedoch ein Riegel vorgeschoben werden.
6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Magazin Arzneimittel Mehrwertsteuer absenken Eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von derzeit 19 auf sieben Prozent hat der Verband der Ersatzkassen (vdek) gefordert. Damit könnten jährlich rund sechs bis sieben Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gespart werden, was 0,3 Beitragssatzpunkten entspreche. Angesichts der kritischen Finanzsituation der GKV wäre dies das richtige Signal, erklärte der vdek. Was auf Schnittblumen, Zucker und künftig auch auf Restaurantbesuche angewendet werde, müsse erst recht für Arzneimittel gelten. HK Morbiditätsatlas Große regionale Unterschiede In Hamburg ist die Krankheitslast im deutschlandweiten Vergleich am niedrigsten, gefolgt von BadenWürttemberg und Bremen. Das Schlusslicht bildet Thüringen. Das zeigt der aktuelle Morbiditäts- und Sozialatlas des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung. Die Krankheitslast in Deutschland sei nicht gleich verteilt, weder geografisch noch beruflich. Das müsse bei Präventionsstrategien stärker berücksichtigt werden, forderte die Krankenkasse. Bei den branchenspezifischen Belastungen weise zum Beispiel das Gesundheits- und Sozialwesen mit seinen besonders vielen weiblichen Beschäftigten den höchsten Anteil an Erkrankungen auf, die mit Kopfschmerzen einhergehen. Bei Frauen träten diese dreimal häufiger auf als bei Männern. HK 70 Jahre Selbstverwaltung KBV fordert mehr Gestaltungsfreiheit Ein klares politisches Bekenntnis zur Selbstverwaltung hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gefordert. Gesetzliche Regelungen müssten zurückhaltend ausgestaltet sein, damit diese ihre Stärke entfalten könne, erklärte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen bei einem Festakt zum 70-jährigen Bestehen der Selbstverwaltung Ende September in Berlin. Die Vertragsärztinnen und -ärzte wollten mit ihrem Sachverstand Versorgung gestalten und nicht nur verwalten. Es spreche viel dafür, so grundlegende Dinge wie die Gesundheitsversorgung weder dem freien Markt noch zentralstaatlicher Organisation zu überlassen, sagte Gassen. Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen sorgten mit ihrer regulierenden Tätigkeit für gleiche Werte und Standards in der Versorgung und bildeten gleichzeitig eine Art Schutzwall gegen „ideologieanfällige Parteipolitik in den Gezeiten von Regierungslegislaturen“. In der jüngeren Vergangenheit beobachte man allerdings eine stetige Zunahme an Reglementierung und Regulierung. „Geben Sie uns die Freiheit zurück, die wir brauchen“, appellierte Gassen an die Politik. Das Prinzip der unabhängigen Berufsausübung sei nicht nur die Basis des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen Ärzten und Patienten, sondern es sei grundlegend für eine freie Gesellschaft. HK Ärztliche Behandlungsfehler Planungen zur Gutachterkommission werden vorgestellt Prominent informierte das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) in der ersten November-Ausgabe 1975 über die Vorstandsvorlage der Ärztekammer Nordrhein zur Gründung einer Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler. „Nicht zuletzt unter dem Eindruck einiger Kunstfehlerprozesse, über die die Massenmedien spektakulär berichteten, wird immer wieder der Eindruck zu erwecken versucht, als wollten die Ärzte in ihrer Gesamtheit es ihren Patienten erschweren oder gar unmöglich machen, berechtigte Ansprüche gegen einzelne Mitglieder aus ihren Reihen durchzusetzen“, hieß es dort. Immer häufiger würden gegen Ärzte Behandlungsfehlervorwürfe erhoben, erläuterte das RÄ. Der Vorstand habe es deshalb „für notwendig gehalten, eine eigenständige ‚Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein‘ zu errichten“. Die Kammerversammlung sollte am 22. November 1975 über das Statut diskutieren und es verabschieden. Mit der Bildung der Gutachterkommission sollte das Ziel erreicht werden, „durch objektive Begutachtung ärztlichen Handelns dem durch einen Behandlungsfehler Geschädigten die Durchsetzung begründeter Ansprüche und dem Arzt die Zurückweisung unbegründeter Vorwürfe zu erleichtern“, so das RÄ. Zu den Merkmalen der Kommission sollte „volle Unabhängigkeit auch gegenüber den Organen der Ärztekammer Nordrhein“ gehören. Der Vorstand erhoffte sich von der Kommission und ihrer Tätigkeit eine „Versachlichung der öffentlichen Diskussion über ärztliche Behandlungsfehler“. Die damals entworfenen Grundregeln über die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Gutachterkommission gelten auch noch nach 50 Jahren. bre Der Festakt zum 70-jährigen Bestehen der Selbstverwaltung im Französischen Dom zu Berlin Foto: David Ausserhofer
Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 7 Weiterbildung Register soll für mehr Transparenz sorgen Mithilfe eines Weiterbildungsregisters will die Ärztekammer Nordrhein einen detaillierten Überblick über die Situation in der fachärztlichen Weiterbildung gewinnen. Das Register ging am 1. Oktober an den Start. In erster Linie will die Kammer damit folgende Ziele erreichen: · Potenzielle Engpässe in der zukünftigen ärztlichen Versorgung in Nordrhein identi- fizieren und frühzeitige Handlungsmaß- nahmen ableiten · Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung ge- zielt ansprechen, um sie für zukünftige Eva- luationen der Weiterbildung zu motivieren · Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung ziel- gerichtete Angebote unterbreiten, um die Qualität der Weiterbildung zu verbessern Um sämtliche Ärzte in Weiterbildung kontinuierlich zu erfassen, werden die Weiterbildungsbefugten künftig jeweils zum Stichtag 1. Oktober um Meldung über das Portal meineaekno.de gebeten. Sind zum Stichtag keine Ärzte in Weiterbildung beschäftigt, werGesundheit: Forderung nach mehr Inklusion Trotz mancher Fortschritte fehle vielen Menschen mit Behinderung noch immer ein barrierefreier Zugang zur Gesundheitsversorgung. Das haben Expertinnen und Experten auf dem Fachtag Inklusive Gesundheit der KSL. NRW Mitte September in Bochum moniert. Neben mehr Barrierefreiheit benötigten die Betroffenen spezifische Gesundheitsangebote, erklärte Professorin Dr. Susanne Schwalen, geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein. So unterstütze die Kammer beispielsweise Angebote, die Menschen mit geistiger Behinderung und deren Angehörige über Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsmaßnahmen in Leichter Sprache aufkläre. jf Kurz gemeldet NRW erlaubt Drug-Checking Drogenabhängige Menschen sollen zukünftig ihre in Drogenkonsumräume mitgebrachten Betäubungsmittel auf ungewöhnliche Inhaltsstoffe und Stoffkonzentrationen prüfen lassen können. Das sieht die Ende September von der nordrhein-westfälischen Landesregierung beschlossene Drug-CheckingVerordnung vor. Damit sollen Todesfälle durch verunreinigte Substanzen reduziert und Überdosierungen vermieden werden. Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamtes starben 2023 398 Menschen in NRW an den Folgen ihres Drogenmissbrauchs. Das waren knapp 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Die DrugChecking-Verordnung ist bis Ende 2035 befristet. jf Impfquote bei Gürtelrose gering Nur 15,5 Prozent der über 85-Jährigen in Deutschland sind vollständig gegen Herpes Zoster (HZ) geimpft. Weniger als zehn Prozent der über 60-Jährigen haben zumindest die erste der zwei erforderlichen Impfungen gegen Gürtelrose erhalten. Das zeigen Ergebnisse des diesjährigen Arzneimittelreports der Barmer, für den die PMV Forschungsgruppe des Universitätsklinikums Köln Versichertendaten der Krankenkasse ausgewertet hat. Damit sind rund 80 Prozent derjenigen, die Anspruch auf eine Impfung haben, nicht oder nur unvollständig gegen Gürtelrose geschützt. NRW liegt mit einer Impfquote von 21 Prozent im Bundesdurchschnitt. jf Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und Zusatz-Weiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 19. bis 23. Januar 2026. Anmeldeschluss: Freitag, 28. November 2025 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Krankenhäuser Mangelnde Führungskultur Die meisten Ärztinnen und Ärzte erleben die Hierarchien in ihrem Arbeitsumfeld als machtzentriert, erschwerend für Teamarbeit und Eigeninitiative sowie hinderlich für Innovation und Vielfalt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Marburger Bundes (MB) Hamburg unter rund 500 Ärztinnen und Ärzten an Hamburger Kliniken. Danach haben 87 Prozent der Befragten Machtmissbrauch oder ungerechtfertigte Einflussnahme in der Klinik erlebt oder beobachtet. 81 Prozent gaben an, im Laufe ihrer ärztlichen Tätigkeit mit rassistischen, sexistischen oder anderen sachfremden Kommentaren konfrontiert gewesen zu sein. Machtmissbrauch sei strukturell verbreitet und das müsse sich endlich ändern, erklärte der MB. Mit der Umfrage wolle man eine kritische Auseinandersetzung über Hierarchien, Machtmissbrauch und mangelnde Vielfalt in Führungspositionen vorantreiben. HK den die Weiterbilder aufgefordert, eine sogenannte Nullmeldung abzugeben. Das Weiterbildungsregister erfasst dabei folgende Daten: Einheitliche Fortbildungsnummer (EFN), Vor- und Nachname, Weiterbildungsziel, Weiterbildungsjahr, Weiterbildung in Voll- oder Teilzeit, Wochenarbeitszeit. Weitere Informationen finden sich im Portal Meine ÄkNo. ÄkNo Wissen, was läuft: Unter anderem sollen Fragen zur Qualität der fachärztlichen Weiterbildung mithilfe des neuen Weiterbildungsregisters besser beantwortet werden können. Foto: istock
Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Fahrerlaubnis Musterformulare jetzt praxistauglicher Um die Muster im ärztlichen Alltag besser nutzen zu können, stehen diese nun auch als beschreibbare PDF-Dokumente zur Verfügung und können als immer wieder neu ausfüllbare Dokumente genutzt werden. Ebenfalls findet sich dort ein Link zum offiziellen Text der Fahrerlaubnis-Verordnung. Die Übersicht über die Jahresberichte der Ärztekammer Nordrhein, die seit dem Bericht 2003 online zur Verfügung stehen, sind an eine prominentere Stelle auf der Homepage der Kammer gezogen. Sie finden sich ab sofort in der Rubrik „Ärztekammer“ oder weiterhin über den direkten Link www.aekno.de/jahresbericht. