Grundlagen der Kommunikation 15 14 Grundlagen der Kommunikation und Cohen-Cole, das sich wiederum durch die Beobachtung konkreten ärztlichen Verhaltens verifizieren lässt, wann immer Patientinnen und Patienten unmittelbar oder nur indirekt über ihre Gefühle sprechen. Im Modell von Lazare et al. wird die Bedeutung der Beziehung zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin hervorgehoben, die sich Beobachtenden nicht zwingend erschließt, sondern sich letztlich nur aus der Perspektive beider Interaktionspersonen beschreiben lässt. Jenseits dieser Modelle lässt sich patientenzentrierte Kommunikation (patient-centred communication; PCC) zu einer einfachen Maxime verdichten: Kommuniziere so, dass sich ein Gegenüber (Patientinnen und Patienten oder Angehörige) eingeladen fühlt, seine Sichtweise darzustellen. Diese Definition impliziert nicht, dass eine Fachperson immer patientenzentriert kommunizieren sollte; sie lässt Raum für Begegnungen, in denen das Gegenüber seine Position nicht offenlegen will, sondern z. B. nur um eine Dienstleistung bittet („Könnten Sie mal den Blutdruck messen?“). Dann macht es durchaus Sinn, dass die Fachperson – sofern dies medizinisch vertretbar ist – schlicht und ergreifend die gewünschte Dienstleistung erbringt, ohne sich um die psychischen oder sozialen Belange einer Patientin oder eines Patienten aktiv zu kümmern. Wenn die Maxime der patientenzentrierten Gesprächsführung für alle Begegnungen gilt, wird sie Fachpersonen und Patienten/Patientinnen überfordern. Die Forderung, sich im Sinne des Bio-Psycho-Sozialen Modells für psychische und soziale Belange von Patientinnen und Patienten zu interessieren, muss auf die Bereitschaft der Betroffenen treffen, sich zu diesen Aspekten zu äußern. Wenn patientenzentrierte Gesprächsführung in Interventionsstudien als Goldstandard definiert wird, ohne dass Patientinnen und Patienten dies ausdrücklich wünschen, sind die Ergebnisse vorhersehbar mager. Anders sieht es aus, wenn spezifische Gruppen von Patientinnen und Patienten, z. B. solche mit einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz, in Entscheidungen eingebunden wurden. Dann sind Elemente der patientenzentrierten Gesprächsführung mit positiven Outcomes vergesellschaftet. Literatur Bird J., Cohen-Cole S. A.: The three-function model of the medical interview. An educational device. Adv Psychosom Med. 1990; 20: 65–88. de Haes H., Bensing J.: Endpoints in medical communication research, proposing a framework of functions and outcomes. Patient Educ Couns. 2009; 74: 287–94. Kinmonth A. L. et al.: Randomised controlled trial of patient centred care of diabetes in general practice: impact on current wellbeing and future disease risk. BMJ. 1998; 317: 1202–8. Lazare A. et al.: Three Functions of the Medical Interview. In: Lipkin M., Lazare A., Putnam S. M. (Hrsg.): The Medical Interview: Clinical Care, Teaching and Research. Springer-Verlag, New York 1995, S. 3–19. Miller W., Rose G.: Toward a Theory of Motivational Interviewing. Am Psychol. 2009; 64: 527–37. 1.3. Wahrnehmung und Gestaltung der kommunikativen Situation Der amerikanische Psychologe Gordon Allport hat bereits im Jahre 1935 postuliert, dass mensch- liches Verhalten nicht so sehr von objektiven Stimulusbedingungen beeinflusst wird, sondern von der Art und Weise, wie die Person eine Situation subjektiv wahrnimmt und sie interpretiert. Diese Interpretation einer Situation – wie jene einer zwischenmenschlichen Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin – beruht auf den Stimulusgegebenheiten und den Vorerfahrungen, den Zielen und Absichten, die wir in die Situation hineintragen. Die Wahrnehmung einer Situation ist das Ergebnis eines Konstruktionsprozesses: Als Beobachtende einer Situation schließen wir aus scheinbar getrennten und begrenzten externen Informationen auf Zusammenhänge, die aufgrund unserer vorhandenen Informationen nicht not- wendigerweise begründbar sind. Konstruktion von Wirklichkeit Menschen bilden Hypothesen über die Bedingungen von vergangenen und aktuellen Situationen und treffen Vorhersagen über zukünftige Ereignisse. Menschen konstruieren sich also vor dem Hintergrund bereits gemachter Erfahrungen ihre eigene, für ihr Handeln praktikable emotionale und kognitiv ausgestaltete Wirklichkeit. Diese individuellen Wirklichkeitskonstruktionen – bestehend aus Motiven, Handlungsgründen, Einstellungen, Vorstellungen über gesellschaftliche Werte und Normen – bilden den individuellen Hintergrund für die Kommunikation. Beim unmittelbaren Zusammentreffen mit anderen Menschen probieren Einzelne ihre Wirklichkeitskonstruktionen aus, prüfen, ob sie passen, und konstruieren sie möglicherweise neu. Zudem treffen Menschen aus jeweils verschiedenen kulturellen Kontexten mit unterschiedlichen Auffassungen (Bedeutungen) über den Ablauf von Handlungen aufeinander. Einstellungen als Entscheidungselemente Einstellungen haben eine zentrale Funktion bei der Organisation kognitiver Prozesse. Sie beziehen sich auf Personen, auf Objekte, Situationen sowie auf Sachverhalte. Sie enthalten positive oder negative Bewertungen und sie sind relativ überdauernd und verhaltenswirksam. Menschen treffen ständig auf andere Menschen, Objekte und Situationen, die sie wahrnehmen und in den bereits vorhandenen Wissensbestand einordnen. Unlustvermeidung In diesem Zusammenhang ist der Begriff der kognitiven Dissonanz wichtig. Damit wird ein innerer Spannungszustand beziehungsweise ein Unlustgefühl bezeichnet, das entsteht, wenn Gesprächsteilnehmende mit widersprüchlichen Informationen im Kommunikationsprozess Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=