Leitfaden Kommunikation

21 1.5. Wechselseitiger Kontakt über das gemeinsame Spüren einer Atmosphäre im Gespräch Vertraut ist das Phänomen, dass einem ‚irgendwie zumute‘ wird, wenn man mit einer Person in einen Austausch tritt. Im Beispiel im Abschnitt 1.4 ist beiden Beteiligten unwohl. Meist wird dies als das (Gesprächs-)Klima benannt, das als angespannt, kühl, ruhig oder entspannt beschrieben wird. Aussagen wie „Ich fühle mich bei dieser Ärztin einfach wohl“ und umgekehrt: „Mitten im Gespräch mit der Patientin habe ich gemerkt, wie ich befangen wurde und unruhig“, sind eher vage formuliert und kaum auf einzelne Ursachen zurückzuführen, dennoch aber für die Beteiligten eindeutig gegeben. Diese im Alltag vertrauten Wahrnehmungen sind mit Konzepten beschrieben worden, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind, z. B. an die Annahme, dass sich vor allem unbewusste Motive in dieser indirekten Form äußern – ein Grundgedanke in der Begrifflichkeit von Übertragung und Gegenübertragung – oder an biologische Korrelate von Empathie, die die Übertragbarkeit von Gefühlen von Person A auf Person B mit der Aktivität von (Spiegel-) Neuronen verknüpfen. Ein anderes, weniger an Vorannahmen gebundenes Verständnis basiert auf den oben beschriebenen alltäglichen Erfahrungen. Wenn man das, was man in der Gegend des eigenen Körpers spürt – ohne dass man es tasten oder anschauen kann –, als leibliches Spüren bezeichnet, hätte man den eigenen Leib als den Ort definiert, an dem das Wahrnehmen von Atmosphären sich vollziehen kann. Das mühelose, nicht bewusst gesteuerte gemeinsame Handeln beim Paartanz, beim gemeinsamen Rudern oder Chorsingen, die nicht bewusst gesteuerte Abfolge von Zuhören und Sprechen in einer entspannten Unterhaltung verweisen auf die Möglichkeit, dass mehrere Personen sich zu einem gemeinsamen, übergreifenden Leib zusammenschließen können. Unter dieser Voraussetzung ist denkbar, dass das, was Person A am eigenen Leib spürt, z. B. eine gewisse Traurigkeit, nicht aus ihr selbst stammt, sondern von Person B in die wahrnehmbare Atmosphäre eingebracht wird. Wenn man also das Entstehen einer bestimmten Gesprächsatmosphäre potenziell allen beteiligten Personen zuschreibt, kommt auch das Erleben der Fachperson zur Geltung: Sie gestaltet Atmosphären nicht nur, sondern ist ihnen auch ausgesetzt. Dann ist das Spüren am eigenen Leib ein diagnostisches Mittel, über das eine aufmerksame Fachperson zusätzlich zu den körperorientierten Möglichkeiten verfügt. Grundlagen der Kommunikation Ärztekammer Nordrhein

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