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail-Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Auf ihrer Homepage www.aekno.de stellt die Ärztekammer Nordrhein Musterformulare zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Verfügung. Diese waren lange Zeit lediglich im Verordnungstext enthalten und standen zur praktischen Anwendung nicht zur Verfügung. Es handelt sich um Muster zur Anlage 5 sowie zur Anlage 6 Nummer 2.1 und 2.2 der FeV. Dies sind Bescheinigungen über ärztliche Untersuchungen zum Sehvermögen oder zur gesundheitlichen Fähigkeit, ein Fahrzeug etwa im Rahmen der Fahrgastbeförderung zu steuern. Die aktualisierten Musterformulare finden sich in der Unterrubrik „Dokumentenarchiv“ in der Rubrik „Wissenswertes“ (www.aekno.de/dokumentenarchiv). In Nordrhein wurden für das Ausbildungsjahr vom 30. September 2024 bis zum 1. Oktober 2025 insgesamt 2.741 neue Ausbildungsverträge zum Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) abgeschlossen. Damit bleibt die Zahl im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant. Damals wurden 2.717 Verträge registriert. Deutschlandweit befanden sich zum Jahresende 2024 laut Statistischem Bundesamt rund 16.100 junge Frauen und Männer in der Ausbildung zur oder zum MFA. Der Beruf gehörte damit erneut zu den beliebtesten Ausbildungsberufen bei Frauen, noch vor der Zahnmedizinischen Fachangestellten und der Kauffrau für Büromanagement. An der MFA-Ausbildung schätzen die Auszubildenden besonders die Vielfalt der Aufgaben. „Mal hilft man Patienten durch Verbandswechsel oder Blutabnahmen, an anderen Tagen übernimmt man organisatorische und verwaltende Tätigkeiten“, erklärt Lena Heyer, MFA-Auszubildende in einer allgemeinärztlichen Praxis, in einem Kurzvideo auf dem Instagram-Kanal der Ärztekammer Nordrhein. Insgesamt ist die Zahl der Auszubildenden über alle Berufe hinweg in Deutschland leicht rückläufig. 2024 verzeichnete das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 0,5 Prozent weIn einem Kurzclip auf Instagram werben Dr. Arndt Berson, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, und Lena Heyer, MFA-Auszubildende in Bersons Hausarztpraxis, für den MFA-Beruf. Foto: Marc Strohm Statistik MFA-Ausbildung bleibt gefragt Ärztinnenbund Neues Führungsduo gewählt Der Deutsche Ärztinnenbund hat erstmals eine Doppelspitze: Die Freiburger Neurochirurgin Professorin Dr. Barbara Puhahn-Schmeiser und Jana Pannenbäcker, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie aus Essen, werden künftig als Co-Präsidentinnen den Ärztinnenbund führen. Deren bisherige Präsidentin und langjähriges Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Christiane Groß M.A., stellte sich nicht mehr zur Wahl. Der Deutsche Ärztinnenbund will sich seinem neuen Führungsduo zufolge auch zukünftig für mehr Ärztinnen in Führungspositionen und die Verankerung der geschlechtersensiblen Medizin in Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung einsetzen. jf Impfbereitschaft Große Unterschiede bei Berufsgruppen Knapp 81 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern haben sich von September 2024 bis Ende März 2025 gegen Influenza impfen lassen. In der Pflege lag die Impfquote bei 46 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Online-Befragung des Robert Koch-Instituts unter rund 12.300 Klinikmitarbeitenden. Sich selbst und andere zu schützen, waren demnach die wichtigsten Gründe für eine Grippeimpfung. Ungeimpfte gaben häufig an, die Impfung vergessen zu haben. Viele stuften zudem das Risiko, an Influenza zu erkranken, als gering ein. Auch Ängste bezüglich der Sicherheit des Impfstoffes spielten bei der Entscheidung eine Rolle. Gegen COVID-19 ließen sich nur 16 Prozent der Klinikmitarbeitenden impfen. jf niger neu abgeschlossene Ausbildungsverträge als im Vorjahr. Im Vergleich zu vor zehn Jahren liegt der Rückgang sogar bei knapp sieben Prozent. Hauptursachen sind laut BIBB demografisch bedingte sinkende Schulabgängerzahlen sowie ein gestiegenes Interesse an einem Hochschulstudium. Lediglich die Freien Berufe trotzen diesem Trend: Hier stieg die Zahl der neuen Auszubildenden in den vergangenen zehn Jahren um drei Prozent. MST
Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 9 Krankenhausreform Ärztliche Weiterbildung angemessen berücksichtigen Es brauche im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung pragmatische und unbürokratische Lösungen, um die Weiterbildung in der Regelweiterbildungszeit an mehreren Standorten absolvieren zu können, forderte der MB. Und zwar ohne ständig wechselnde Arbeitsverträge und unterschiedliche tarifliche Bedingungen. Jeder Kooperationsvertrag, den Krankenhäuser schließen, um die Qualitätsvoraussetzungen für die Erteilung von Leistungsgruppen zu erfüllen, müsse verpflichtend die Möglichkeit der Weiterbildungsrotation zwischen den Einrichtungen festlegen, so der MB. HK Die Bundesärztekammer (BÄK) und der Marburger Bund (MB) haben gesetzliche Anpassungen gefordert, damit trotz der Konzentration von Versorgungsangeboten im Rahmen der Krankenhausreform eine reibungslose fachärztliche Weiterbildung gewährleistet werden kann. Die Planung auf Basis von Leistungsgruppen werde zwangsläufig zu einer stärkeren Zentralisierung weiterbildungsrelevanter Versorgungsinhalte führen, erklärte die BÄK. Daher seien verstärkte Kooperationen von Krankenhäusern untereinander sowie mit Praxen und Medizinischen Versorgungszentren unverzichtbar. Arzneimittel