CORTISSIMO 11

CORTISSIMO 11 05 K ünstliche Intelligenz ( KI ) ist, nicht nur in den Medien und auf Kongressen, das Thema der Stunde: Die Bundesregierung widmete KI jüngst eine Ausgabe ihres Maga- zins Schwarzrotgold , das „Wissenschaftsjahr 2019“ untersucht KI aus allen möglichen Pers- pektiven von der Wissenschaft bis zur Litera- tur und immer mehr Start-ups entwickeln auf KI basierende Ideen, die sich in neuen Pro- dukten und Services monetarisieren lassen — Anfang 2019 waren es nur in Deutschland bereits 164 (Quelle: schwarzrotgold—Das Magazin der Bundesregierung, Ausgabe 3/2019 ). Doch was ist dran am emotional aufgeladenen „Hype- Thema Künstliche Intelligenz“, wie es das Frank- furter Zukunftsinstitut kritisch nannte? Wohin führt ihre Entwicklung uns, wenn wir nicht mehr unterscheiden können, ob wir online mit einem Servicemitarbeiter oder einem Chat- roboter sprechen und ob hinter dem Artikel, den wir lesen, ein echter Mensch steckt? Künstliche Intelligenz wird mittlerweile in vielen Feldern von der Forschung über die Kommunikation bis zu Medizin und Verwaltung eingesetzt. Wir wollen einen Blick auf die Medienbranche werfen. Hat sie sich durch KI verändert? Zunächst einmal: Was genau eine KI ist, wird von verschiedenen Experten unterschiedlich definiert. Schließlich wirft schon die Frage da- nach, was Intelligenz — sei sie menschlich oder künstlich — auszeichnet, zahlreiche Probleme auf. Gemeinhin wird unter KI eine selbstlernen- de Informatikanwendung verstanden, die dem neuronalen Netzwerk unseres Gehirns nach- empfunden ist. KI kann spezifische Aufgaben selbstständig lösen, Muster und Zusammenhän- ge erkennen — das muss sie allerdings trainieren, was bedeutet: wiederholt mit großen Datenmen- gen versorgt werden. Die drei meistgenutzten Modelle des „Machine Learnings“ erklären wir im Glossar auf Seite 6. Ein einfaches Beispiel ist die Gesichtserkennung auf Fotos, die es mittler- weile auf vielen Computern und Smartphones gibt: Man markiert auf mehreren Fotos diesel- be Person, zum Beispiel „Mutti“. Durch jede Mar- kierung lernt die Anwendung dazu und kann die Person schließlich immer schneller und zuver- lässiger auf allen Fotos, auf denen sie zu sehen ist, erkennen und markieren. Das erleichtert die Möglichkeit, die private Fotosammlung zu kata- logisieren und durchsuchbar zu machen, enorm — und wie sich denken lässt, wird diese Technik in Unternehmen, die täglich mit einer riesigen Flut an Bildern arbeiten, die sie speichern, aus- werten und nutzbar machen sollen, häufig ein- gesetzt und spart Zeit und Kosten. Beispiel Deutsche Presse-Agentur: Auf dem Innovationsblog der größten deutschen Nach- richtenagentur wird die Einführung von „Whizzu- ally“ gefeiert — eine auf KI basierende Software, die automatisch Bilder verschlagwortet und somit auffindbar macht. Dazu analysiert „Whizzu- ally“ Bildinhalte und gibt eine Bildbeschreibung, Personenbeschreibung und Tags zum Bild aus. Ein einzelner Redakteur könnte das in dersel- ben Zeit nicht leisten. Im nächsten Schritt wurde die automatische Verschlagwortung von Texten mittels KI in Angriff genommen — mit „Viper“. Die Schlagwörter, die nun beispielsweise in den „Blaulicht-Meldungen“ auf presseportal.de an- gezeigt werden, bieten Lesern „Querverwei- se zu anderen Inhalten mit gleichen Themen, Orten oder Personen“ und sind „auch im Hin- blick auf positive SEO -Effekte von großer Bedeu- tung“ (Quelle: Innovationsblog ). Anfang April 2019 kam dann bei der dpa der KI -Kollege „Tex“ hinzu: Täglich treffen in großer Zahl Einladungen zu Ver- anstaltungen in unterschiedlichen Formaten in Redaktionen und Pressestellen ein. Die Software durchforstet E-Mails und verwandelt als Einla- dungen identifizierte