Rheinisches Ärzteblatt 11/2025

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 17 Ärzte übten ihren Beruf unabhängig und frei von privaten oder staatlichen Weisungen aus. Nur unter diesen Bedingungen könnten sie ihren Patientinnen und Patienten gerecht werden und ihren notwendigen Ermessensspielraum bei der Indikationsstellung nutzen. Ärztinnen und Ärzte seien ihren individuellen Patienten und dem Gemeinwohl verpflichtet und dürften sich deshalb nicht primär von Erwerbsaussichten leiten lassen. „Patientinnen und Patienten müssen darauf vertrauen können, dass sie trotz des Erwerbsdrucks ihrer Ärzte immer gut beraten würden“, sagte Maio. Das Grundproblem der modernen Medizin besteht aus seiner Sicht darin, dass man Ärztinnen und Ärzten nicht mehr die Freiräume lässt, den Einzelfall genauer zu beurteilen und durch Reflexion das zu empfehlen, was für den einzelnen Menschen das Richtige und Passende sei. Ärztinnen und Ärzte würden einer „Handreichungslogik“ unterworfen, die die Gefahr „einer Entakademisierung, Profanisierung und Deprofessionalisierung des ärztlichen Berufes“ berge, warnte der Medizinethiker. Eine derartige Fließbandmedizin wünschten sich weder Ärzte noch Patienten. Das besondere Vertrauen, das Patientinnen und Patienten ihren Ärzten entgegenbringen, ist auch im 21. Jahrhundert noch Bedingung für eine gelingende Therapie. Die Art der Beziehung hat sich aber grundlegend gewandelt. Patientenautonomie und Selbstbestimmung sind an die Stelle des eher patriarchalisch geprägten Verhältnisses vergangener Tage getreten. Die Schattenseite dieser Emanzipation ist die Anspruchshaltung mancher Patienten, die viele Ärzte beklagen. Statt Anwalt der Patienten zu sein, würden Ärzte mehr und mehr zu Dienstleistern „degradiert“, lautet die Kritik. Im Arztbild-Ausschuss zeigt sich Dr. Wolfgang Klingler unverzagt. „Ich bin für mein Leben gerne Arzt“, sagt der Internist. „Der Beruf gibt persönliche Befriedigung, soziales Ansehen und wird dazu noch besser bezahlt als der Durchschnitt anderer akademischer Berufe.“ dien manches Urteil über „die“ Ärzte kritisch ausfällt, sind die Menschen mit ihren eigenen Ärztinnen und Ärzten hoch zufrieden. Nach der GKV-Versichertenbefragung 2024 zur ambulanten Versorgung erklärten 68 Prozent, sie seien mit ihrem behandelnden Hausarzt vollkommen oder sehr zufrieden. 67 Prozent sagten das über ihre Fachärzte. Die Zufriedenheitswerte blieben dem GKV-Spitzenverband zufolge damit auf ähnlich hohem Niveau wie 2019 und 2022. Nur sieben Prozent der Patientinnen und Patienten zeigten sich mit ihrem Facharzt und sechs Prozent mit ihrem Hausarzt unzufrieden. Ein positives Arztbild öffentlich zu kommunizieren und weiterzuentwickeln, gehört zum Arbeitsauftrag des Ad hoc-Ausschusses der ÄkNo. „Das Arztbild ist nicht statisch. Es entwickelt sich im Laufe der Zeit und im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen“, betont der Ausschussvorsitzende Sebastian Exner. Neben Ökonomisierung und Digitalisierung verändere auch die Technisierung ärztlicher Tätigkeiten vor dem Hintergrund des medizinischen Fortschritts das Bild, das die Öffentlichkeit von Ärztinnen und Ärzten habe. Dazu komme als Folge die fortschreitende Spezialisierung der Profession. Hausarzt auf dem Land, Neurochirurgin, Endokrinologe, Reproduktionsmedizinerin: Die Vielfalt ärztlicher Tätigkeit sei inzwischen so breit gefächert, dass es schwieriger werde zu erkennen, was das Arztsein in seinem Kern ausmache, meint Exner. Der Ausschuss will deshalb in einem Kurzfilmprojekt die Vielfalt, den Wandel und auch die Kernelemente des ärztlichen Berufs herausarbeiten (siehe Textkasten „Kurzfilmprojekt). Der Arztberuf ist kein Gewerbe Demselben Ziel dient eine eigene Veranstaltungsreihe zum Arztbild im Rahmen der jährlichen Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung. Den Auftakt bildete Ende August 2024 Peter Müller, Bundesverfassungsrichter a.D., der in seinem Vortrag im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft die ärztliche Freiberuflichkeit als Garant für Therapiefreiheit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen herausstellte. In diesem Jahr soll es am 1. Dezember in einem Vortrag von Professor Dr. Giovanni Maio um das Primat des Patientenwohls als Kern ärztlichen Handelns gehen. In einem Interview mit dem Monitor Versorgungsforschung hatte der Medizinethiker der Universität Freiburg bereits 2023 ausgeführt, die Patientenorientierung sei die Grundlage, der eigentliche Sinn der Medizin. „Wir haben diesen Sinn nur aus dem Blick verloren und müssen ihn im Interesse der Patienten, aber auch im Interesse einer sinnstiftenden ärztlichen Tätigkeit wieder in den Mittelpunkt allen Denkens und Handelns in der Medizin rücken.“ Neben der Patientenzentriertheit ist für Maio – ebenso wie für den Juristen Müller – die Freiberuflichkeit eines der Wesensmerkmale des Arztberufs. Dieser sei weder ein reines Gewerbe noch ein staatliches Gebilde, führte der Medizinethiker in einem Vortrag im November 2019 bei der 5. Fokusveranstaltung der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) aus. Ärztinnen und Spezial In der Kurzfilmreihe „Aus dem Alltag nordrhei- nischer Ärztinnen und Ärzte“ berichten Ärzte zwischen Eifel und Niederrhein, zwischen Ruhrgebiet und Bergischem Land exemplarisch über ihren Berufsalltag, über ihr Ehrenamt und über Herausforderungen, die sich in ihrem Berufsleben stellen. Sie sprechen über ihre Arbeit in Praxen, Kliniken, in Gesundheitsämtern, in Gefängnissen, auf Schiffen oder in der Obdachlosenhilfe. Dargestellt werden sollen die Vielfalt ärztlicher Tätigkeiten und die Kernelemente des ärztlichen Berufs. Auf YouTube Shorts, Instagram (@aerztekammernord rhein) und unter www.aekno.de/ kurzfilmreihe-arztberuf werden die Kurzclips ab Anfang November zu sehen sein. Kurzfilmprojekt: Aus dem ärztlichen Alltag

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