Lieferengpässe eindämmen Ein optimiertes Meldesystem bei Lieferengpässen ohne unnötige Bürokratie, eine faire Belieferung durch den pharmazeutischen Großhandel sowie kurzfristige Ausnahmeregelungen, wenn Standardmedikamente fehlen, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) gefordert. In einem Positionspapier unterbreitet sie Vorschläge zur Sicherstellung einer verlässlichen und sicheren Arzneimittelversorgung an den Krankenhäusern. ArzneimittelLieferengpässe hätten sich zu einem dauerhaften Problem entwickelt. Sie führten nicht nur zu Versorgungsproblemen, sondern verursachten auch einen enormen logistischen Mehraufwand. HK Organspende NRW will Widerspruchslösung Auf Initiative von NordrheinWestfalen und sieben weiteren Bundesländern hat der Bundesrat Ende September erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende in den Bundestag eingebracht. Damit soll künftig jeder Mensch als Organspender gelten, sofern er nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Der Bundesrat will damit erreichen, dass mehr Menschen ein lebensrettendes Organ erhalten. Der Bundestag muss nun entscheiden, ob er den Vorschlag des Bundesrates aufgreifen will. Fristen gibt es hierfür nicht. Nach Angaben des NRWGesundheitsministeriums warten in dem Bundesland zurzeit 1.700 Menschen auf ein Spenderorgan, gespendet wurden im vergangenen Jahr 500 Organe. HK Gesund macht Schule Patenärztinnen und Patenärzte gesucht Für das laufende Schuljahr 2025/26 sucht das Präventionsprogramm Gesund macht Schule der Ärztekammer Nordrhein und der AOK Rheinland/Hamburg Ärztinnen und Ärzte, die Freude an der Arbeit mit Kindern haben und sich ehrenamtlich als Paten an einer Grundschule engagieren möchten. Als Experten für Prävention und Gesundheitsförderung unterstützen die Patenärzte die Lehrkräfte bei der Unterrichtsgestaltung und Elternarbeit. Bei ihren Unterrichtsbesuchen vermitteln sie den Schülerinnen und Schülern zum Beispiel, wie der eigene Körper funktioniert, warum Bewegung, gesunde Ernährung und Hygiene wichtig sind, und stärken damit die Gesundheitskompetenz der Kinder vor Ort. Das Programm Gesund macht Schule verfolgt das Ziel, Kinder, Lehrkräfte, Mitarbeiter des Offenen Ganztags und Eltern für ihre Gesundheit zu sensibilisieren. Das Herzstück des Programms bilden die Schulpatenschaften mit Ärztinnen und Ärzten. Für die teilnehmenden Ärzte bietet das Programm Materialien für die Elternarbeit und den Unterricht an, darunter beispielsweise einen Torso oder Röntgenbilder. Bei Interesse an einer Teilnahme als Patenärztin oder Patenarzt finden Sie weitere Informationen unter: www.gesundmachtschule.de/ aerzte/teilnahme-am-programm MST Für das laufende Schuljahr sucht das Präventionsprogramm Gesund macht Schule verstärkt nach neuen Patenärztinnen und Patenärzten für teilnehmende Grundschulen. Grafik: Marc Strohm / Tina Ennen
10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Magazin – Studium und Berufseinstieg Der Chirurg schiebt mir ein Blatt auf dem Prüfungstisch zu. Ich erkenne sechs pathologische After. Die Prüferinnen und Prüfer, die mir gegenübersitzen, sind die liebsten Menschen der Welt und doch dreht sich mir in jeder mündlichen Prüfung seit dem mündlichen Physikum die Kehle um 180 Grad. Am liebsten würde ich irgendwo am Meer stehen und sechsmal After in die Wellen schreien. Doch die Pathologien fließen sanft über meine Lippen, während ich mit meinem zitternden Finger die Bilder durchgehe: Hämorrhoiden, Analkarzinom, Analprolaps, Analabszess, Analfissur und Analvenenthrombose. „Top! Super! Alles richtig erkannt, Herr Fischer!“ Der Chirurg ist besonders davon beeindruckt, dass ich die Analvenenthrombose erkannt habe. Diese würden nämlich sogar manche Hausärzte übersehen, so der Prüfer. Ich bin mir nicht sicher, ob er das ernst meint oder ob das nur die Einleitung für weitere Fragen zur Analvenenthrombose sein sollte. Meine Kehle dreht sich um weitere 180 Grad, weil ich die meisten Fragen nicht beantworten kann. Noch aus der anatomischen Propädeutik in der Vorklinik weiß ich, dass Stimmlippen bei einer 360 Graddrehung keine Töne mehr hervorbringen. Also sitze ich da mit dem größten Kloß der Geschichte im Hals und warte darauf, dass der ChiMarburger Bund Sprecherrat ist Plattform für junge Ärztinnen und Ärzte Auf Einladung des damaligen Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein und Bundesvorsitzenden des Marburger Bundes (MB) Rudolf Henke sowie des zweiten Vorsitzenden des MB Dr. Andreas Botzlar wurde am 13. Oktober 2014 der „Sprecherrat der sich weiterbildenden Ärztinnen und Ärzte“ des Marburger Bundes ins Leben gerufen. Das Gremium wurde gegründet, um Mitgliedern im MB berufspolitisch einen nahtlosen Übergang vom Studium ins Berufsleben zu ermöglichen und jungen Ärztinnen und Ärzten eine eigene Plattform zum intensiven Austausch für ihre Belange auf Bundesebene zu bieten. Derzeit besteht der Rat aus 31 Mitgliedern. Jeder Landesverband des MB entsendet maximal drei Vertreter in den Sprecherrat. Voraussetzung dafür sei, dass sie sich in der Facharztweiterbildung befinden und Mitglieder des MB sind, teilte die Ärztegewerkschaft mit. Die Mitgliedschaft ende automatisch, wenn die Weiterbildung abgeschlossen wurde. Die Mitglieder