21 20 • Kann die Inkongruenz durch die Mitteilung des eigenen Empfindens aufgehoben werden? Pausen als Besonderheiten im Gespräch Der Rhythmus einer Mitteilung ist besonders geprägt durch Tempo und durch Pausen. Was aber ist eine Pause? Wo liegt der Unterschied zur Stille? In der Regel werden Unterbrechungen in einem Dialog, die länger als zwei Sekunden dauern, als ‚Pause‘ wahrgenommen, also als ein nicht zu erwartender Einschnitt in den Fluss der Rede (Gramling 2022). Pausen per se transportieren allerdings nicht eine bestimmte Bedeutung, sind also nicht immer als Einladung zum Nachdenken oder als Anzeichen für Verstehen zu deuten; ihre Bedeutung erschließt sich in erster Linie für die am Dialog beteiligten Personen. Sie sind vor allem Angebote, den Fluss von Rede und Gegenrede anzuhalten. Herausforderungen durch die kulturelle Prägung von nichtsprachlichen Zeichen Auch wenn Paul Ekman (2004) nach seinen langjährigen, kulturübergreifenden Studien schlüssig darstellen konnte, dass die von ihm beschriebenen sieben Basisemotionen – Fröhlichkeit, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung – bei allen Menschen in gleicher Weise erkannt und ausgedrückt werden, kann die nichtsprachliche Kommunikation nicht als universell angesehen werden. Nichtverbale Kommunikation ist gemäß Ekman zu „wesentlichen Teilen kulturspezifisch überformt“, womit Schwierigkeiten bei der interkulturellen Begegnung vorprogrammiert sind. Gestik kann in einer Kultur konventionell sein und etwas ganz Bestimmtes bedeuten, in einer anderen aber nicht. So werden in Bulgarien und in der Türkei sowohl das Kopfschütteln wie auch das Nicken für ein Ja verwendet – je nach Zusammenhang. Zudem spielt es eine Rolle, mit welcher Intensität es angebracht wird und ob das Kopfschütteln oder Nicken schnell oder langsam erfolgt. In Japan wiederum ist Lachen oft nicht Ausdruck von Freude, sondern von Verlegenheit, was auf Nichteingeweihte irritierend wirken kann. Auch der direkte Blickkontakt mit dem Gegenüber kann sehr divergierenden Regeln unterworfen sein: In der westlichen Kultur „gehört es sich“, im Gespräch den direkten Blickkontakt zu halten, in anderen Kulturen hingegen ist dieser verpönt – so darf etwa eine Frau aus dem Vorderen Orient nur ihrem Mann direkt in die Augen schauen. 1.5. Wechselseitiger Kontakt über das gemeinsame Spüren einer Atmosphäre im Gespräch Vertraut ist das Phänomen, dass einem ‚irgendwie zumute‘ wird, wenn man mit einer Person in einen Austausch tritt. Im Beispiel im Abschnitt 1.4 ist beiden Beteiligten unwohl. Meist wird dies als das (Gesprächs-)Klima benannt, das als angespannt, kühl, ruhig oder entspannt beschrieben wird. Aussagen wie „Ich fühle mich bei dieser Ärztin einfach wohl“ und umgekehrt: „Mitten im Gespräch mit der Patientin habe ich gemerkt, wie ich befangen wurde und unruhig“, sind eher vage formuliert und kaum auf einzelne Ursachen zurückzuführen, dennoch aber für die Beteiligten eindeutig gegeben. Diese im Alltag vertrauten Wahrnehmungen sind mit Konzepten beschrieben worden, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind, z. B. an die Annahme, dass sich vor allem unbewusste Motive in dieser indirekten Form äußern – ein Grundgedanke in der Begrifflichkeit von Übertragung und Gegenübertragung – oder an biologische Korrelate von Empathie, die die Übertragbarkeit von Gefühlen von Person A auf Person B mit der Aktivität von (Spiegel-) Neuronen verknüpfen. Ein anderes, weniger an Vorannahmen gebundenes Verständnis basiert auf den oben beschriebenen alltäglichen Erfahrungen. Wenn man das, was man in der Gegend des eigenen Körpers spürt – ohne dass man es tasten oder anschauen kann –, als leibliches Spüren bezeichnet, hätte man den eigenen Leib als den Ort definiert, an dem das Wahrnehmen von Atmosphären sich vollziehen kann. Das mühelose, nicht bewusst gesteuerte gemeinsame Handeln beim Paartanz, beim gemeinsamen Rudern oder Chorsingen, die nicht bewusst gesteuerte Abfolge von Zuhören und Sprechen in einer entspannten Unterhaltung verweisen auf die Möglichkeit, dass mehrere Personen sich zu einem gemeinsamen, übergreifenden Leib zusammenschließen können. Unter dieser Voraussetzung ist denkbar, dass das, was Person A am eigenen Leib spürt, z. B. eine gewisse Traurigkeit, nicht aus ihr selbst stammt, sondern von Person B in die wahrnehmbare Atmosphäre eingebracht wird. Wenn man also das Entstehen einer bestimmten Gesprächsatmosphäre potenziell allen beteiligten Personen zuschreibt, kommt auch das Erleben der Fachperson zur Geltung: Sie gestaltet Atmosphären nicht nur, sondern ist ihnen auch ausgesetzt. Dann ist das Spüren am eigenen Leib ein diagnostisches Mittel, über das eine aufmerksame Fachperson zusätzlich zu den körperorientierten Möglichkeiten verfügt. Grundlagen der Kommunikation Grundlagen der Kommunikation Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein
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