Rheinisches Ärzteblatt 12/2024

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2024 13 Bedarf und eine durch Fachkräftemangel und Bürokratie gekennzeichnete Versorgungsrealität auseinander. Die Folge seien lange Wartezeiten auf Facharzttermine und die Fehlnutzung von Notfallpraxen und Notaufnahmen. Angesichts dieser Entwicklungen sei es unehrlich, wenn die Politik an ihrem uneingeschränkten Leistungsversprechen festhalte, betonte Dreyer. Patienten besser steuern Einen Lösungsansatz sieht die Kammerversammlung in einer besseren Steuerung der Patienten in die für ihre Beschwerden angemessene Versorgungsebene. In einem Beschluss sprachen sich die Delegierten für die Einführung eines freiwilligen Primärarztsystems sowie eine „ehrliche Priorisierungsdebatte im Bundestag“ aus. Wenn Patientinnen und Patienten sich nicht an einen Hausarzt oder eine Hausärztin binden wollten, müssten sie für den ungehinderten Zugang zur Versorgung gegebenenfalls mehr bezahlen, heißt es dort. „Die nächste Bundesregierung sollte genau da ansetzen, um Fehlnutzung und teure Doppelbehandlungen auch im Sinne des Patientenschutzes zu verhindern“, betonte Dreyer. Klare und vernetzte Behandlungspfade braucht es dem ÄkNo-Präsidenten zufolge auch in der Notfallversorgung. Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplante Einrichtung von integrierten Notfallzentren an Krankenhäusern und die Zusammenlegung der Notrufnummern 112 und 116 117 seien Schritte in die richtige Richtung. Die im Gesetzentwurf zur Notfallreform vorgesehene Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, telemedizinische Versorgung und Hausbesuche rund um die Uhr, also auch zu den normalen Praxisöffnungszeiten, sicherzustellen, schaffe hingegen unnötige Doppelstrukturen und eine unangemessene Anspruchshaltung bei den Patienten, kritisierte Dreyer. Statt unerfüllbare Leistungsversprechen zu machen und damit einen gefährlichen Keil zwischen Patienten und Ärzte zu treiben, sollten sich Politik und Kassen ernsthaft überlegen, wie bürokratische Lasten reduziert werden könnten. Das schaffe schnell mehr Arzt-Patienten-Zeit, ohne dass man dafür mehr Geld in die Hand nehmen müsse. Viele Menschen suchten zudem aus Unwissenheit oder Angst die Notaufnahmen auf, räumte Dreyer ein. Hier gelte es, Gesundheitskompetenz, möglichst von Kindheit an, zu stärken und mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Für die akute Finanznot der gesetzlichen Krankenkassen machte der ÄkNo-Präsident die scheidende Bundesregierung mitverantwortlich. „Hätte die Ampelregierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, den Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen erhöht und die Refinanzierung der GKV-Ausgaben für Empfänger von Bürgergeld aus Steuermitteln umgesetzt, stünden den Kassen ausreichend Mittel zu Verfügung, um die Gesundheitsversorgung der Patienten zu finanzieren“, sagte Dreyer. Doch statt das GKV-System zu entlasten, werde es mit immer neuen versicherungsfremden Leistungen belastet. Jüngstes Beispiel: der sogenannte Transformationsfonds zur Finanzierung der Krankenhausreform, zu dem die Kassen 25 Milliarden Euro aus Versichertengeldern beisteuern sollen. Das sei aus Sicht der Kassen auch verfassungsrechtlich bedenklich, erklärte Dreyer. Allerdings werde die gewünschte Kliniktransformation nicht gelingen, wenn sie nicht finanziell unterfüttert werde. 70 Prozent der Krankenhäuser schrieben schon heute rote Zahlen. Der Um- und Aufbau, aber auch der Abbau von Kapazitäten werde sie ohne finanziellen Ausgleich in die Insolvenz treiben. „Eine Katastrophe für die Patientenversorgung“, so Dreyer. Konzentriert: Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein kam Mitte November zu ihrer ersten regulären Arbeitssitzung in der neuen Legislaturperiode zusammen. Foto: Jochen Rolfes Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, sparte nicht mit Kritik am Politikstil von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Foto: Jochen Rolfes

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