Leitfaden Kommunikation

29 28 Gesprächstechniken Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein Gesprächstechniken 2. Gesprächstechniken 2.1. Festlegen von Zeitgrenzen und Themen Gerade bei Patientinnen und Patienten, die die Abläufe in einer Praxis oder in einer Ambulanz noch nicht kennen, ist es hilfreich, gleich zu Beginn anzusprechen, wie viel Zeit zur Verfügung steht. Falls der Arzt / die Ärztin bereits eine fixe Agenda hat, sollte dies am Anfang mit dem Patienten / der Patientin besprochen und geklärt werden, welche Punkte der Patient / die Patientin von sich aus besprechen möchte. Ein solcher Einstieg in das Arzt-PatientenGespräch ist bereits eine Chance für eine gemeinsame Entscheidungsfindung. Während des Gespräches findet immer wieder ein Wechsel zwischen patienten- und arztzentrierter Gesprächsführung statt; dies folgt im Idealfall dem Ausmaß der Konkretisierung ärztlicher Hypothesen: Wenn die patientenzentrierte Gesprächsphase ausreichend Material generiert hat, um Hypothesen zu formulieren, werden diese in einem arztzentrierten Gesprächsabschnitt verifiziert, münden unter Umständen in weiterführende Hypothesen ein, die dann in einem wiederum patientenzentrierten, allerdings mehr fokussierten Gesprächsteil vom Patienten / von der Patientin aufgegriffen und weitergeführt werden. Dieser Wechsel bedingt unterschiedliche Redestile des Patienten / der Patientin: Es wird zwischen freier Rede im Narrativ und kurzer, präziser Rede im Bericht hin- und hergewechselt. Diese Abschnitte sollten der betroffenen Person als Themen- und Stilwechsel bekanntgegeben werden, damit sie sich in ihrem Sprachduktus entsprechend verhalten kann. 2.2. WWSZ-Techniken Mit dem Akronym WWSZ werden vier typische Techniken der patientenzentrierten Gesprächs- führung beschrieben: das Warten, das Wiederholen und das Spiegeln, um den Raum zu öffnen beziehungsweise offen zu halten. Das Zusammenfassen dient zum einen der Qualitätskontrolle der Ärztinnen und Ärzte und zum anderen hilft es, den Gesprächsablauf zu strukturieren. Beim Warten besteht die große Herausforderung darin herauszufinden, wie lange eine Pause dauern darf, ohne dass eine bedrückende Stille entsteht. Eine Faustregel besagt, dass Pausen bis zu drei Sekunden Länge nicht als unangenehm erlebt werden. Damit die Pause beziehungsweise das Warten als Einladung verstanden wird, muss die Aufmerksamkeit des Arztes / der Ärztin auf den Patienten / die Patientin ausgerichtet bleiben, was sich vor allem durch Augenkontakt manifestiert. Selbstverständlich hat eine Pause noch andere rhetorische Funktionen, die sich auch in der Arzt-Patienten-Kommunikation einsetzen lassen. Die erste Funktion des Wartens ist die Einladung: Patientinnen und Patienten erhalten die Möglichkeit, in Ruhe darüber nachzudenken, ob sie noch mehr sagen können oder wie sie ihre Anliegen formulieren möchten. Das gleiche Recht können allerdings auch Ärztinnen und Ärzte beanspruchen, wenn sie nach einer überraschenden oder besonders beeindruckenden Patientenäußerung eine Pause entstehen lassen, in der sie das Gehörte verarbeiten möchten. Wenn sie ihren Eindruck formulieren, sollten sie darauf achten, dass die eigene Betroffenheit nicht so viel Raum einnimmt, dass Patientinnen und Patienten ihren eigenen Erzählduktus nicht mehr fortsetzen können. Die beiden folgenden Funktionen stammen aus der rhetorischen Werkzeugkiste: Pausen dienen dem Hochstufen von Äußerungen, indem sie entweder vorangegangene oder nachfolgende Äußerungen bedeutsamer erscheinen lassen. Besonders auffallend wird das Fehlen einer hochstufenden Pause im Anschluss an eine Äußerung, mit der Ärztinnen und Ärzte Mitgefühl gezeigt haben, zum Beispiel mit einem Satz wie: „Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie das sehr beeinträchtigt.“ Wenn diese Äußerung ohne Pause gefolgt wird von einer Überleitung zum nächsten Thema („Jetzt wüsste ich gerne noch, wie Ihnen die neuen Tabletten bekommen“), wird die erste Äußerung entwertet, sie wird tiefer gestuft. Beim Wiederholen werden Worte wiederholt, die der Patient / die Patientin gerade geäußert hat; dies ist nur dann sinnvoll, wenn ein stockender Redefluss wiederbelebt werden soll: Patientin: „Na ja, und dann meinte mein Mann, ich solle doch mal mit Ihnen darüber reden, ob das vielleicht vom Herzen kommen könnte.“ P.: Schaut den Arzt an und schweigt. [Offenkundig erwartet sie jetzt eine Aktion des Arztes] Arzt: „Vom Herzen?“ P.: „Na ja, weil es bei ihm mit dem Herzen ganz ähnlich angefangen hat. Der hatte auch immer so ein Kältegefühl im Unterkiefer und so einen Druck in der Brust, und hinterher war’s dann ein richtiger, großer Herzinfarkt.“ Beim Spiegeln greift der Arzt etwas von dem auf, was er von der Patientin gehört oder wahrgenommen hat. Der Begriff impliziert, dass tatsächlich nur das zurückgemeldet wird, was von der Patientin in den Diskurs eingebracht wurde. A.: „Und jetzt machen Sie sich auch Sorgen, dass es bei Ihnen etwas Schlimmes sein könnte …?“ [Spiegeln auf Emotion; Benennen der Emotion]

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