des Sprecherrates wählen aus ihrer Mitte eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden sowie bis zu zwei Stellvertreter. Derzeit hat Dr. Sonja Mathes aus Bayern den Vorsitz inne. Ihre Stellvertreter Dr. Philipp Schiller und Dr. Jan Galuska kommen aus den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz sowie Niedersachsen. Thematisch konzentriert sich der Sprecherrat nicht nur auf die Weiterbildung, sondern beschäftigt sich mit sämtlichen Belangen des beruflichen Alltags junger Ärztinnen und Ärzte, wie zum Beispiel Berufseinstieg, die ersten Jahre als Ärztin oder Arzt sowie die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. rurg mich aus meiner Unwissenheit erlöst. Die Prüferinnen und Prüfer aus der Orthopädie, Anästhesie und Urologie hören mich den Kloß schlucken, während ich mehr oder weniger zielstrebig durch deren Fragenflut schwimme. Am Ende dieser Prüfung des fächerübergreifenden Lernens wirft der Chirurg mir zu meiner Verwunderung und Erleichterung eine 1,0 hinterher. Offenbar hat die Analvenenthrombose mich gerettet. Ich weiß jetzt mehr denn je, dass ich mich auf einer Reise befinde. Ich bin noch nicht da, wo ich mich selbst sehe und wo ich als Arzt sein will. Ich werde noch viel schwimmen müssen und mir wird noch häufig der Hintern gerettet. Und irgendwie kann ich mich trotzdem darauf freuen. Wie erlebt Ihr das Medizinstudium? Schreibt mir unter medizinstudium@ aekno.de. Mail aus Bonn Lüko Fischer Foto: privat Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vorbereitung auf die Facharztprüfung. Der Sprecherrat sieht seinen Auftrag darin, diese Themen sichtbar zu machen. Interessierte Ärztinnen und Ärzte, die sich für die Mitarbeit im Sprecherrat interessieren und Mitglied im MB sind, können sich an ihren jeweiligen Landesverband wenden. Dieser koordiniert, wen er als Vertreterin oder Vertreter in den Sprecherrat entsendet. Darüber hinaus gibt es zum Beispiel im Landesverband Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, am Arbeitskreis „Junge Ärztinnen und Ärzte“ mitzuwirken. Weitere Informationen zum Sprecherrat unter www.marburger-bund.de/weiter bildung/junge-aerztinnen-und-aerzte. bre Die drei Vorsitzenden des Sprecherrats der sich weiterbildenden Ärztinnen und Ärzte im MB. v. l. n. r.: Dr. Jan Galuska, Dr. Sonja Mathes und Dr. Philipp Schiller. Foto: Mark Bollhorst / Marburger Bund Organisationen der Jungmediziner Das Rheinische Ärzteblatt stellt an dieser Stelle in loser Folge Organisationen und Vereinigungen vor, die die Interessen von Medizinstudierenden sowie von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung vertreten und sie in ihrer medizinischen Laufbahn unterstützen. bre
Erfolgreich in die Praxis Ihre Zukunft, Ihre Möglichkeiten Sie denken über eine Anstellung oder den Einstieg in eine Praxis nach? Unsere Veranstaltungsreihe bietet Ihnen: • Beratung zu Niederlassung und Anstellung • Infos zu Förderangeboten • Austausch mit Praxen aus der Region Die Teilnahme ist kostenlos. Jetzt informieren und teilnehmen! Landpartie in der Region Rhein-Erft — Heinsberg — Düren Freitag, 21. November 2025, 15 bis 20:30 Uhr 21.11. Bei der Fortbildungsreihe „Der ältere Mensch“, die die KV Nordrhein gemeinsam mit der Ärztekammer Nordrhein veranstaltet, steht dieses Mal die medizinische Versorgung bei demenziellen Erkrankungen im Fokus: ▪ Frühe Demenz-Diagnostik und Erwartungen an die Behandlung mit neuen Antidementiva ▪ Nationale Demenzstrategie – Modul für interdisziplinäre Qualitätszirkel ▪ Regionale Versorgung von Menschen mit Demenz – sektorenverbindend und interprofessionell Demenz – Aktuelles zu Diagnostik, Medikation und Versorgung Mittwoch, 19.11.2025, 15:00 – 17:00 Uhr Veranstalter: KV Nordrhein I Die Veranstaltung findet online statt. 19.11. Weitere Infos und Anmeldung unter: kvno.de/mensch-november
Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Foto: Rena Lolivier / istockphoto.com Zunächst einmal vorsichtige Entwarnung: Drastische Folgen der Teillegalisierung des Cannabiskonsums seit April 2024 sind bislang nicht zu verzeichnen. „Die vorliegenden Ergebnisse lassen bis jetzt keinen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche erkennen“, heißt es im Zwischenbericht der Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (KCanG), der pünktlich zum 1. Oktober 2025 vorlag. Koordiniert vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung, sollen die Auswirkungen der Teillegalisierung über einen vierjährigen Zeitraum bis April 2028 untersucht werden. In den ersten 18 Monaten nach Inkrafttreten des KCanG seien keine grundlegenden Veränderungen beim Umgang mit Cannabis festzustellen, wird im Zwischenbericht die Auswertung bisher vorliegender Daten zusammengefasst. „Während der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen weiterhin leicht zurückzugehen scheint, ist bei Erwachsenen nach wie vor eine leichte Zunahme des Cannabiskonsums zu beobachten.