39 Gesprächstechniken Ärztekammer Nordrhein • Die Entscheidung über die Behandlung trifft immer die Patientin / der Patient. Im medizinischen Alltag kann und wird der Interaktionsprozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit einer empathischen und patientenzentrierten Haltung der Ärztin oder des Arztes (Lundeby et al. 2015) in einfachen Entscheidungssituationen oft sehr verkürzt ablaufen, um Zeit angemessen zu nutzen. Je komplexer die Entscheidungssituation ist und je stärker mögliche Therapiemaßnahmen in den Lebensablauf und -alltag der Patientin oder des Patienten eingreifen (z. B. Einschränkung der Fahrtüchtigkeit durch Arzneimittel; Chemotherapie in der Onkologie, insbesondere bei starken Nebenwirkungen und begrenztem Überlebensvorteil), desto mehr ergibt sich die Notwendigkeit, in Ruhe – ggf. in mehreren Gesprächen – die Werte, Ziele und Präferenzen der Patientin oder des Patienten für die gemeinsame Abwägung geeigneter Therapieverfahren zu erarbeiten. Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten in Deutschland wünscht sich eine gemeinsame Entscheidungsfindung. Die Qualität der Behandlungsergebnisse und die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten und der Behandelnden sind höher als bei Anwendung des pater- nalistischen Entscheidungsmodells. Trotzdem werden im medizinischen Alltag viele Entschei- dungen im ambulanten und stationären Bereich (noch) anders getroffen, unter anderem, weil Ärztinnen und Ärzte wie Patientinnen und Patienten dafür nicht ausreichend befähigt sind, etwa in den Bereichen Kommunikation, evidenzbasierte Medizin und Gesundheitskompetenz. Für beide, Behandelte wie Behandelnde, gibt es spezifische Informations- und Trainingsprogramme (siehe Kapitel 4.) sowie evidenzbasierte Entscheidungshilfen, die zur Vorbereitung der Entscheidungsfindung (z. B. auf www.gesundheitsinformation.de) oder während des Gesprächs (z. B. www.arriba-hausarzt.de) eingesetzt werden (Légaré et al. 2018; NICE 2021). Die Umsetzung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung kann nach Härter (2004), Makoul et al. (2006), Berger-Höger et al. (2019) und Elwyn (2020; 2021) folgende Handlungsschritte der Ärztin oder des Arztes umfassen, wobei die Reihenfolge als Orientierung und nicht als fest definierter Ablauf angesehen werden soll. Die Tiefe des gemeinsamen Reflexionsprozesses wird meist im Verhältnis zur Komplexität und Herausforderung der Entscheidungssituation stehen. Gespräch über Patient/Patientin und Arzt/Ärztin als Partner/Partnerin: • klar und verständlich mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht • das Gesundheitsproblem definieren • Gleichberechtigung der Beteiligten formulieren • ein Beziehungs- und Unterstützungsangebot formulieren • die (übergeordneten) Behandlungsziele des Patienten / der Patientin erarbeiten
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