22 Gerade in der Grundversorgung sind z. B. Gefühle einer inneren Unruhe bei der Fachperson in der initialen Beurteilung eines Falles oft handlungsleitend (z. B.: „Dieses Kind ist krank und sollte ins Krankenhaus!“). Auch der Eindruck von „Jetzt ist genug gesagt“, der sich in einem Aufklärungsgespräch zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin nach einer bestimmten Zeit einstellt, ist ein solches Phänomen, da diese Aussage nicht auf statistischer Evidenz beruht in dem Sinne, dass der Patient / die Patientin wüsste, wie viel % des Wissens des Arztes / der Ärztin jetzt mitgeteilt wurde, sondern auf einem gespürten „Es ist gut jetzt“. Die Fachperson kann die Wahrnehmungen am eigenen Leib auch als therapeutisches Instrument benutzen, wenn sie dem Gegenüber mitteilt, wie ihr zumute wird (z. B.: „Wenn Sie diese Geschichte erzählen, weht mich eine große Traurigkeit an.“). Sie stellt das Erleben am eigenen Leib als eine mögliche Interpretation der aktuellen Situation zur Verfügung und hilft dem Gegenüber dabei, in Worten zu explizieren, was noch nicht gesagt, aber vielleicht schon vage gespürt wurde. Literatur Argyle M.: Körpersprache und Kommunikation. Junfermann, Paderborn 2005. Ekman P.: Gefühle lesen – Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren. Spektrum Akademischer Verlag, München 2004. Heringer H. J.: Interkulturelle Kommunikation. Grundlagen und Konzepte. Francke, Tübingen und Basel 2010. Gillessen A. et al. (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation in der Medizin. Springer Verlag Deutschland, https://doi.org/10.1007/978-3-66259012-6. Smith CF, Drew S, Ziebland S, Nicholson BD. Understanding the role of GPs' gut feelings in diagnosing cancer in primary care: a systematic review and meta-analysis of existing evidence. Br J Gen Pract. 2020 Aug 27;70(698):e612-e621. doi: 10.3399/bjgp20X712301. PMID: 32839162; PMCID: PMC7449376. Langewitz WA. The lived body (Der Leib) as a diagnostic and therapeutic instrument in general practice. Wien Klin Wochenschr. 2021 Jul 23. doi: 10.1007/s00508-021-01911-1. PMID: 34297201. Gramling C. J., Durieux B. N., Clarfeld L. A., Javed A., Matt J. E., Manukyan V., ... & Gramling, R. (2022): Epidemiology of Connectional Silence in specialist serious illness conversations. Patient Education and Counseling, 105(7), 2005–2011. 1.6. Gespräche in Zeiten der Telemedizin Gerade die Coronapandemie hat gezeigt, dass Kontakte nicht nur in der Face-to-Face-Begegnung in Präsenz stattfinden müssen, sondern auch über das Internet vermittelt stattfinden können. Damit hat eine Entwicklung zusätzlichen Schub erhalten, die in anderen Ländern, z. B. in Großbritannien, schon länger stattgefunden hat: Erstkontakte im Gesundheitswesen werden über das Telefon oder über Live-Video-Schaltungen abgewickelt, u. U. in der Interaktion mit einem Computerprogramm, das aus den geschilderten Beschwerden die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose berechnet und darüber entscheidet, ob eine hilfesuchende Person mit einem lebenden Gegenüber verbunden wird oder nicht. Selbstverständlich lässt sich argumentieren, Grundlagen der Kommunikation Ärztekammer Nordrhein
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