Rheinisches Ärzteblatt 12/2024

32 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2024 Suchtberatungsstellen. Außerdem litten einige seiner Patientinnen und Patienten unter schweren Entzündungen, oftmals müssten Zehen amputiert werden. Dazu kooperiere die Caya-Praxis mit verschiedenen Krankenhäusern in der Umgebung, auf die die Ärzte in solchen Fällen verweisen könnten. „Doch ob diese Empfehlung angenommen wird, steht auf einem anderen Blatt. Insbesondere bei Patienten mit Suchterkrankungen verflüchtigen sich viele gute Vorsätze mit dem nächsten Rausch,“ sagt Esser. Doch es gibt auch Patienten, die ihr Leben ändern wollen. Dabei können sie auf die Unterstützung durch die ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzte der CAYA-Praxis zählen. Denn eine gute medizinische Versorgung, die die Gesundheit im besten Fall wieder herstelle, könne dazu beitragen, den Bedürftigen zurück in ein Leben jenseits der Straße zu verhelfen. Keine Resignation In den Mülheimer Schlafstätten für Obdachlose hat sich das Angebot der CAYAPraxis herumgesprochen, die Zahl der Patienten ist in den letzten zwei Jahren stark angestiegen, sagt Praxisgründer Oette. Derzeit zähle die CAYA-Praxis etwas mehr als 300 regelmäßige Patientinnen und Patienten und mehr als eintausend Patientenkontakte im Jahr, bei weiterhin steigender Nachfrage. Allein in Köln sind einer Schätzung des NRW-Gesundheitsministeriums zufolge rund 10.300 Menschen wohnungslos – so viele wie in keiner anderen nordrhein-westfälischen Stadt. Rund 400 Personen schlafen permanent im Freien. Hilflos fühlen sich Oette und Esser angesichts dieser großen Zahl jedoch nicht. „Wenn wir uns nicht um die Menschen kümmern, dann macht es keiner“, sagen sie. Und auch für die Zukunft planen die beiden weitere Projekte, um die medizinische Versorgung von Obdachlosen in Köln zu verbessern. Im nächsten Schritt wird über einen Bus nachgedacht, der als „rollende CAYAPraxis“ die Schlafstätten potenzieller Patienten aufsucht. So können auch Menschen versorgt werden, die es nicht in das Containerdorf schaffen. Eine große Herausforderung stelle allerdings die Nachsorge dar, wenn Wohnungslose beispielsweise nach einer Operation aus dem Krankenhaus „auf die Straße entlassen“ werden. Eigentlich benötigten diese eine stationäre Übergangseinrichtung, bevor sie zum harten Leben auf der Straße zurückkehrten. Entsprechende Räumlichkeiten seien jedoch schwer zu finden, kritisiert Oette. selbst am Nötigsten mangle, kämen viele nach der Behandlung mit kleinen Geschenken zurück, um die Praxis „zu verschönern.“ Doch auch mit aggressiven und alkoholisierten Patienten hat Esser regelmäßig zu tun. In diesen Fällen versucht er deeskalierend auf die Patienten einzuwirken. Der Internist mit der lässigen Schiebermütze lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen und zeigt dabei stets Verständnis für seine Patienten in ihren schwierigen Lebenslagen. Besonders nahe geht es dem Familienvater allerdings, wenn wohnungslose Mütter mit kleinen Kindern die Praxis aufsuchen. „Es ist schrecklich zu sehen, dass diese Kinder in so großer Armut aufwachsen. So etwas sollte es in einem so wohlhabenden Land wie dem unseren nicht geben“, sagt er. Begrenzte Möglichkeiten Für die Versorgung der Patienten engagieren sich in der CAYA-Praxis insgesamt 20 Ärztinnen und Ärzte aus acht verschiedenen Fachrichtungen, darunter Internisten, Allgemeinmediziner sowie Chirurgen. Die Ausstattung entspricht annähernd der einer regulären Hausarztpraxis. Besonders stolz ist Esser auf das tragbare Ultraschall-Gerät. „Damit können wir unseren Patienten hier eine Behandlung ermöglichen, die in so gut wie allen Hausarztpraxen Standard ist“, sagt er. Daneben könnten die Ärzte EKG-Untersuchungen und Sehtests durchführen, auch Blutuntersuchungen seien durch die Kooperation mit einem in der Nähe gelegenen Labor möglich. Doch bei manchen Indikationen gerät die CAYA an ihre Grenzen: „Viele unserer Patienten sind alkoholabhängig, manche sind auch abhängig von Heroin oder Crack“, sagt Esser. Diese Erkrankungen könne die CAYA nicht versorgen. Die Ärzte in der Praxis verwiesen die Patientinnen und Patienten dann an die umliegenden Substiutionsambulanzen und der stechende Geruch von Desinfektionsmittel. Platz ist ein knappes Gut: Erst kürzlich mussten neue Wandregale unter die tiefe Decke gebohrt werden, um Pappkartons mit Verbandsmaterial unterzubringen. „Kölns kleinste Praxis“, nennt Oette den Container daher scherzhaft. An Erkrankungen könne in der CAYAPraxis alles behandelt werden, was auch „in einer gewöhnlichen Hausarztpraxis anfalle“, so zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck und — für die Jahreszeit typisch — auch wieder vermehrt Atemwegserkrankungen, berichtet Dr. Heinz-Wilhelm Esser. Der 50-jährige Pneumologe ist eines der Gründungsmitglieder von CAYA und aktuell Oettes Stellvertreter im Verein. Auch er versorgt seine Patienten ehrenamtlich. Außerhalb der CAYA-Praxis arbeitet Esser als Leitender Oberarzt in der Pneumologie im Sana-Klinikum in Remscheid und moderiert als „Doc Esser“ unter anderem Formate im Hörfunk und Fernsehen. Neben dem typischen hausärztlichen Behandlungsspektrum versorgt Esser in der CAYA-Praxis insbesondere Mangelerscheinungen, Skabies und Parasitenbefall. Viele Patienten hätten offene Wunden an den Beinen oder Füßen, die nicht selten eiterten und bis zum Knochen reichten. Solche Verletzungen seien bei Menschen, die auf der Straße lebten, nichts Ungewöhnliches. Trotz starker Schmerzen weigerten sich viele Obdachlose einen Arzt aufzusuchen, manche kämen erst dann, „wenn es gar nicht mehr geht.“ „Im Durchschnitt werden Menschen, die auf der Straße leben, nur etwa 47 Jahre alt“, sagt Esser. Seine Patienten sind zwischen 20 und 50 Jahre alt, Männer und Frauen seien gleichermaßen vertreten. Zu vielen von ihnen habe er ein gutes Verhältnis, der Ton sei herzlich aber direkt, mit den meisten Patienten sei er per „Du“. Viele Patientinnen und Patienten zeigten ein besonderes Maß an Dankbarkeit. Obwohl es ihnen Forum In der CAYA-Praxis können sich Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen ehrenamtlich engagieren. Insbesondere ein Dermatologe wird gebraucht, um das Team zu vervollständigen. Daneben besteht Bedarf an Ärztinnen und Ärzten, die polnisch, rumänisch oder bulgarisch sprechen, um Patientinnen und Patienten mit diesen Muttersprachen adäquat versorgen zu können. Interessierte können sich mit einer E-Mail wenden an info@caya-koeln.de. Die CAYA-Praxis finanziert sich ausschließlich über Spenden. Spendenkonto Volksbank KölnBonn eG IBAN: DE20 3806 0186 4954 4570 15 Mitmachen und spenden

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