“ Auch seien keine schwerwiegenden Veränderungen in der Entwicklung von Suchterkrankungen oder in der Gefährdung der Verkehrssicherheit festzustellen. Einschränkend wird aber darauf hingewiesen, dass der Untersuchungszeitraum noch zu kurz sei, um verlässlich die Auswirkungen der Teillegalisierung des Cannabiskonsums durch das KCanG auf akute und chronische Gesundheitsprobleme bestimmen zu können. Laut Zwischenbericht gibt es allerdings den problematischen Sachverhalt, dass die gemäß KCanG bisher bestehenden legalen Cannabis-Anbauvereinigungen keinen maßgeblichen Beitrag zur Verdrängung des Schwarzmarkts leisten könnten. Es sei auch nicht zu erwarten, „dass sich diese Entwicklung ohne normative Korrekturen verändern wird“. Von einer weiteren Lockerung der Cannabis-Vorschriften ist allerdings unter der aktuellen Regierungskoalition nicht auszugehen. Die ursprünglich vorgesehene gesetzliche Regelung zur Schaffung von Modellregionen, in denen die kontrollierte Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften oder Apotheken erprobt werden sollte, konnte nach Scheitern der Ampel-Koalition nicht mehr realisiert werden. Der Versuch des ehemaligen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir, ein solches Verfahren im November 2024 noch auf dem Verordnungswege durchzusetzen, darf mittlerweile als gescheitert angesehen werden. Die von ihm für die Prüfung und Genehmigung entsprechender Anträge ermächtigte Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung steht nunmehr unter der Fach- und Dienstaufsicht des CSU-geführten Landwirtschaftsministeriums auf dem Standpunkt, dass ein gesondertes Gesetzgebungsverfahren zur Regelung von Modellvorhaben unabdingbar sei. Auf Anfrage teilt die Bundesanstalt mit, dass sie bei derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit sehe, Erlaubnisse zu den beantragten Cannabis-Modellvorhaben zu erteilen. Regulierungsbedarf sehen mittlerweile viele beim Erwerb von Cannabis auf der Grundlage des Medizinal-CanCannabis-Gesetze auf dem Prüfstand Eine erste Evaluation zu den Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes lässt vorerst keinen dringenden Handlungsbedarf erkennen. Die CDU/CSU drängt gleichwohl auf Einschränkungen der Teillegalisierung. Zudem soll dem missbräuchlichen Erwerb von MedizinalCannabis ein Riegel vorgeschoben werden. von Thomas Gerst
Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 13 nabisgesetzes. Die Versorgung mit Medizinal-Cannabis sei einfacher geworden, heißt es im Zwischenbericht der Evaluation des Konsumcannabisgesetzes, wobei anzunehmen sei, dass auch Konsumierende ohne medizinischen Bedarf Medizinal-Cannabis beziehen. Deutlich wird diese Entwicklung auch auf der Grundlage von Daten zum Import von Medizinal-Cannabis nach Deutschland. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erhöhte sich dieser vom ersten Quartal 2024 bis zum zweiten Quartal 2025 um mehr als das Fünffache von 8.143 Kilogramm auf 43.257 Kilogramm. Offenbar hat sich mit der Teillegalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken im Frühjahr 2024 und der Herauslösung von Medizinal-Cannabis aus dem Betäubungsmittelrecht ein zunächst vom Gesetzgeber nicht vorhergesehener bequemer Weg zum Erwerb von Medizinal-Cannabis zu Konsumzwecken über Onlineplattformen nach privatärztlicher Verordnung aufgetan. Nun mögen manche nichts Schlimmes daran finden, dass auf diese Weise eine Gelegenheit geschaffen wurde, sich über Onlineapotheken mit einem Rauschmittel zu versorgen, dessen Konsum nach dem Konsumcannabisgesetz mit Wirkung vom 1. April 2024 zwar legal, dessen Verkauf jedoch weiterhin illegal ist. Dies sei allemal besser, als Konsumenten zurück auf den Schwarzmarkt mit gegebenenfalls zweifelhafter Ware zu drängen. Ordnungspolitische Fehlentwicklung Allerdings kommt man nicht an der Einschätzung vorbei, dass es sich bei der nun bestehenden Möglichkeit des Erwerbs von Medizinal-Cannabis zu Konsumzwecken um eine ordnungspolitische wie auch berufspolitische Fehlentwicklung handelt. Insofern war auch das Echo auf den vom Bundesgesundheitsministerium im Juli 2025 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes überwiegend positiv. Der am 8. Oktober vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht die Verpflichtung zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt bei erstmaliger Verschreibung von Medizinal-Cannabis und bei Folgeverschreibungen innerhalb von vier Quartalen vor. Zudem ist ein Verbot des Versandhandels mit Cannabisblüten zur medizinischen Verwendung vorgesehen. Zu einer positiven Bewertung der angestrebten Gesetzesänderung kommt etwa der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer. „Da MedizinalCannabis zurecht ein verschreibungspflichtiges Medikament ist, ist es nicht die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten, Freizeitkonsumenten (also ohne medizinische Indikation) Medizinal-Cannabis zu verordnen.