Grundlagen der Kommunikation 17 16 konfrontiert werden. Gemäß Festingers Theorie besteht im Individuum eine starke Tendenz, nicht miteinander übereinstimmende kognitive Elemente zu vermeiden, also die erlebte kognitive Dissonanz zu reduzieren. Dabei ergibt sich die Stärke des Drucks beziehungsweise der Motivation zur Dissonanzreduktion aus der Stärke der erlebten Dissonanz. So kann es sein, dass Patientinnen und Patienten Gespräche mit Ärztinnen und Ärzten möglichst meiden, weil bestimmte Spannungszustände vermieden werden sollen: Sind zum Beispiel Patientinnen und Patienten überzeugt, die idealen Diagnosen für ihre Leiden (selbst) gefunden zu haben, werden sie dem Druck des Umfeldes, sich von Ärztinnen und Ärzten untersuchen zu lassen, möglicherweise großen Widerstand leisten. Die Menschen sind offenbar bestrebt, sich ein Bild von der Wirklichkeit zu konstruieren, das möglichst widerspruchsfrei oder konsistent ist; beziehungsweise wir suchen jene Umwelten auf, die uns in unseren Annahmen bestätigen. Kommt es zu kognitiver Dissonanz, sind verschiedene Verhaltensweisen möglich, um damit umzugehen. Das beschriebene Verhalten ist dabei abhängig von Komponenten wie Sicherheit, Einstellung gegenüber Veränderungen und so weiter: • Die bisherigen Einstellungen und Konstruktionen werden verändert. • Die Mitteilung der Gesprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners wird ignoriert, verdrängt oder rasch vergessen. • Zusätzliche Hinweise werden gesucht, um die bisherige Einstellung aufrechtzuerhalten. • Die Gesprächspartnerin bzw. der Gesprächspartner wird als unwichtige oder nicht kompetente Informationsquelle eingestuft. • Es wird aktiv nach sozialer Bestätigung der eigenen Meinung gesucht. Erwartungen gestalten die Realität Im Gespräch können Konflikte zwischen Erwartungen und Realitäten entstehen: Hat ein Patient / eine Patientin die Erwartung, vom Arzt / von der Ärztin eine bestimmte positive Diagnose zu er- halten, und die tatsächliche Diagnose ist negativ oder vollkommen andersartig, entsteht in dieser Situation ein realer Konflikt im Patienten / in der Patientin. Erwartungen steuern demnach Ereignisse. Besonders enttäuschte Erwartungen zeigen, was eigentlich erwartet wurde: Machen wir uns als Patientin oder Patient auf zu unserem ersten Besuch bei der Hausärztin oder beim Hausarzt und gehen davon aus, hier besonders zuvorkommend empfangen zu werden, treffen aber auf ein leicht gestresstes Praxisteam und vollkommen ausgelastete Ärztinnen und Ärzte mit wenig Zeit für einfühlende Worte, werden wir uns dieser Erwartungen (sehr oft) erst durch die Nichterfüllung bewusst. Zudem beeinflussen Erwartungen die Wahrnehmung: So nehmen Patientinnen und Patienten, die bestimmte Diagnosen der Ärztinnen und Ärzte erwarten, besonders klar jene Äußerungen wahr, die zu ihren Erwartungen passen. Oder: Wenn Ärztinnen und Ärzte mit bestimmten Erwartungen – zum Beispiel zur Bestätigung ihrer Anliegen als Fachpersonen – wissenschaftliche Publikationen lesen, werden ihnen ganz besonders jene Textstellen ins Auge fallen, die diesen Erwartungen entsprechen. Stimmige Kommunikation Menschen können kommunikative Situationen erleben, in denen sie zwar sachlich verstanden werden, sich aber trotzdem hochgradig unwohl oder missverstanden fühlen und die sie nicht als erfolgreiche oder gelungene Kommunikation bezeichnen würden. Diese Unstimmigkeit kann eintreten, wenn man zwar in einer Situation „funktionieren“, sich aber gefühlsmäßig verstellen muss. Schulz von Thun (1998) verfasste in Kombination mit seinem berühmtesten Modell Kommunikationsquadrat das Konzept der Stimmigkeit, das eine gelingende und erfolgreiche Kommunikation nicht als bloßes Funktionieren auf der Sachebene misst, sondern verschiedene Ebenen von Kommunikation miteinbezieht. Das Konzept besagt, dass eine Kommunikation dann stimmig ist, wenn sie personell und situativ angemessen ist beziehungsweise wenn Gesprächsteilnehmende das Gefühl haben, der Situation entsprechend zu handeln und trotzdem „sie selbst“ bleiben zu können. Diese beiden Dimensionen stellt Schulz von Thun in einer Matrix dar, welche die vier Varianten von erfolgreicher oder weniger erfolgreicher Kommunikation markiert: Grundlagen der Kommunikation Der Situation ... ... entsprechend ... nicht entsprechend ... gemäß ... nicht gemäß angepasst verquer stimmig daneben Mir selbst ... Das Vier-Felder-Schema stimmiger Kommunikation nach Schulz von Thun, 1998. Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein
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