Leitfaden Kommunikation

79 78 Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Bei Patientinnen und Patienten, die eingeschränkt sprachkompetent sind, ist es nicht sinnvoll, in Kindersprache zu verfallen und Verben nicht mehr zu konjugieren. Einfacher zu verstehen sind kurze Aussagesätze, ohne komplexere grammatikalische Strukturen wie Relativ- sätze oder Konditionalsätze. Bei langsamem Sprechen wird manchmal bereits durch die Beobachtung des Gegenübers deutlich, an welchen Stellen ein Wort auf Unverständnis stößt; wer sein Gegenüber nicht anschaut, verpasst diese Gelegenheiten. Ad-hoc-Übersetzerinnen und -Übersetzer werden in der Literatur aus verschiedenen Gründen nicht empfohlen: Wenn sie verwandt sind mit der Patientin oder dem Patienten oder wenn sie aus der gleichen überschaubaren Sprachgemeinschaft wie die Patientin oder der Patient stammen, geraten sie beim Übersetzen häufig in einen Solidaritätskonflikt. Das führt dazu, dass sie zum Beispiel schlechte Nachrichten nicht übersetzen, weil sie die Patientin oder den Patienten nicht belasten wollen oder weil sie die Regeln ihrer Kulturgemeinschaft einhalten wollen; im Unterschied zu professionellen Dolmetscherinnen und Dolmetschern sagen sie nicht, was sie tun, sodass die Fachperson nicht weiß, was genau – und was eben nicht – übersetzt wurde. Problematisch sowohl am Einsatz von Ad-hoc- als auch von professionellen Dolmetscherinnen und Dolmetschern ist, dass letztlich die Fachperson dafür verantwortlich ist, worüber gesprochen und was verstanden wird. Da sie die Fremdsprache, in die gedolmetscht wird, nicht versteht, ist sie auf Gedeih und Verderb der Kompetenz der Dolmetscherin oder des Dolmetschers ausgeliefert. Es ist allerdings nicht so klar, welche Aufgabe professionelle Dolmetscherinnen oder Dolmetscher eigentlich haben: Sollen sie möglichst wortgetreu übersetzen oder sollen sie zwischen Kulturen vermitteln, also auch auf Gebräuche, Wertvorstellungen und unterschiedliche Definitionen von Tabuthemen fokussieren? Das Conduit-Modell entspricht der ersten Variante, bei der die Dolmetscherin oder der Dolmetscher den gesprochenen Text möglichst genau wiedergibt und die eigene Person stark zurücknimmt. Die weiter gefasste Definition entspricht zumindest zum Teil dem des „interkulturellen Übersetzens“, bei der die Dolmetscherin oder der Dolmetscher auch als interkulturelle Vermittelnde fungieren. Der folgende Verhaltenskatalog für Fachpersonen hilft beiden Parteien, ein gedolmetschtes Gespräch möglichst korrekt und im Sinne der Patientin oder des Patienten durchzuführen. Verhaltenskatalog für medizinische Fachpersonen Vor dem Gespräch 1. Klären Sie, welche Fachbegriffe Sie benutzen werden (z. B. ‚Blutdruckmanschette‘) 2. Informieren Sie die Dolmetscherin oder den Dolmetscher über: a. Inhalt, Ziel und Dauer des Gesprächs. b. Die Notwendigkeit einer getreuen Wiedergabe, ohne eigene Interpretationen, ohne eigenes Hinzufügen oder Erklären. c. Die Regel, in der Ich-Form zu dolmetschen. d. Die Möglichkeit, bei der Fachperson nachzufragen, wenn die Dolmetscherin oder der Dolmetscher etwas nicht verstanden hat. Im Gespräch 1. Stellen Sie Dolmetscherin/Dolmetscher und Patientin/Patient einander mit Namen vor. 2. Informieren Sie die Patientin / den Patienten, dass die Dolmetscherin / der Dolmetscher der Schweigepflicht untersteht. 3. Erklären Sie der Patientin / dem Patienten, dass die Dolmetscherin / der Dolmetscher ALLES, was im Gespräch gesagt wird, vollständig wiedergeben wird. 4. Halten Sie Augenkontakt zu der Patientin bzw. zum Patienten. 5. Sprechen Sie die Patientin bzw. den Patienten immer direkt an und sprechen Sie nicht in der dritten Person. 6. Formulieren Sie klar und deutlich, in vollständigen Sätzen und verwenden Sie keine unnötigen Fachwörter. 7. Fragen Sie die Patientin bzw. den Patienten, wenn die Wiedergabe für Sie keinen Sinn ergibt und/oder Sie keinen Zusammenhang mit Ihrer Frage sehen. 8. Bitten Sie die Patientin bzw. den Patienten zusammenzufassen, was verstanden wurde. Nach dem Gespräch 1. Vergewissern Sie sich bei der Dolmetscherin bzw. dem Dolmetscher, ob es den Eindruck gab, dass das Gespräch für die betroffene Person korrekt und verständlich war. 2. Bitten Sie den Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin um ein Feedback zu Ihrer Gesprächs- führung. Interkulturelle Vermittlung Abschließend geht es um die grundsätzliche Frage, inwieweit Dolmetscherinnen und Dolmetschern die Aufgabe einer interkulturellen Vermittlung übertragen werden kann.

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