“ Die Rechte schwerkranker Menschen würden durch die angestrebte Neuregelung nicht eingeschränkt. Ein regelhafter persönlicher Kontakt zum Arzt sei hier Standard und die angemessene Versorgung mit MedizinalCannabis weiterhin gesichert, betont Dreyer. Schon im Juni 2025 hatte die Gesundheitsministerkonferenz der Länder die Bundesregierung aufgefordert, Leitplanken für die Telemedizin zu entwickeln, um Online-Plattformen vorzubeugen, „deren Fokus weniger auf ärztlicher Versorgung und primär auf Gewinnerzielung liegt – etwa durch die schnelle Ausstellung von Verschreibungen gegen Entgelt ohne angemessene ärztliche Beratung“. Mit Blick auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von September 2025 (EuGH, C-115/24) könnte es bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens aber Probleme geben. Der EuGH hat über grundsätzliche Fragen der grenzüberschreitenden Telemedizin geurteilt und entschieden, dass telemedizinische Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zu erbringen seien, in dem der Gesundheitsdienstleister ansässig ist. Hier stellt sich die Frage, wie die Einlösung von Rezepten für Medizinal-Cannabis in deutschen Apotheken untersagt werden kann, wenn sie von Ärzten im Ausland auf Grundlage des dort geltenden Rechts ohne persönlichen Kontakt zum Patienten ausgestellt wurden. Das weitere politische Schicksal der Cannabis-Gesetzgebung scheint offen. Aus Reihen der CDU/CSU, die sich von vornherein gegen die Teillegalisierung des Cannabiskonsums ausgesprochen hatte, kommen nach dem Zwischenbericht der Evaluation des KCanG erneut Forderungen nach regulierenden Eingriffen, wenn nicht gar nach Rücknahme des Gesetzes. Im Koalitionsvertrag mit der SPD wurde vereinbart, das Gesetz im Herbst 2025 ergebnisoffen zu evaluieren. Ein Entgegenkommen der SPD beim KCanG scheint auf Grundlage des Zwischenberichts kaum vorstellbar. Hier sieht man sich eher in der Pflicht, die Errungenschaften in der Drogenpolitik der letzten Legislatur verteidigen zu müssen, wie es SPD-Fraktionsmitglied Carmen Wigge auf der Online-Plattform „Abgeordneten Watch“ zum Ausdruck bringt. Sie ist davon überzeugt, „dass eine europarechtskonforme Voll-Legalisierung von Cannabis und der Verkauf in lizensierten Fachgeschäften der beste Weg ist“. Die aktuell vom Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit vorgelegte Drogenaffinitätsstudie zeigt bei Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren für das Jahr 2025 gegenüber 2023 leicht rückläufige Prozentwerte in Bezug auf Cannabiskonsum. In der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen stieg der Anteil der Männer mit Cannabiskonsum von 26,9 auf 31,6 Prozent; bei den jungen Frauen ging dieser Anteil leicht zurück von 19,4 auf 18,8 Prozent. Die kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Ergebnisse des Epidemiologischen Sucht- surveys zeigen für das Jahr 2024 hochgerechnet auf die deutsche Gesamtbevölkerung Daten zu Abhängigkeit und Missbrauch beim Cannabiskonsum. Hiernach erfüllten 1,0 Prozent der Gesamtbevölkerung (515.000 Personen) die Kriterien einer Cannabisabhängigkeit und 0,5 Prozent (257.000 Personen) die eines Cannabismissbrauchs. Im Vergleich dazu lagen die entsprechenden Werte beim Alkoholkonsum bei 4,2 Prozent (2,2 Mio.) und 3,3 Prozent (1,7 Mio.). Studien zum Konsumverhalten
14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Spezial
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 15 Spezial Arztsein heute Zwischen Hippokrates und Medfluencer: Die Wahrnehmung von Ärztinnen und Ärzten in der Öffentlichkeit wandelt sich mit den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Dasselbe gilt für das Bild, das Ärzte von sich selbst haben. In der Ärzteschaft gibt es allerdings einen relativ breiten Konsens darüber, welche Kerneigenschaften des Berufsstands dem Wandel der Zeit standhalten sollten. von Heike Korzilius „A ls Mitglied der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen. Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.“ Mit diesen Worten beginnt das Ärztliche Gelöbnis. Es ist die moderne Version des hippokratischen Eids und fasst die ethischen Prinzipien ärztlichen Handelns zusammen. Das Gelöbnis wurde 1948 auf der 2. Generalversammlung des Weltärztebunds noch unter dem Eindruck der medizinischen Menschenversuche während der Naziherrschaft verabschiedet und sollte dazu beitragen, das Vertrauen in die ärztliche Profession wiederherzustellen. Als ethische Leitlinie ist es in der revidierten Fassung von 2017 noch heute den Berufsordnungen der Landesärztekammern vorangestellt. Der Hausarzt an der Seite des Patienten Die Orientierung am Patientenwohl und damit zusammenhängend die ärztliche Freiberuflichkeit als Garant für Therapie- und Weisungsfreiheit gegenüber Dritten gehören zum Kern ärztlicher Tätigkeit. Er hat auch im 21. Jahrhundert noch Bestand, obwohl das Arztsein infolge des medizinischen Fortschritts heutzutage eine Vielzahl von unterschiedlichen Spezialitäten und Realitäten abbildet. Foto groß: Stefan Ternes – www.ternes-design.de Foto klein: fizkes / istockphoto.com
