89 88 Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein Ärztekammer Nordrhein Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Form des Gespräches Wie bei allen schwierigen Gesprächssituationen sollte auch die Kommunikation über einen Fehler persönlich erfolgen. Zudem braucht es eine ruhige Umgebung und genügend Zeit. Angehörige sollten die betroffene Person begleiten dürfen, falls sie dies wünscht. Gerade bei Fehlern mit schwerwiegenderen Konsequenzen ist die Kommunikation eine Aufgabe der ärztlichen Leitung, auch wenn diese nicht direkt in den Vorfall involviert ist. Gleichwohl ist es oft hilfreich und von Patientinnen und Patienten erwünscht, wenn die direkt am Fehler Beteiligten ebenfalls am Gespräch teilnehmen. Die erste Kommunikation über einen Behandlungsfehler sollte so schnell wie möglich stattfinden. Wenn gesicherte Informationen über das Geschehen vorliegen, ist in den meisten Fällen ein weiteres Gespräch erforderlich. Inhalte eines Gespräches über Behandlungsfehler Die ärztliche Fachperson erklärt, dass es zu einem Fehler gekommen ist und was genau passiert ist. Sie informiert über die Folgen für den Patienten bzw. die Patientin, die Prognose sowie Pläne oder Empfehlungen für die weitere Behandlung. Auch das weitere Vorgehen zur Aufarbeitung des Fehlers im Betrieb sollte thematisiert werden. Dazu gehört beispielsweise, ob und in welcher Form der Vorfall analysiert wird und welche Konsequenzen daraus gezogen werden. In diesem Gespräch soll der Arzt bzw. die Ärztin nur gesichertes Wissen und keine Spekulationen kommunizieren. Wenn möglich, sollte der Arzt bzw. die Ärztin der betroffenen Person einen Wechsel der behandelnden Fachkraft oder des Behandlungsteams anbieten. Wenn dieses Angebot angenommen wird, muss der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin die Übergabe des Patienten bzw. der Patientin sorgfältig vorbereiten und vorbehaltlos unterstützen. Ein Ausdruck des Bedauerns ist zentrales Element der Kommunikation über einen Behandlungsfehler und hat für Patientinnen und Patienten eine herausragende Bedeutung. Ein Ausdruck des Bedauerns ist kein Schuldeingeständnis und daher auch nicht haftungsrelevant. Das ehrliche Bedauern als Ausdruck von Empathie und Respekt für die Patientin oder den Patienten ist daher unverzichtbarer Bestandteil des Gespräches über einen Behandlungs- fehler. Weitere Nachsorge Viele für Patientinnen und Patienten relevante Informationen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar sein. So können Fehlerursachen und betriebsinterne Konsequenzen wie veränderte Prozessabläufe in der Regel erst durch sorgfältige Analysen aufgearbeitet werden. Die Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen sind zu einem späteren Zeitpunkt über diese Erkenntnisse proaktiv zu informieren. Auf jeden Fall soll den betroffenen Patientinnen und Patienten ein weiterer Termin angeboten werden, auf den sie sich vorbereiten können. Fehler passieren immer und überall. Das Wichtigste ist, dass man aus Fehlern lernt. Dies erfordert als Erstes eine offene Kommunikation innerhalb des Behandlungsteams, des Krankenhauses oder einer Berufsgruppe vor dem Hintergrund einer offenen und konstruktiven Fehlerkultur. Hilfreiche Handreichungen sind beispielsweise die von der Bundesärztekammer unterstützten Broschüren „Aus Fehlern lernen“ und „Reden ist Gold“ (www.aktionsbuendnis- patientensicherheit.de) oder das Fehlerberichtssystem der deutschen Ärzteschaft, das Critical-Incident-Reporting-System (CIRS) (www.cirsmedical.de). Literatur Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V.: Reden ist Gold. Kommunikation nach einem Zwischenfall. Bonn, 2012. Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V.: Netzwerk für eine kontinuierliche Verbesserung der Patientensicherheit in Deutschland unter: www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de [Stand: 12.02.2023] Helmchen L. A., Richards M. R., McDonald T. B.: How does routine disclosure of medical error affect patients’ propensity to sue and their assessment of provider quality? Evidence from survey data. Med Care. 2010; 48(11): 955–61. Kachalia A., Kaufman S. R., Boothman R., Anderson S., Welch K., Saint S., Rogers M. A.: Liability claims and costs before and after implementation of a medical error disclosure program. Ann Intern Med. 2010; 153(4): 213–21. López L., Weissman J. S., Schneider E. C., Weingart S. N., Cohen A. P., Epstein A. M.: Disclosure of hospital adverse events and its association with patients’ ratings of the quality of care. Arch Intern Med. 2009; 169(20): 1888–94. O’Connor E., Coates H. M., Yardley I. E., Wu A. W.: Disclosure of patient safety incidents: a comprehensive review. Int J Qual Health Care. 2010; 22(5): 371–9. Stiftung für Patientensicherheit: Kommunikation mit Patienten und Angehörigen – Wenn etwas schief geht. Schriftenreihe Nr. 1. Zürich, 2006. CIRS: Berichts- und Lernsystem der deutschen Ärzteschaft für kritische Ereignisse in der Medizin des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (gemeinsames Institut von BÄK und KBV) unter: http://www.cirsmedical.de/ [Stand: 12.02.2023] 3.14. Gespräch zwischen den Berufsgruppen und unter Kolleginnen und Kollegen Hintergrund – Warum ist interprofessionelle Kommunikation wichtig? Im klinischen Alltag ist es evident, dass in Teams das Fachwissen über einen Patienten bzw. eine Patientin auf verschiedene Personen mit verschiedenen Berufsqualifikationen verteilt ist – erst die Zusammenführung macht dieses gemeinsame Wissen für die Beteiligten nutzbar, auch wenn der jüngste Cochrane Review zur Evidenz weitere Studien einfordert. In einer Metaanalyse (Tan, Zhou & Kelly, 2017) konnte gezeigt werden, dass vor allem fehlende Möglichkeiten zur Face-to-Face-Kommunikation Ursache für ineffiziente Pflege-Arzt-Interaktion waren.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=