22 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2025 Drei Monate nach Erstkonsultation in der Praxis erfolgte die Vorstellung in der Klinik bei dem späteren Operateur, der bei radiologisch festgestelltem fortgeschrittenem Hallux valgus links und ausgeprägtem Beschwerdebild eine Operation zur Korrektur der Fußfehlstellung empfahl. Wiederum drei Monate später erfolgte die Aufklärung zur Operation unter Zuhilfenahme eines standardisierten Aufklärungsbogens und nach weiteren zehn Tagen die Vorfußkorrekturoperation im Rahmen eines zweitägigen stationären Aufenthalts. Der Operationsbericht beschreibt den intraoperativen Befund und die durchgeführten Maßnahmen einschließlich der achsenkorrigierenden Chevron-Osteotomie und Korrekturosteotomie des Grundglieds der Großzehe nach Akin. Auch die ergänzenden weichteilkorrigierenden Eingriffe sind im Operationsbericht aufgeführt und eindeutig beschrieben. Vierzehn Tage nach der Operation wurden im Rahmen der ambulanten Weiterbehandlung in der orthopädisch/unfallchirurgischen Praxis Kontrollröntgenbilder des linken Fußes gefertigt; einen Monat später wurde dort eine erneute Röntgenkontrolle vorgenommen. Der Karteikarte des ambulant weiterbehandelnden Orthopäden/Unfallchirurgen ist zu entnehmen, dass die Patientin zu diesem Zeitpunkt nur geringe Beschwerden angegeben habe und eine Wiedervorstellung dort erst nach zehn Monaten erfolgt sei. Zu diesem Termin habe die Patientin allerdings über zunehmende Schmerzen mit Ausstrahlung auf das Großzehengrundgelenk geklagt. Eine Röntgenkontrolle erfolgte jedoch erst im Rahmen einer Vorstellung weitere elf Monate später, die eine knöcherne Arrosion („Lysesaum“) im Bereich der Gelenkfläche des ersten Mittelfußköpfchens (MFK-1-Köpfchens) gezeigt habe. Wegen der Schmerzen und der festgestellten Lysezone sei der Patientin bei dieser Vorstellung eine Schraubenentfernung empfohlen worden. Orthopädisch/unfallchirurgische Begutachtung Der Gutachter stellte zur Erstbehandlung durch den niedergelassenen Orthopäden/Unfallchirurgen fest, dass bei der und anschließend in der gewünschten Stellung mit Draht oder Schrauben fixiert. Kombiniert werden die Mittelfuß-Umstellungen mit korrigierenden Eingriffen an den Weichteilen und an der Großzehe. Liegt zudem eine Abwinkelung des Endglieds zur Längsachse des Grundglieds der Großzehe nach außen vor (Hallux valgus interphalangeus) oder ist die Zentrierung der Streck- und Beugesehne nicht ausreichend, wird eine knöcherne Keilentnahme am Grundglied vorgenommen und eine Osteosynthese durchgeführt. Die Gutachterkommission hatte sich im Fall einer Hallux-valgus-Operation vornehmlich mit der besonderen Bedeutung der intra- und postoperativen radiologischen Befunderhebung und dem besonderen Stellenwert der ärztlichen Nachsorge auseinanderzusetzen. Den behandelnden Ärzten einer orthopädisch/unfallchirurgischen Klinik wird vonseiten der Patientin vorgeworfen, bei einer Operation zur Behebung eines ausgeprägten Hallux valgus links fehlerhaft vorgegangen zu sein und eine Schraube in falscher Position in das Großzehengrundgelenk eingesetzt zu haben, wodurch die Gelenkfläche beschädigt worden sei. Auch bei der Nachbehandlung in einer ortho- pädischen/unfallchirurgischen Gemeinschaftspraxis sei die Schraubenfehllage und damit die nicht korrekt durchgeführte Operation nicht erkannt worden. Es sei lediglich Physiotherapie verordnet worden. Die Patientin gibt an, dass sie bis heute unter starken Schmerzen und einer deutlichen Einschränkung ihrer Mobilität leide. Sachverhalt Aufgrund von zunehmenden Schmerzen über dem Großzehengrundgelenk links stellte sich die Patientin in der später beschuldigten orthopädisch/unfallchirurgischen Praxis vor. Dabei wurde unter anderem dokumentiert, dass klinisch ein ausgeprägter Hallux valgus links bestehe. Am gleichen Tag wurden Röntgenbilder des linken Fußes in zwei Ebenen angefertigt und stützende Einlagen mit einer Fersenweichbettung verordnet. Gleichzeitig wurde die Patientin zur Klärung der Frage einer operativen Versorgung in eine geeignete Klinik überwiesen. Operationen zur Behebung einer Fehlstellung der Großzehe zählen zu den häufigsten Fußeingriffen. Je nach Indikation werden unterschiedliche Operationsverfahren angewendet. Mit Blick auf das gewählte Verfahren gibt es – neben typischen Komplikationen – eine Reihe von Fehlermöglichkeiten, auch bei der Nachbehandlung. Besonderes Augenmerk ist daher nicht nur auf die Indikationsstellung und die Auswahl des Operationsverfahrens, sondern auch auf die Anforderungen an die Nachsorge zu legen. von Ulrich Leyer, Daniel Frank, Margarete Gräfin von Schwerin und Tina Wiesener Bei einem Hallux valgus („Ballenzeh“) besteht eine Achsabweichung der Großzehe in Richtung des Fußaußenrands und – je nach Schwere der Fehlstellung – eine Aufspreizung des ersten und zweiten Mittelfußknochens mit Verlagerung des ersten Mittelfußknochens nach innen („Spreizfuß“). Auch die Zugrichtung der Sehnen verändert sich und verstärkt die Verlagerung der Großzehe. Der Vorfuß wird breiter und der Ballen wölbt sich vor, so dass schmerzhafte Druckstellen, Entzündungen aber auch Gelenkknorpelschäden (Arthrose) entstehen können. Zusätzlich kann es zu einer schmerzhaften Fehlbelastung benachbarter Gelenke und der Mittelfußknochen (sogenannte „Metatarsalgie“) kommen, die, je nach Beschwerdebild und -ausprägung, einen operativen Eingriff mit dem Ziel, die Großzehe und das Gelenk wieder in eine normale Position zu bringen, nahelegen kann. Die Wiederherstellung der normalen Fußform erfordert dabei in der Regel die Versetzung des Gelenkköpfchens des ersten Mittelfußknochens in Richtung Fußaußenrand. In Abhängigkeit von der Ausprägung der Fehlstellung und anderer Faktoren wird der Mittelfußknochen hierfür hinter dem Gelenkköpfchen, im Bereich des Schaftes oder an der Basis des ersten Mittelfußknochens durchtrennt (Mittelfußknochenosteotomie) Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 148 Fehlerhafte Operation und Nachbehandlung bei Hallux valgus
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