35 Gesprächstechniken Ärztekammer Nordrhein 34 Wenn es um die Verarbeitung von Informationen geht, die bereits im Langzeitspeicher abgelegt sind, unterliegt dagegen das Arbeitsgedächtnis praktisch keiner Mengenbeschränkung. Für die medizinische Praxis bedeutet dies, dass Patienten, die zum ersten Mal über eine Erkrankung oder einen Eingriff informiert werden, weitaus weniger aufnehmen können, als wir ihnen in der Regel zumuten. Als letzter Punkt soll erwähnt werden, dass Ärztinnen und Ärzte sehr selten überprüfen, was Patientinnen und Patienten verstanden haben. Die am besten untersuchte, selten angewandte, aber sehr erfolgreiche Technik ist das ‚Teach-Back‘: Die Person, welche die Information empfangen hat, vermittelt ihr Verständnis zurück an die informierende Person. Eine Möglichkeit, das korrekte Verständnis von Informationen zu überprüfen, klingt folgendermaßen: A: „Ich finde es ganz schön schwierig, diesen Eingriff gut zu erklären. Mich würde vor allem interessieren, was Sie heute Abend Ihrer Partnerin / Ihrem Partner von unserem Gespräch erzählen werden. Dann schau ich mal, ob es etwas gibt, das ich besser erklären muss.“ OP-Aufklärungsgespräch Kommunikationstechniken zum Vermitteln von Informationen www.aekno.de/leitfaden/op-aufklaerung Literatur Armstrong K. et al.: Using survival curve comparisons to inform patient decision making. Can a practice exercise improve understanding? J Gen Intern Med. 2001; 16: 482–5. Cohn E., Larson E.: Improving participant comprehension in the informed consent process. J Nurs Scholarsh. 2007; 39: 273–80. Edwards A. G. et al.: Personalized risk communication for informed decision making about taking screening tests. Cochrane library 2008. Langewitz W. et al.: Improving patient recall of information: Harnessing the power of structure Patient Educ Couns. 2015 Jun; 98 (6): 716–21. Siegrist V, Mata R, Langewitz W, Gerger H, Furger S, Hertwig R, Bingisser R. Does information structuring improve recall of discharge information? A cluster randomized clinical trial. PLoS One. 2021 Oct 18;16(10):e0257656. doi: 10.1371/journal.pone.0257656. PMID: 34662341; PMCID: PMC8523048. Talevski J, Wong Shee A, Rasmussen B, Kemp G, Beauchamp A. Teach-back: A systematic review of implementation and impacts. PLoS One. 2020 Apr 14;15(4):e0231350. doi: 10.1371/journal.pone.0231350. PMID: 32287296; PMCID: PMC7156054. Turner P., Williams C.: Informed consent: patients listen and read, but what information do they retain? N Z Med J. 2002; 115: 218–25. Watson P. W., McKinstry B.: A systematic review of interventions to improve recall of medical advice in healthcare consultations. J R Soc Med. 2009; 102: 235–43. van der Meulen N. et al.: Interventions to improve recall of medical information in cancer patients: a systematic review of the literature. Psycho-Oncology. 2008; 17: 857–68. Gesprächstechniken Ärztekammer Nordrhein 2.5. Umgang mit divergierenden Konzepten Es ist eher die Ausnahme, dass Patient/Patientin und Arzt/Ärztin die gleichen Vorstellungen über die Erkrankung und deren Behandlung haben. Besteht eine genügend große gemeinsame Schnittmenge der Vorstellungen, so stören die übrigen Unterschiede wenig. Divergieren jedoch die Konzepte von Arzt/Ärztin und Patient/Patientin stark, so kann dies eine sinnvolle Diagnostik und Therapie unmöglich machen. Beispiel: Der Patient ist überzeugt, dass er zu viele Medikamente einnimmt. Die mögliche Medikamenteninteraktion sieht er als gefährlich an, weswegen er die Medikamente auf die Hälfte reduziert. Er nimmt nur jene Medikamente weiter ein, die nicht allzu groß sind und die gegen seine Schlaflosigkeit helfen. Er hätte sein Vorgehen nie mit seinem Arzt besprochen, wenn der ihn nicht bei einem Hausbesuch nach der Schachtel für die Medikamenteneinnahme gefragt hätte. Die folgenden Gesprächstechniken und Schritte eignen sich zur Exploration des Patientenkonzepts und zum Verhandeln: Daran denken und ansprechen: Oft sind sich Ärztinnen und Ärzte nicht bewusst, dass Patientinnen und Patienten von ihnen stark abweichende Krankheitskonzepte haben. Patientinnen und Patienten berichten selten spontan von ihren Konzepten, sondern zeigen Verhaltensweisen, die für Ärztinnen und Ärzte irritierend sind. Beispiel: „Viele Patientinnen und Patienten haben Mühe, die vielen Medikamente regelmäßig einzunehmen. Wie ist das bei Ihnen?“ Konzept der Patientin bzw. des Patienten explorieren: Zur Exploration des Konzepts der Patientin bzw. des Patienten ist das „Common Sense model of illness“ von Leventhal gut geeignet: • Was ist das? (Identity) • Was ist die Ursache? (Cause) • Was sind die Folgen? (Consequences) • Wie ist der zeitliche Verlauf? (Time Line) • Wie kann man das behandeln? (Control) Die Patientin bzw. der Patient soll durch patientenzentrierte Gesprächstechniken zum Erzählen gebracht werden. Patientinnen und Patienten wissen, dass ihr Konzept oft nicht mit dem der Ärztin oder des Arztes übereinstimmt, und das Offenlegen kann als Vertrauensbeweis für
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