Leitfaden Kommunikation

53 Dieses trifft insbesondere auf kritische Situationen oder Entscheidungen zu, welche lebensverändernd sein können. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Gespräch über mögliche Reanimationsversuche im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands. Tritt bei einer Patientin / einem Patienten ein Herz-Kreislauf-Stillstand auf, können Wiederbelebungsversuche unternommen werden, um den drohenden Tod zu verhindern. Wiederbelebungsversuche oder anderweitige therapeutische Maßnahmen sollten sich hierbei am dokumentierten oder mutmaßlichen Willen der betroffenen Person orientieren. Wurden Reanimationsmaßnahmen von der Person zu Lebzeiten, zum Beispiel in einer Patientenverfügung, abgelehnt, so sollte das Behandlungsteam von Wiederbelebungsversuchen absehen und sich stattdessen auf palliative Maßnahmen beschränken. Statistisch tritt bei etwa jeder vierzigsten Person während eines stationären Aufenthalts ein Herz-Kreislauf-Stillstand auf. Da die Präferenzen der Patientinnen und Patienten im Hinblick auf Wiederbelebungsversuche sehr individuell sein können, sollten Ärztinnen und Ärzte – sofern möglich – keine Annahmen über den mutmaßlichen Willen treffen, sondern das Gespräch frühzeitig im Rahmen des stationären Aufenthalts suchen. Dies ermöglicht es, die Patientinnen und Patienten in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Die meisten Patientinnen und Patienten schätzen es, wenn allfällige Wiederbelebungsmaßnahmen thematisiert werden. Patientinnen und Patienten, welche keine Diskussion führen möchten, sollte man jedoch kein Gespräch oder Informationen aufzwingen. Um eine sinnvolle Entscheidung bezüglich des sogenannten „Reanimationsstatus“ treffen zu können, müssen Patientinnen und Patienten über die Prognose eines Herz-Kreislauf-Still- stands, aber auch über die Risiken und Vorteile allfälliger Wiederbelebungsversuche aufgeklärt werden. Zahlreiche Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten die Prognose eines Kreislaufstillstands überschätzen. Eine im Jahr 2022 durchgeführte, repräsentative Umfrage in der Schweiz fand heraus, dass die Bevölkerung hinsichtlich eines Kreislaufstillstands während einer Hospitalisation (In-hospital cardiac arrest) eine Überlebenswahrscheinlichkeit von rund 60 % vermutet. Der plötzliche Herzstillstand ist jedoch ein lebensbedrohlicher Zustand. Die Überlebenswahrscheinlichkeit außerhalb des Spitals (out-of-hospital cardiac arrest) liegt bei lediglich 10 –15 % und auch wenn der Kreislaufstillstand während einer Hospitalisation auftritt, versterben rund 80 % der Patientinnen und Patienten trotz optimaler Reanimationsmaßnahmen. Darüber hinaus trägt etwa die Hälfte der Überlebenden neurokognitive Be- Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein 52 Schlechte Nachrichten überbringen (SPIKES-Modell) Rheumatoide Polyarthritis www.aekno.de/leitfaden/schlechte-nachrichten Schlechte Nachrichten überbringen Palliative Behandlungssituation, Umgang mit Verleugnung www.aekno.de/leitfaden/palliativ Angehörigengespräch über eine Organspende www.aekno.de/leitfaden/organspende Literatur Baile W. F., Buckman R., Lenzi, R., Glober G., Beale E. A., Kudelka, A. P.: SPIKES a six-step protocol for delivering bad news: application to the patient with cancer. The oncologist. 2000, 5(4): 320–311. Buckman R. A.: Breaking bad news: the S-P-I-K-E-S strategy. Community Oncology. 2005; 2(2): 138–42. Fallowfield L., Jenkins V.: Communicating sad, bad, and difficult news in medicine. Lancet. 2004; 363: 312–9. Hale E. D., Treharne G. J., Kitas G. D.: The common-sense model of self-regulation of health and illness: how can we use it to understand and respond to our patients’ needs? Rheumatology. 2007; 46(6): 904–6. Phillips L. A., Leventhal H., Leventhal E. A.: Physicians’ communication of the common-sense self-regulation model results in greater reported adherence than physicians’ use of interpersonal skills. British Journal of Health Psychology. 2012; 17(2): 244–57. Tulsky J. A.: Efficacy of communication skills training for giving bad news and discussing transitions to palliative care. Arch Intern Med. 2007; 167(5): 453–60. 3.5. Ansprechen heikler Themen: Reanimation Die Arzt-Patienten-Beziehung hat in den letzten Jahrzenten einen elementaren Wandel vollzogen. Anstatt medizinische Entscheidungen paternalistisch zu treffen, wird unseren Patien- tinnen und Patienten im Sinne einer patientenzentrierten Versorgung signifikant mehr Autonomie zugesprochen und diese werden in Entscheidungsprozesse eingebunden. Studien aus Deutschland und der Schweiz zeigen, dass etwa zwei Drittel unserer Patientinnen und Patienten wünschen, Entscheidungen im Hinblick auf ihre Erkrankung oder deren Therapie mit ihrem Behandlungsteam gemeinsam zu treffen. Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein

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