16 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Spezial Doch zwischen Hippokrates (460–370 v. Chr.), dem Begründer der wissenschaftlichen Medizin und ärztlichen Ethik, und aktuellen ärztlichen Social Media Stars mit kommerziellen Eigeninteressen liegen Zeiten und Welten. Zwar gibt es auch unter den sogenannten Medfluencern viele Ärztinnen und Ärzte, die seriös über medizinische Themen informieren. Andere dagegen machen sich die Digitalisierung mit den Möglichkeiten der Fernbehandlung und den riesigen Reichweiten von Instagram, TikTok und Co. zunutze, um mit ins Feld geführter ärztlicher Kompetenz für Nahrungsergänzungsmittel oder kosmetische Eingriffe zu werben – mit der Folge, dass vielfach die Grenzen zwischen Medizin und Geschäft verschwimmen. Wiederholt haben Deutsche Ärztetage in den vergangenen Jahren vor den Folgen von Ökonomisierung und Kommerzialisierung in der Patientenversorgung gewarnt. „Zumutungen durch äußere Rahmensetzungen“, nennt sie Dr. Stefan Schröter. Der Dermatologe ist Mitglied des Vorstands der Ärztekammer Nordrhein und des Ad hoc-Ausschusses „Das Bild des Arztes / der Ärztin in der Öffentlichkeit“. Eine Zäsur stellt für Schröter die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen in den Krankenhäusern im Jahr 2003 dar. Seither seien diese mit dem „betriebswirtschaftlichen Virus“ infiziert. „Inzwischen haben in den Kliniken die Geschäftsführer mehr Macht als die Chefärzte“, kritisiert Schröter. Betriebswirtschaftliche Größen infiltrierten das ärztliche Handeln auf allen Ebenen (siehe Textkasten „Ethische Orientierung“). Einfluss der Investoren wächst Vor diesem Hintergrund sehen die Ausschussmitglieder auch den wachsenden Einfluss privater Finanzinvestoren in der ambulanten Versorgung kritisch. Der Trend ist eng verbunden mit der Einführung der Kooperationsform der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Jahr 2004, mit der über die Jahre immer größere Strukturen mit entsprechendem Investitionsbedarf entstanden sind. Deutsche Ärztetage fordern seit Jahren ein Einschreiten der Politik. Die Sorge: Die medizinische Versorgung könnte sich in Zukunft nicht mehr in erster Linie am Wohl der Patientinnen und Patienten orientieren, sondern an den Renditeerwartungen der Geldgeber. „Die Freiheit der Berufsausübung leidet unter den geltenden ökonomischen Zwängen“, fasst es ÄkNoVorstandsmitglied Schröter zusammen. „Früher war nicht alles gut“ Die zunehmende Fremdbestimmung der Ärztinnen und Ärzte problematisiert auch Ausschussmitglied Wolfgang Bartels. Der Orthopäde, der lange Jahre in eigener Praxis niedergelassen war, warnt vor den Folgen, die wachsender Druck durch Budgetierung und unzureichende Honorierung in der ambulanten Kassenmedizin, Regressandrohungen und fehlende Wertschätzung nicht nur für die Patientenversorgung, sondern auch für die Gesundheit der Ärztinnen und Ärzte haben kann. „Kolleginnen und Kollegen leiden vermehrt unter Burnout und Depressionen oder steigen vorzeitig aus dem Beruf aus“, sagt Bartels. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und zunehmenden Fachkräftemangels keine gute Entwicklung. Dr. Jana Aulenkamp, die ebenfalls dem Arztbildausschuss angehört, ist es ein Anliegen, nicht nur die negativen Aspekte des Wandels in den Blick zu nehmen. „Früher war nicht alles gut und heute ist nicht alles schlecht“, meint die angehende Anästhesistin. Sie dürfte für viele in der jüngeren Ärztegeneration sprechen, wenn sie das Bild vom selbstlosen Heiler, der rund um die Uhr bei Wind und Wetter für seine Patienten im Einsatz ist, als Ideal infrage stellt. Geregelte Arbeitszeiten und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit, hält Aulenkamp für große Errungenschaften, die insbesondere auf die Ärzteproteste Anfang der 2000er-Jahre zurückzuführen seien. Die Jungen Ärzte im Marburger Bund formulieren es in einem Video auf der Homepage der Ärztegewerkschaft so: Man wolle, „dass Patienten gesund und wir Ärzte nicht krank werden“. Dazu gehörten Arbeitszeitmodelle, in denen man alt werden könne, mehr Teamarbeit sowie mehr Entlastung und Substitution, außerdem flache Hierarchien und mehr Zeit für die Teilhabe an der Gesellschaft. In ihrer Generation stehen sie mit solchen Forderungen berufs- und branchenübergreifend nicht allein. Der Arztberuf ist – trotz aller Kritik an der hohen Arbeitsbelastung, überbordender Bürokratie und zu niedriger Honorare – bei jungen Menschen äußerst beliebt. Nach wie vor gibt es in jedem Jahr deutlich mehr Bewerber als Medizinstudienplätze; im Wintersemester 2024/25 kamen im Durchschnitt 3,2 Bewerber auf einen Studienplatz. Auch in der Gesellschaft genießen Ärztinnen und Ärzte weiterhin hohes Ansehen. Im aktuellen Ranking des Statistik-Portals Statista rangieren sie auf Platz vier – direkt nach Feuerwehrleuten, Kranken- und Altenpflegekräften. Und wenn auch in Politik und MeEine ethische Orientierung für einen verantwortungsvollen Umgang mit finanziellen Anreizen in der Patientenversorgung hat vor Kurzem die Zentrale Ethikkommission (ZEKO) bei der Bundesärztekammer vorgelegt. Veröffentlicht wurde die Stellungnahme am 1. Oktober im Deutschen Ärzteblatt. Wenn ärztliches Handeln Gefahr laufe, sich primär an ökonomischen Zielgrößen auszurichten, habe das weitreichende Folgen: Neben dem potenziellen Schaden einer möglichen Unter-, Über- oder Fehlversorgung durch ökonomische Fehlanreize wiege ein etwaiger Vertrauensverlust der Patientinnen und Patienten in die Patientenversorgung besonders schwer, heißt es im Vorwort der Stellungnahme. Zugleich sei es für viele Ärztinnen und Ärzte eine erhebliche moralische Belastung, wenn sie ihren eigenen professionsethischen Ansprüchen auf Dauer nicht gerecht werden könnten. Die ZEKO betont aber zugleich, dass ärztliches Handeln nicht durch die strukturellen Rahmenbedingungen mit ihren finanziellen Anreizen determiniert wird. Ärztinnen und Ärzte hätten regelmäßig Handlungsspielräume. Ethische Orientierung
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