69 Gibt eine betroffene Person klar zu verstehen, dass sie auf das Beratungsangebot (im Moment) nicht eingehen will, muss der Arzt bzw. die Ärztin dies respektieren. Auch dann ist diese Intervention aber nicht sinnlos, da der Patient bzw. die Patientin die Erfahrung machen konnte, dass die Fachperson bereit ist, das Thema Alkohol anzusprechen. Ein weiterer wichtiger Grundsatz besteht darin, Rückfälle nicht als Versagen zu verstehen – weder ärztlich noch auf Betroffenenseite. Rückfälle sind vielmehr Teil des Veränderungsprozesses und lassen sich für einen erneuten Anfang mit entsprechender kluger Anpassung nutzen. Da Motivationsgespräche länger dauern können, lohnt es sich, die betroffene Person zu einer Randstunde einzubestellen. Zu vermeiden sind ineffiziente Konsultationen, in denen von ärztlicher Seite herabsetzende Fragen gestellt oder beschämende Ratschläge gegeben werden. Oft geht es darum, deutlich zu machen, dass Arzt/Ärztin und Patient/Patientin das Problem erkannt haben, dass das Problem explizit und unmissverständlich beim Namen genannt wird und dass die Fachperson ihre Bereitschaft, darauf einzugehen, wirklich ernst meint. Aktuell wird diskutiert, ob der Wechsel von der ausschließlich abstinenzorientierten Behandlung zum „harm reduction approach“ (Schadensminderung) vertretbar ist. Sinnvoll scheint dies vor allem bei alkoholabhängigen Patientinnen und Patienten, die immerhin bereit sind, an einem kontrollierten (reduzierten) Konsum zu arbeiten, aber sich auf das Ziel der Abstinenz aktuell nicht ausrichten wollen. Insbesondere in Hinblick auf die körperliche Gesundheit und soziale Probleme im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholkonsum ist ein kontrollierter Konsum bereits von Bedeutung. Medikamente wie Naltrexon oder Nalmefen, also Opioidrezeptor-Antagonisten, deren Wirksamkeit vorrangig für die Reduktion des Konsums belegt ist, könnten diesem Ansatz mehr Bedeutung verleihen. Zudem wird kontrovers diskutiert, ob das kontrollierte Trinken für Alkoholabhängige nur ein Zwischenstadium ist, auf das später dann der Entscheid zur Abstinenz folgt beziehungsweise der Rückfall in den abhängigen Konsum, oder ob es Alkoholabhängigen gelingt, langfristig einen kontrollierten Konsum zu praktizieren. Auch wenn es nur ein Zwischenstadium wäre, kann das Angebot von therapeutischen Hilfen, bei denen die Betroffenen sich nicht zum Anfang der Behandlung schon zum Abstinenzziel verpflichten müssen, eine Möglichkeit sein, den Anteil der Alkoholabhängigen in Behandlung zu erhöhen. Kontrolliertes Trinken besteht zum Beispiel darin, auf Alkoholkonsum an bestimmten Tagen oder in bestimmten Situationen zu verzichten oder die Trinkmenge pro Tag zu reduzieren. Ziel der hier vorgestellten Vorgehensweise ist es, eine therapeutische Umgebung herzustellen, die es Patientinnen und Patienten erlaubt, ihre Gesundheit selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen. Besteht seitens der Patientinnen und Patienten der Wunsch nach VerhalHeranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein
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