Leitfaden Kommunikation

83 Heranführen an spezifische Gesprächssituationen Ärztekammer Nordrhein Volljährigkeit eine wirksame PV errichtet werden. Zur Abschätzung der Einwilligungsfähigkeit kann dem Patienten bzw. der Patientin ein einfaches Fallbeispiel vorgelegt werden. Die Person sollte in der Lage sein, dieses zu verstehen und zusammenzufassen. Auch sollte sie fähig sein, ihre Behandlungspräferenz für diese konkrete Situation zu äußern, alternative Vorgehensweisen zu bewerten und die sich aus ihrer Wahl ergebenden kurz- und längerfristigen Konsequenzen abzuleiten. Konkret kann die ärztliche Fachperson folgendermaßen vorgehen: „Ich erzähle Ihnen jetzt eine Fallgeschichte. Stellen Sie sich vor, Sie erleiden einen Hirnschlag. Als Folge des Hirnschlags können Sie Ihren rechten Arm und Ihr rechtes Bein nicht mehr bewegen. Sie können auch nicht mehr sprechen und schlucken, die Sprache Ihrer Mitmenschen nehmen Sie aber noch wahr. Wegen der Schluckunfähigkeit würde man Sie fragen, ob Sie der Einlage einer Magensonde durch Ihre Bauchwand zustimmen würden, um eine ausreichende Nahrungszufuhr zu gewährleisten. Würden Sie mir diese Geschichte bitte nochmals kurz zusammenfassen? Würden Sie einer derartigen Maßnahme zustimmen? Welche alternativen Handlungsoptionen können Sie sich vorstellen? Was, denken Sie, würde geschehen, wenn Sie der Maßnahme nicht zustimmen?“ Der Mini-Mental-State kann zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit nur als Vorabprüfung dienen (Stier, 2006). Daran muss sich eine individuelle kontextabhängige Tiefenprüfung durch die Ärztin bzw. den Arzt anschließen. Werteanamnese Sicher gibt es Situationen, in denen eine PV in einer einzigen Sitzung erstellt werden kann. Meist werden aber mehrere Sitzungen notwendig sein, denn für eine vollständige und sinnvolle PV müssen Wertehaltungen formuliert, Behandlungsziele und Vertrauenspersonen benannt und Aussagen zu verschiedenen spezifischen Behandlungssituationen gemacht werden (siehe 3.3.). In einem ersten Gespräch geht es darum, mit der betroffenen Person einen Zugang zu Themen wie schwere Krankheiten und Lebensende zu finden. Sie erzählt, wie ihre gegenwärtige Lebenssituation aussieht (Gesundheit, soziale Kontakte, Zukunftspläne), wie weit sie sich schon mit Fragen über Krankheit, Sterben und Tod auseinandergesetzt hat, welche Ängste in diesem Zusammenhang bestehen und von welchen Personen sie denkt, dass sie als Vertrauensper-

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