Leitfaden Kommunikation

62 3.7. Ansprechen heikler Themen: häusliche Gewalt Häusliche Gewalt ist ein verbreitetes, gesellschaftliches Phänomen und mit hohen, langfristigen gesundheitlichen Risiken verbunden. Bei einer repräsentativen Befragung in der Bundesrepublik Deutschland gaben 37 % der Frauen im Alter von 18 bis 64 Lebensjahren an, mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt erlebt zu haben. Internationale Studien zur Häufigkeit von Gewalterfahrung zeigen stark unterschiedliche Prävalenzraten, abhängig von der Gewaltform (psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt), dem Geschlecht, aber auch der untersuchten Stichprobe. Die Definition von Gewalt wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Selg et al. (1997) verstehen unter Gewalt schwere Formen von Aggression, bei denen zusätzlich zu einer Schädigungsabsicht ein psychisches oder physisches Machtgefälle zugrunde liegt. Bei häuslicher Gewalt handelt es sich um Gewalt im sozialen Nahraum durch Partner bzw. Partnerin oder Familienangehörige. Die 12-Monats-Prävalenz für widerfahrene körperliche Gewalt durch Partner/Partnerin oder Familienangehörige liegt in internationalen Studien bei etwa 1 %. Frauen sind v. a. bei sexueller Gewalt häufiger betroffen. Häusliche Gewalt in der medizinischen Versorgung Opfer häuslicher Gewalt suchen zwar häufig wegen ihrer körperlichen Verletzung Hilfe im medizinischen Versorgungssystem. Die zum langfristigen Schutz der Gesundheit neben der medizinisch-somatischen Versorgung erforderlichen psychosozialen Hilfen unterbleiben jedoch oft. Solche psychosozialen Hilfen sind in der Regel: • Sicherstellung des elementaren Rechts der körperlichen und psychischen Unversehrtheit; • Einschätzung des akuten Gefährdungspotenzials; • Berücksichtigung der akuten, emotionalen Belastung des Gewaltopfers; • Initiierung von (meist nur längerfristig zu erreichenden) Ablösungsprozessen aus der von Abhängigkeit geprägten, gewaltsamen Beziehung zum Täter / zur Täterin. Häufigster Grund, warum psychosoziale Hilfen unterbleiben, ist die Tatsache, dass die Gewalterfahrung nicht angesprochen wird. Dabei wünschen sich Gewaltopfer überwiegend, in einem geschützten Rahmen offen über ihre Gewalterfahrung sprechen zu können. Es gibt verschiedene Gründe, warum die häusliche Gewalt nicht thematisiert wird: Die betroffene Person zweifelt vielleicht an der Vertraulichkeit des Gesprächs oder geht davon aus, dass die Fachperson kaum Interesse oder kaum Zeit hat. Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein

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