KNOW!S 01-2018

Adlershof im Südosten Berlins war schon immer eine beliebte Kulisse. Zwischen den beiden Weltkriegen wurden die riesigen Hangars des zerbombten Flugplatzes zu großen Filmstudios umgenutzt. Stummfilm-Klassiker wie „Nosferatu“ (1922) wurden hier gedreht, aber auch Actionfilme wie „Hitman: Agent 47“ (2015). Dort, wo in der Computerspiel-Verfilmung der titel­ gebende Agent seinen Feind um die Ecke bringt, lehnt heute, im Frühjahr 2018, Bernd Ludwig lässig über der Brüstung. Das kleine, runde Treppenhaus ist der einzige von Tageslicht bestrahlte Ort inmitten der sonstigen „robust anmutenden Knastarchitektur“, wie der 59-Jährige es nennt, und in der Tat etwas fürs Auge. Gerade wuselt die Werbegruppe eines Sport­ artikelherstellers durch Ludwigs heilige Hallen – dem Zentrum für Photonik und Optik am WISTA, dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin-Adlershof. Wirtschaft, Wissenschaft und Medien Heute steht in Adlershof einer der fünf größten Technologie- parks in Europa. Mehr als 1.000 Unternehmen haben sich hier auf 4,2 Quadratkilometern niedergelassen. 20.000 Menschen arbeiten, viele von ihnen leben hier. Als „Stimme von Adlers- hof“ ist Kommunikationschef Dr. Peter Strunk seit etwa 20 Jahren dabei. Allein in dieser Zeit habe sich die Zahl der ansässigen Firmen und Unternehmen „bestimmt verdoppelt“, schätzt er. Aufgrund der Geschichte im Ostteil Berlins gab es hier lange gar keine Wirtschaft – dafür aber 5.500 kluge Köpfe, die aus der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR in die bundesdeutschen integriert werden mussten. „Das war ein enormes Potenzial, denn nicht alle konnten übernommen werden. Und ausgerechnet die sollten dann Unternehmer, also plötzlich zum Klassenfeind, werden“, berichtet Strunk. Aber es funktionierte. Zumal die Infrastruktur für Techno­ logie-Unternehmen perfekt passte: Denn einerseits waren die Büros und Labore auch dank entsprechender Forschung im Osten gut ausgerüstet. Andererseits sind die Mieten dank Fördermitteln reduziert: „Wir bieten Laborflächen für unter 10 Euro pro Quadratmeter an“, erzählt Bernd Ludwig und grinst. „Da müssen wir teilweise aufpassen, dass die Leute nicht Sofa und Fernseher aufstellen und quasi einziehen.“ Zudem zog auch die Humboldt-Universität mit ihren naturwissenschaftlichen Studiengängen kurz nach der Wende nach Adlershof. Der Super-Campus Adlershof ist ein Super-Campus: Hier treffen universitäre und nicht-universitäre Forschungsinstitute genauso aufeinander wie Unternehmensgründer und Medienschaffende. Entlang der Hauptstraße dieser Kleinstadt – der Rudower Chaussee – gibt es längst Supermärkte, Restaurants, Imbisse und Frisöre. Bis 2020 soll eine zweite Straßenbahnlinie den Ansturm auf den wachsenden Standort bewältigen. Wer mit Strunk oder Ludwig spricht, hört oft das Wort „profil­ konform“. Denn nicht alles passt hierher: Wer zum Beispiel einen neuen Online-Shop oder ein soziales Netzwerk entwickeln will, sei in Adlershof an der falschen Stelle, heißt es unisono. Dafür gebe es in Kürze aber einen neuen Anlaufpunkt in Berlin, eine der Start-up-Hauptstädte der Welt. Von der Suchmaschine zum Nachbarn? Nur etwa 10 Kilometer Luftlinie entfernt entsteht gerade der neueste Campus der Hauptstadt: Google möchte im alten Adlershof Der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof (WISTA) wurde nach der Wende mithilfe öffentlicher Fördermittel im Süd- osten Berlins angelegt und vereint heute die ehemals getrennten Gelände des Fernsehens der DDR, der Akademie der Wissen- schaften der DDR und des Wachregiments „Feliks Dzierzynski“. Auf dem insgesamt etwa 4,2 Quadratkilometer großen Gebiet westlich des S-Bahnhofs Adlershof (und somit auch westlich des eigentlichen Stadtteils) sind zurzeit 1.088 universitäre und wissen­ schaftliche Einrichtungen sowie Unternehmen zu Hause, die meisten mit technologischem Schwerpunkt. how KNOW ! S  01/2018 21 ALLE UNTER EINEM DACH

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