Thema 16 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2024 Entschließungen der 2. Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 16. November 2024 im Wortlaut Gewalt gegen Gesundheitsberufe Resolution der 2. Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein (Wahlperiode 2024–2029): Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein ist bestürzt über die Zunahme von Gewalt gegenüber Beschäftigten im Gesundheitswesen. Vorfälle wie der vom September in einem Essener Krankenhaus, bei dem Angehörige eines Patienten sechs Klinikmitarbeiter zum Teil schwer verletzt haben, stellen nicht nur einen Angriff auf die seelische und körperliche Unversehrtheit des betroffenen Personals dar, sondern einen Angriff auf das gesamte Gesundheitswesen. Dazu halten die Delegierten der Kammerversammlung fest: 1. Ärztinnen und Ärzte, Medizinische Fachangestellte, Pflegekräfte und weiteres Gesundheitspersonal stellen sich in den Dienst, anderen Menschen zu helfen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn sie bei der Ausübung ihres Berufes angefeindet und gefährdet werden. 2. Patientinnen und Patienten müssen auch in Zukunft in Einrichtungen des Gesundheitswesens Schutz finden, der zur Genesung und Bewältigung ihrer Krankheiten beiträgt. Inakzeptabel ist es, wenn Gesundheitspersonal, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige in Krankenhauszimmern, Notaufnahmen und Praxen bedroht oder angegriffen werden. 3. Direkte und indirekte Gewalterfahrungen beschleunigen das Auftreten von Burnout und können langfristig zur Entwicklung psychischer Erkrankungen beitragen. Laut einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft berichten 24 Prozent der Kliniken über Kündigungen von Pflegekräften als Folge von Übergriffen. Wenn sich Helfende aus ihren Berufen zurückziehen, dann schadet das der Gemeinschaft, gerade vor dem Hintergrund des aktuell beklagten Fachkräftemangels. 4. Die Auswirkungen von psychischer und körperlicher Gewalt gegen Gesundheitspersonal gehen weit über das individuelle Leid hinaus. Sie schaden dem Gesundheitswesen insgesamt, und sie können die Qualität der Versorgung nachhaltig beeinträchtigen, da Ärztinnen und Ärzte in einem stressigen oder gefährlichen Umfeld weniger in der Lage sind, sich voll und ganz auf die Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten zu konzentrieren. Dadurch und auch durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr (Abstand, Einsatz von Sicherheitsdiensten) wird die vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung nachhaltig gefährdet. Die Delegierten stellen fest, dass sich die meisten Patientinnen und Patienten friedlich verhalten und großes Verständnis für stressige Situationen im Klinik- und Praxisalltag aufbringen. Dennoch dürfen die vorliegenden Erhebungen und Berichte über zunehmende Gewalt gegen Gesundheitsberufe nicht unterschätzt werden. Vor diesem Hintergrund fordert die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein: 1. die konsequente und strikte Ahndung verbaler und körperlicher Angriffe auf Gesundheitspersonal. Potenzielle Täterinnen und Täter müssen erkennen, dass Angriffe auf Ärztinnen und Ärzte und andere Gesundheitsberufe keine Bagatelldelikte sind, sondern schwerwiegende Straftaten, die von der Justiz entsprechend geahndet werden. 2. die Bevölkerung für das Problem zu sensibilisieren und zu vermitteln, dass jede Form von nicht legitimierter Gewalt, auch und insbesondere gegenüber Gesundheitspersonal, gesellschaftlich zu ächten ist. 3. d ie Etablierung verlässlicher und bürokratiearmer Meldeverfahren durch Behörden, Krankenhäuser, Praxen und weitere Einrichtungen, um die Größe des Problems und mögliche Ursachen zu erfassen und geeignete Präventionsmaßnahmen ableiten zu können. 4. Gewaltprävention und Unterstützung nach physischen und psychischen Gewalterfahrungen als Teil des Arbeitsschutzes zu verstehen. Sowohl Präventionsmaßnahmen als auch Unterstützung nach Gewalterfahrungen sollen in Zusammenarbeit zwischen Ärztekammern und anderen zuständigen Institutionen, z. B. der Berufsgenossenschaften, etabliert werden. 5. die angemessene medizinische, psychosoziale und rechtliche Unterstützung von Gewaltopfern niedrigschwellig durch die zuständigen Behörden sicherzustellen, wie zum Beispiel Soforthilfen über Traumaambulanzen nach (SGB XIV, früher Opferentschädigungsgesetz). 6. Kenntnisse und Methoden der Prävention und Prophylaxe von Aggression und Gewalt sowie der Abwehr körperlicher und seelischer Bedrohungen in der Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten und in der Ausbildung des Gesundheitspersonals zu vermitteln. 7. ausreichende, vor allem öffentliche Mittel für diese Aufgaben zur Verfügung zu stellen. KHVVG in den Vermittlungsausschuss überweisen Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Bundesrat auf, das KHVVG in seiner nächsten Sitzung am 22. November an den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Der aktuelle Stand des KHVVG wird seinen Zielen nicht gerecht. Das skizzierte Modell einer Vorhaltevergütung stellt keine ausreichende Finanzierung für kleine, bedarfsnotwendige Krankenhäuser sicher und gibt den Kliniken nicht die notwendige Planungssicherheit. Die Einführung der vorgesehenen Vorhaltevergütung ist in ihrer Komplexität mit einem massiven Bürokratieaufwuchs gekoppelt und führt zu nicht gewünschten finanziellen Anreizen der Leistungssteuerung. Im Bereich der Refinanzierung der Pflegepersonalkosten sind bereits Elemente des Selbstkostendeckungsprinzips aufgegriffen worden. Dies sollte auch auf die Finanzierung anderer Vorhaltekosten, insbesondere der ärztlichen Personalkosten, übertragen werden. Bei der anvisierten Übernahme der Leistungsgruppen aus der Krankenhausplanung NRW muss im Sinne einer Bürokratieverhinderung klargestellt werden, dass der überwiegende Anteil der stationären Fälle entsprechend des NRW-Modells in die allgemeinen Leistungsgruppen eingruppiert werden, die sich an der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren und nicht wie die speziellen Leistungsgruppen anhand von ICD-10 oder OPS-Kodes definiert werden.
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