Nachrichten automatisch in Einträge in der dpa-Termindatenbank, die dann von der Redaktion weiterbearbeitet und ver- edelt werden. Klingt simpel, erfordert von der KI aber umfassendes technisches und linguisti- sches Know-how— schließlich muss „Tex“ lernen, an welcher Stelle der E-Mail sich welche Infor- mationen verbergen. Am Ende der KI -gestütz- ten Verwertungskette steht der Bezahlservice „dpa-Agenda“. Ein gutes Beispiel, wie KI die Ar- beit in Medienunternehmen verändert und für neue Produkte genutzt wird, die es Journalis- ten erlauben, sich wichtigeren Tätigkeiten wie der Recherche zu widmen als dem Eintragen von Terminen in einen Kalender. Doch KI kann für die Medienbranche noch viel mehr leisten als nur Texte und Bilder (mitt- lerweile auch Videos) auszulesen und Metadaten zu generieren. Sie kann automatisiert Texte ver- fassen — und wird in dieser Funktion schon heute in vielen Redaktionen zum Beispiel für kurze fak- tenreiche Gebrauchstexte wie Wetterberichte, Fußballergebnisse oder Börsennachrichten ein- gesetzt. Die Voraussetzung: strukturierte Daten und Textmodule. Die Washington Post generiert so bereits ihre Vorspanne, wie auf der Leipzi- ger Buchmesse 2019 berichtet wurde. Und laut dem NDR lässt die amerikanische Wirtschafts- nachrichtenagentur Bloomberg schon ein Drit- tel ihrer Bilanzberichte von KI schreiben. In Deutschland ist man da noch etwas vorsichtiger und verwendet KI lieber als nützliches Werkzeug, um Hasskommentare aus den sozialen Medien zu filtern, Falschmeldungen zu entlarven oder, wie bei SPIEGEL online , automatisiert Infografi- ken und Transkriptionen von Audioaufnahmen zu erstellen. Wie aber bewerten die Adressaten, also Le- serinnen und Leser den Einsatz von KI in Re- daktionen? Müssen wir Angst haben vor einem „Roboterjournalismus“ (ein Begriff, der bereits 2014 existierte)? Wie stark sind die in Science- Fiction-Filmen vermittelten Bilder einer KI mit Bewusstsein, die nichts Gutes im Schilde führt? Bestimmt ein „Terminator“ in Zukunft, was wir lesen und sehen? Laut einer im August 2019 ver- öffentlichten online-repräsentativen Studie von Statista, die nextMedia.Hamburg, die Standort- initiative für die Hamburger Medien- und Digi- talszene, durchgeführt hat, gewöhnen wir uns Heute schon den Wetterbericht oder aktuelle Fußballergebnisse gelesen? Dem Smart Speaker beim Frühstück gesagt, dass er das Radio anstellen soll? Das Handy mit der Gesichtserkennung entsperrt und schnell etwas gegoogelt? In allen Fällen hatten Sie wahrscheinlich Kontakt mit Künstlicher Intelligenz — sie steckt in zahlreichen Services, die wir täglich nutzen. Mal mehr, mal weniger offensichtlich. KI entlastet Mitarbeiter in Verlagen und Nach- richtenagenturen — sie ersetzt diese nicht. Mehr Infos zu den Modellen des „Machine Learnings“ auf Seite 6 Von der Entsperrung des Smartphones über schnellere Grenzkon- trolle am Flughafen bis zum „Bezahlen mit dem Gesicht“, wie es in Ländern wie China schon verbreitet ist: KI -gestützte Gesichts- erkennung erlaubt viele Einsatzmöglich- keiten — und erzeugt eine Menge sensibler Daten. Datenschützer warnen daher regel- mäßig vor möglichen Gefahren. Kleines oder großes K? An der korrekten Schreibweise von „künstlicher Intelligenz“ scheiden sich die Geister. Das Regelwerk Duden ver- zeichnet den Begriff im Wörterbuch- eintrag „Intelligenz“ als Beispiel einer substantivischen Wortgruppe, die keinen Eigennamen darstellt — und schreibt das Adjektiv klein. Die Bran- che selbst sieht das mit dem Eigen- namen etwas anders und schreibt das Adjektiv daher überwiegend groß (wie beim „Schwarzen Brett“). Wir benutzen in dieser Ausgabe die Großschreibung.

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