105 104 Aus- und Weiterbildung in ärztlicher Gesprächsführung Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein Aus- und Weiterbildung in ärztlicher Gesprächsführung Feedback und Reflexion Trainings für Ärztinnen und Ärzte sollten an die täglichen Herausforderungen im klinischen Alltag anknüpfen, Feedback von direkt beobachtetem Verhalten mit Patientinnen und Patienten beinhalten und Reflexionsprozesse im Sinne des „Reflective Practitioner“ unterstützen (Uygur et al., 2019). Ein häufig eingesetztes Lehrformat sowohl im Medizinstudium als auch in der Fort- und Weiterbildung sind Rollenspiele, die zwar nicht immer beliebt sind, aber den großen Vorteil haben, dass die Lernenden sich in die Rolle des Patienten bzw. der Patientin hineinversetzen müssen und am eigenen Leib erleben, wie unterschiedlich ein Gespräch verlaufen kann, wenn der Arzt oder die Ärztin das Kommunikationsverhalten variiert. An vielen Orten werden in standardisierten Rollenspielen zur Vermittlung und Prüfung von komplexen Fertigkeiten mittlerweile auch Simulationspersonen eingesetzt. Dies sind Laien und professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler, die bezogen auf ein klinisches Problem einen Patienten oder eine Patientin darstellen, ihr Interaktionsverhalten an das Verhalten der Lernenden anpassen und im Anschluss an das Gespräch ein Feedback über den Gesprächsverlauf geben (Bokken et al., 2010; Lane & Rollnick, 2007). Für die Lernenden in der ärztlichen Rolle ist vor allem die Qualität des Feedbacks entscheidend: Bezieht sich die Rückmeldung auf etwas, was auch Lernende bemerkt haben? Ist es wertschätzend formuliert? Knüpft es an die Absichten und an die Möglichkeiten der lernenden Person an? Eine entscheidende Rolle bei der Qualität des Feedbacks spielt das Festlegen und Einüben von Feedbackregeln von Lernenden, Simulationspersonen und Dozierenden (Cantillon & Sargeant, 2008; Tripodi et al., 2020, Ramani et al., 2019). Der Einsatz von Videoaufnahmen kann das Feedback unterstützen, weil es die kritische Selbstwahrnehmung des Gesprächsverhaltens fördert und sich insbesondere eignet, um nonverbale Aspekte der Kommunikation (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Sitzposition etc.) spezifisch wahrzunehmen und zu reflektieren. Ein Feedback ist umso wirksamer, je konkreter es sich auf die eigene, praktische Arbeit bezieht (Ramani & Krackov, 2012). Daher ist es besonders wichtig, Personen in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung – im Grunde genommen aber auch darüber hinaus – in verschiedenen Situationen ihres Arbeitsalltags zu beobachten und ihnen möglichst direkt im Anschluss dazu ein Feedback zu geben und ihr Verhalten gemeinsam zu reflektieren. Das kann – insbesondere während der Weiterbildung – durch dazu qualifizierte supervidierende Personen geschehen, grundsätzlich aber auch durch Peers im Sinne eines kollegialen Coachings. Aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Umsetzung sind daher an vielen Standorten die Integration der ärztlichen Gesprächsführung in bereits aktuell schon übervolle Stundenpläne und Prüfungen, die Schaffung von nachhaltigen Strukturen und Prozessen bei beschränkten Ressourcen, die Rekrutierung und Schulung von Dozierenden sowie der Transfer und die Integration des Kommunikationstrainings in die klinische Lehre auf Station und am Krankenbett. Studierende wünschen sich Rollenvorbilder, die klinische Kompetenz und kommunikative Kompetenz vereinen, in der täglichen Routine praktizieren und ihr Verhalten sowie die diesem zugrunde liegenden Beweggründe mit den Studierenden explizit reflektieren. Hier ist die zentrale Aufgabe und Herausforderung für alle Ärztinnen und Ärzte, die in der Ausbildung tätig sind, ein gutes Rollenvorbild im Sinne einer professionellen Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, Kolleginnen und Kollegen und anderen Berufsgruppen zu sein. Weiterbildung Während in der Ausbildung bereits viel erreicht wurde bei der flächendeckenden und nachhaltigen Implementierung von Kommunikationstrainings, stellt die Verankerung von (verpflichtenden) Kommunikationstrainings in der ärztlichen Weiterbildung noch eine große Herausforderung dar. Dabei wäre das Training am Arbeitsplatz („Workplace-based Training“; Noricini & Burch, 2007) nicht nur für die gerade in diesem Bereich vielfach noch mangelhafte Qualität der Gesundheitsversorgung, sondern auch aus Sicht vieler Ärztinnen und Ärzte unbedingt notwendig, um die Fertigkeiten und Kompetenzen, die im Studium erworben wurden, nachhaltig im ärztlichen Handeln zu verankern (Kern et al., 2005). Die Ärztekammer Nordrhein geht hier bereits mit gutem Beispiel voran, indem sie auf ihrer Website Trainingsmaterial in Form von Videos, Texten und weiterführender Literatur bereitstellt. Ein weiterer Ansatz ist sicherlich das Curriculum der Psychosomatischen Grundversorgung, das häufig auch Unterrichtseinheiten zur Kommunikation mit Patientinnen und Patienten beinhaltet. Andere Länder gehen einen Schritt weiter und haben bereits verpflichtende Kommunikationstrainings in fast allen Weiterbildungen implementiert (z. B. Dänemark, Schweden). Vorreiter stellt häufig die Allgemeinmedizin dar. So wird die Einführung der Kompetenzzentren Weiterbildung (https://kompetenzzentrum-nordrhein.de/) sicher interessante Impulse auch für andere Fachdisziplinen mit sich bringen.
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