KNOW!S 01-2018

Wo findet heute Qualitätsjournalismus statt? Auf Papier? Im Netz? Überall? Wir haben in der Medienlandschaft nach Antworten gesucht. TEXT: MARTEN HAHN Natürlich ist das Quatsch: „Qualitätsjournalismus“. Als könne man das Produkt in verschiedenen Preis­ klassen kaufen. Einmal unabhängig, ausgewogen und wahrhaftig, und einmal so ganz ohne Prinzipien. Journalismus ist Journalismus – da braucht es kein Gütesiegel. Aber der Begriff zeigt, was in der Medien­ industrie in den vergangenen knapp 20 Jahren kaputtgegangen ist. Das ist ein bisschen so wie mit den Bäckereien. Seit da im Fenster steht: „Frisch gebacken“, kann man sicher sein, dass hier nichts mehr frisch gebacken wird, sondern nur noch auf­ getaut und aufgewärmt. Guter Journalismus – nur im Print möglich? Der Begriff „Qualitätsjournalismus“ kam auf, als die Medienkrise zu wüten begann. Wir erinnern uns: Platzen der Dotcom-Blase, Anzeigenrück­ gang, weniger Werbeeinnahmen, Entlassungen, Zeitungssterben. „Qualitätsjournalismus“ wurde zum Kampfbegriff und Verkaufsargument, oft mit dem Hinweis aufs Printprodukt. Hermann Petz, der Verleger der Tiroler Tageszeitung, ließ sich in einem Interview sogar einmal zu der Aussage hinreißen: „Es gibt Qualitätsjournalismus nur in Verbindung mit bedrucktem Papier – und das aus belegbaren Gründen.“ Der Begriff „Qualitätsjournalismus“ hat bis heute Konjunktur und – wie Volker Lilienthal, Pro­ fessor der Journalistik an der Universität Hamburg, einmal im Tagesspiegel formulierte – auch seine Berechtigung: „als Leitidee für ein anzustrebendes Ideal, als Motivation für den ambitionierten, den elaborierten, den besseren Journalismus, der sich nicht darin erschöpft, die Verlautbarungen anderer nur medial zu verstärken.“ Mittlerweile dürfte es aber kaum noch erfolgrei­ che Verleger geben, die glauben, guter Journalismus finde nur auf dem Papier statt. Zwar hat das Internet das Geschäftsmodell des Journalismus in eine Krise gestürzt. Es hat ihn aber auch bereichert. Es ermög­ licht globale Recherchekollektive wie im Fall der „Panama Papers“ oder des „Daphne Projects“. Es ver- hilft kritischem Journalismus zu neuer Reichweite. Und es hat aus einem Blindflug ein Fliegen auf Sicht gemacht. Nützlicher Algorithmus Wenn Matthias Giordano morgens am Schreibtisch seine E-Mails abruft, wartet da ein Bericht aus dem Maschienenraum der Redaktion auf ihn. Jeden Tag stellt ein Analysetool aus den gesammelten Daten von www.welt.de einen Report mit blanken Traffic-Zahlen zusammen. Ein redaktionsinternes Messsystem macht aus diesen Daten dann einen sogenannten Artikel-Score. Dort sieht der leitende Redakteur des Welt -Ressorts „kmpkt“, wie sich die Artikel seines Teams über Technologie, Wissenschaft und Popkultur im Vergleich mit den Stücken der anderen Welt -Ressorts geschlagen haben. Der Algorithmus misst unter anderem Reich­ weite, Social-Media-Performance und Verweildauer der Leser, vergibt entsprechend Punkte und erstellt dann ein Ranking. „Für uns ist das hilfreich. Wir sehen dann, wie effizient eine Geschichte war und vor allem, wo wir uns verbessern können“, so der 29-Jährige. Fotos: Unsplash, Samuel Zeller (linke Seite); Minh Hằng (rechts) KNOW ! S  01/2018 15 JOURNALISMUS IST JOURNALISMUS

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