Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 19 Gesundheits- und Sozialpolitik einer freiwilligen Lizenzvereinbarung Lenacapavir in 120 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen verfügbar machen soll, verhindern zahlreiche Einschränkungen, Restriktionen und Lücken in den Lizenzvereinbarungen den breiten Zugang zu dem Arzneimittel. So seien viele Länder, darunter viele mit einer hohen HIV-Inzidenz, von der Verteilung ausgeschlossen, der Import bestimmter Ausgangsstoffe zur Herstellung der Generika eingeschränkt oder Zulassungen in Zielstaaten und Preisgenehmigungen so komplex, dass sie den Zugang verzögerten, kritisiert Ernoult. 3,95 Dollar pro Insulin-Pen sind zuviel Die jahrelange Lobbyarbeit der Medikamentenkampagne zeige allerdings zweifelsohne auch Erfolge. Ernoult erinnert an die Preissenkungen für antiretrovirale Medikamente zur Behandlung von Menschen mit HIV, für die Ärzte ohne Grenzen sich zu Beginn der Kampagne einsetzte. Oder die Förderung alternativer Produzenten für einen Impfstoff gegen Pneumokokken, der es globalen Partnern wie dem Global Fund oder Gavi ermöglichte, die Zahl der Menschen, die behandelt werden konnten, zu erhöhen. Ergebnisse, die sich sehen lassen können. Seit 2019 setzt sich MSF Access zudem dafür ein, mehr Menschen den Zugang zu Hepatitis-C-Medikamenten zu ermöglichen. Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen konnte die Hilfsorganisation Pharmaunternehmen darüber hinaus dazu bewegen, den Preis von Tuberkulose-Tests und Medikamenten zu senken. So sank der Preis für die Behandlung einer multiresistenten Tuberkulose von 6.000 US-Dollar pro Behandlungszyklus im Jahr 2013 auf mittlerweile 300 US-Dollar. Einen weiteren großen Erfolg, erzählt Ernoult, habe MSF in Verhandlungen mit dem Pharmaunternehmen Novo Nordisk erreicht. Der weltweit größte Insulinhersteller und Südafrikas wichtigster Lieferant von Humaninsulin-Pens kündigte 2024 an, die Produktion dieser leicht zu bedienenden Pens vollständig einzustellen. „Gemeinsam mit anderen Partnerorganisationen konnten wir erreichen, dass Novo Nordisk die Lieferung von analogen Insulin-Pens nach Südafrika wiederaufgenommen hat. Auch wenn der Preis mit 3,95 US-Dollar noch zu hoch ist,“ sagt Ernoult. Hier geht der Kampf weiter: Im Juni dieses Jahres forderte MSF Novo Nordisk und weitere Unternehmen auf, Insulin-Pens zu einem Preis von einem Dollar zur Verfügung zu stellen – ein Preis, der laut Angaben von Ärzte ohne Grenzen die Produktionskosten inklusive Gewinn abdeckt. Rückzug auf nationale Interessen Wie blickt man bei MSF Access in die Zukunft? „Wir beobachten in Ländern mit hohem Einkommen eine Politisierung der globalen Gesundheitsagenda, insbesondere nach dem politischen Umbruch in den USA“, berichtet Ernoult. Viele Länder hätten ihre Hilfsetats gekürzt und konzentrierten sich stattdessen auf nationale Interessen. Dies habe vor allem kurzfristig auch Einfluss auf die Verteilung von Medikamenten, die zum Beispiel über Gavi, den Global Fund oder andere subventionierte Systeme zur Verfügung gestellt würden. Langfristig können diese Veränderungen laut Ernoult jedoch auch Chancen eröffnen: „Wir müssen hinterfragen, wie effektiv die Institutionen der globalen Gesundheitsversorgung sind und was wir ändern müssen, damit der Zugang zu Medikamenten gerechter wird und nicht mehr ausschließlich auf einem Modell der Wohltätigkeit basiert.“ Es zeige sich, dass Länder mit geringen und mittleren Einkommen immer mehr dazu tendierten, selbst die Verantwortung für Forschung, Entwicklung und Produktion benötigter Medikamente und die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu übernehmen, um den Gesundheitsbedarf zu decken und eine gerechte Verteilung zu gewährleisten. Dies sei unter anderem eine Folge der Coronapandemie, die nochmals gezeigt habe, wie gravierend die Ungleichheit in der Verteilung von Tests, Medikamenten und Impfstoffen noch immer ist. Seit 2013 gibt es neue, besser verträgliche Medikamente gegen Tuberkulose, zu denen Menschen in ärmeren Ländern kaum Zugang haben. Foto: Pariyza Djiemuratova/MSF Ärztliche Körperschaften im Internet Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein www.kvno.de Ärzteversorgung Nordrhein www.naev.de
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