Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2024 31 Die CAYA-Praxis in Köln-Mülheim bietet Wohnungslosen und Bedürftigen seit 2022 eine kostenlose und niedrigschwellige medizinische Versorgung. Behandelt werden die aktuell rund 300 regelmäßigen Patientinnen und Patienten von einem Team aus 20 ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzten. Ein Besuch in „Kölns kleinster Praxis“ von Marc Strohm Wer die Gruppe aus graffitiverzierten Metallcontainern von außen betrachtet, die zwischen Pfützen auf einem Schotterparkplatz am Rande des Stadtgartens in KölnMülheim stehen, würde wohl kaum vermuten, dass sich im Inneren eines dieser unscheinbaren Wellblechcontainer eine Arztpraxis verbirgt. Ein weißer Zettel, der an einem der Fenster klebt, lässt in roten, handgeschrieben Buchstaben verlauten: „Patienten bitte ans Fenster klopfen. Ihr werdet der Reihe nach aufgerufen“. Tatsächlich sitzen an diesem lauen Oktobernachmittag mehrere Patienten vor der schweren Metalltür auf Plastikstühlen und warten geduldig, bis sie von der Medizinischen Fachangestellten zur Behandlung aufgerufen werden. „Come as you are“ prangt in weißer Kreideschrift an der Eingangstür, das Motto der CAYA-Praxis. „Komm, wie du bist“ – ganz gleich, wie beißend der Körpergeruch, wie stark die Alkoholfahne oder wie verwahrlost das Äußere ist. Denn die CAYA-Praxis richtet sich überwiegend an Menschen, die auf der Straße leben. Aber auch Menschen aus prekären Verhältnissen und solche ohne Krankenversicherung gehören zu den Patientinnen und Patienten. „Ein Großteil unserer Patienten ist nicht mehr ,wartezimmerfähig‘ und geht entweder aus Scham nicht mehr zum Hausarzt oder wird dort abgewiesen — etwa, weil er oder sie alkoholisiert ist oder aggressiv auftritt,“ sagt Professor Dr. Mark Oette, der die CAYA-Praxis leitet. Der 62-jährige Gastroenterologe ist Chefarzt im Kölner Krankenhaus der Augustinerinnen. Schon seit 30 Jahren setzt er sich für eine angemessene medizinische Versorgung von Obdachlosen ein und führte zwischenzeitlich etwa in einem „Praxisbus“ kostenlose und niedrigschwellige Behandlungen durch. „Wohnungslose leben meist unter dem Radar. Es gibt so gut wie niemanden, der sich um ihre gesundheitlichen Probleme kümmert“, kritisiert Oette. Den Verein für die CAYA-Praxis gründete er im Jahr 2021 gemeinsam mit neun weiteren Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern, seit Mai 2022 hat die Praxis ihre Pforten für Patienten geöffnet. Eine Frage von Respekt Die CAYA-Praxis ist in zwei der insgesamt zwölf Container untergebracht, die zur Mülheimer Arche gehören, einer zentralen Anlaufstelle für die Obdachlosen im Stadtteil. Im geräumigen Aufenthaltsraum der Arche spendet ein surrender Heizlüfter Wärme, das Mittagessen wird auf metallenen Warmhalteplatten serviert und kostet nur einen Euro. Gegenüber dem Aufenthaltsraum befindet sich ein schmaler Korridor mit zwei Waschmaschinen, der in einem beigegekachelten Badezimmer mit Duschbrausen mündet. Der Geruch von Waschmittel hängt in der Luft. In der angrenzenden Kleiderkammer reiht sich eine bunte Sammlung aus Wintermänteln und wärmenden Daunenjacken für die kalte Jahreszeit aneinander. Ebenfalls in dem Containerdorf vertreten sind die Sozialarbeiter des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM), mit dem die Ärztinnen und Ärzte der CAYA-Praxis ein eingespieltes Team bildeten: die Sozialarbeiter kümmern sich Oette zufolge um alle Probleme, die über das Medizinische hinausgehen und unterstützen beispielsweise die auf der Straße lebenden Menschen bei der Wohnungssuche. „Nicht selten entscheiden sich Patientinnen und Patienten eher spontan zu einem Besuch in der Praxis, nachdem sie eigentlich für eine warme Mahlzeit in die Arche gekommen sind“, erläutert Oette. Nicht zuletzt leiste Krankenpflegerin Saskia Redenius, die bei CAYA unter anderem die Empfangstheke besetzt, durch ihre herzliche Art einen wichtigen Beitrag, um das Vertrauen der oftmals sozial schwierigen Patienten zu gewinnen. Häufig spreche sie die unsicher vor der Tür stehenden Patienten aktiv an und helfe ihnen dabei, sich zu einer Behandlung durchzuringen. „Der Dreh- und Angelpunkt unserer Arbeit ist es, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen und zu erhalten“, sagt Redenius. Als zusätzliche vertrauensbildende Maßnahme habe sich das Praxisteam dazu entschieden, die Wände im Praxis-Container wie in einer „normalen“ Arztpraxis weiß zu streichen, um damit unseren Patientinnen und Patienten unsere Ernsthaftigkeit zu zeigen, sie angemessen und hygienisch korrekt zu versorgen, betont Oette. Eine Frage von Respekt. Der rund 20 Quadratmeter große Container beherbergt ein Empfangs- und zwei Behandlungszimmer. In einem steht eine blaugepolsterte Liege, über allem liegt Forum „Wenn wir nicht helfen, dann tut es keiner“ Engagieren sich für eine angemessene Behandlung von Bedürftigen: Krankenpflegerin Saskia Redenius, Professor Dr. Mark Oette und Dr. Heinz-Wilhelm Esser (v.l.n.r.). Foto: Marc Strohm
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