41 Gesprächstechniken Ärztekammer Nordrhein Die Position der ärztlichen Fachperson in dieser gleichberechtigten Beziehung ist nicht etwa ‚wertneutral‘, wie es häufig falsch verstanden wird, sondern sie kann sich bei allem Respekt ggf. auch kritisch äußern bis hin zur unmissverständlichen Mitteilung von Sorge, Unverständnis oder Ratlosigkeit, die eine aus ärztlicher Sicht unverantwortlich erscheinende Entscheidung des Patienten / der Patientin hervorrufen kann – im Sinne von Balints ‚Droge Arzt‘, allerdings im Bewusstsein der möglichen manipulativen Nebenwirkungen dieser Droge. Die gemeinsame Entscheidungsfindung gibt der behandelten Person auch die Möglichkeit zu wählen, in welchem Maße sie sich in den Entscheidungsfindungsprozess einbringen will. Dabei ist zu beachten, dass die von Ärztinnen und Ärzten oft zitierte Bitte des Patienten / der Patientin, die Entscheidung doch besser ärztlicherseits zu treffen, Ausdruck vermuteter sozialer Erwünschtheit und mangelnden Vorstellungsvermögens eines gemeinsamen Prozesses auf Augenhöhe sein kann. Viele Patientinnen und Patienten profitieren dann von einer Ermutigung durch die Ärztin oder den Arzt. Wenn von der betroffenen Person gewünscht, kann die Einbeziehung ihrer Familie oder von anderen Bezugspersonen in den Interaktionsprozess hilfreich sein, um die Person zu einer wohlüberlegten Entscheidung zu befähigen – aber nicht, um an ihrer Stelle zu entscheiden. Beispiel: „Möchten Sie Familienmitglieder oder Freunde zu unserem nächsten Gespräch mitbringen? (Wenn ja:) Sie könnten Ihnen vielleicht helfen, sich aktiv ins Gespräch einzubringen, und sich die Einzelheiten merken oder notieren, die wir gemeinsam besprochen haben.“ Die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten ist also nicht, Patientinnen und Patienten durch gezielte, ggf. manipulative Kommunikation zu der aus ärztlicher Sicht ‚richtigen‘ Entscheidung zu bringen (‚ich kenne den Patienten und weiß, was das Richtige für ihn ist‘; ‚so steht es in der Leitlinie‘). Sie sollen Patientinnen und Patienten im Interaktionsprozess der gemeinsamen Findung der Entscheidung befähigen, ihre eigenen, für sie richtigen Entscheidungen wohlüberlegt zu treffen. Patientinnen und Patienten haben keinen Anspruch auf Maßnahmen, die medizinisch nicht indiziert bzw. nicht vertretbar sind. In Fällen, wo diesbezüglich Differenzen auftreten (siehe Kapitel 2.5.), sollte mit den Patientinnen und Patienten erwogen werden, ob die Einholung einer Zweitmeinung weiterführend ist. Doch behalten sie stets das letzte Wort darüber, ob eine medizinische Maßnahme durchgeführt werden darf oder nicht, und welche der medizinisch vertretbaren Optionen zur Anwendung kommen soll.
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