KNOW!S 02-2018

Fast einMagazin Früher bewarben sie Produkte – mittlerweile sind sie selbst das Produkt. Warum Verlage und Agenturen heute viel Zeit und Energie in Newsletter investieren. Wer mit dem E-Mail-Konzept „Inbox Zero“ durchs Leben geht, wird meist von einer besonderen Nachrichtenspezies in die Knie gezwungen: dem Newsletter. Es sind nicht mehr die lästigen Werbesendungen, die im Laufe vieler Jahre Online-Shopping an einem hängen bleiben und den Postein- gang vollstopfen. Die werden mittlerweile häufig von fähigen Spam-Filtern aussortiert. Nein, es sind selbst abonnierte, herbeigewünschte Rundschreiben. Dass wir uns oft mehr auf den digitalen Teller laden, als wir konsumieren können, liegt daran, dass es besser schmeckt. Der Newsletter – dieses Urgestein des Internetzeitalters – hat sich enorm gewandelt. War er lange eine recht plumpe Marketingmaßnahme von Unternehmen und halbsei- denen Online-Händlern, ist er heute fester Bestandteil der Medienlandschaft. Keine große Medienmarke oder Agentur kommt noch ohne aus. Journalisten der Süd- deutschen Zeitung haben für einen Artikel jüngst nachgezählt: Das Wallstreet Journal hat 51, die New York Times 63 und die Washington Post ganze 75 verschiedene Newsletter im Ange- bot. In Deutschland hat die ZEIT immerhin 27, die FAZ 18, die Süddeutsche Zeitung 15 und Der Spiegel 14. Jeden Tag landen so sorgfältig kuratierte Nachrichtenzusammenfas­ sungen und Leseempfehlungen in unserem Posteingang. Mal witzig, mal ernst. Mal ‚magazinig’, mal in reiner Textform. Mal vom Chefredakteur, mal vom Fachredakteur, mal im Namen des Teams verfasst. Der „Digital News Report 2018“ von Reuters registriert entsprechend die „Wiedergeburt der E-Mail“. Konsumenten würden so wirksam auf Medien-Websites gelotst. Allerdings mit einer Einschränkung: „Dieser Kanal findet vor allem Anklang bei über 45-Jährigen. Dass so jüngere Nutzer ange- lockt werden, ist unwahrscheinlich.“ Für Leser liegt der Vorteil von Newslettern auf der Hand: Statt sich auf der Suche nach dem Lieblingsthema durchs Netz wühlen zu müssen, landen Informationen und Updates regelmäßig dort, wo wir einen großen Teil unseres Tages verbringen: im Posteingang. Oft ist die Darreichung per E-Mail sogar so umfassend, dass sich der Klick auf Links erüb- rigt. Der Wermutstropfen: wer mehr als einen abonniert, wird nicht nur Mühe haben, die Zahl der ungelesenen E-Mails bei null zu halten, sondern bezahlt auch mit seiner Konzentration. Schließlich blinken Newsletter als E-Mails auf, verlangen unsere Aufmerksamkeit und unterbrechen unseren Arbeitsfluss. Für Verlage, PR-Agenturen und andere Unternehmen tun Newsletter mehr, als nur Leser auf die eigene Website zu locken. Sie können personalisiert und auf eine Zielgruppe zugeschnitten werden. Der Newsletter über Raketenwissen- schaft wird ziemlich sicher nur von Raketenwissenschaftlern abonniert. Entsprechend technisch darf das Vokabular sein. Die Empfänger melden sich zudem freiwillig an. Die E-Mails werden deswegen nicht als aufdringlich wahrgenommen. Abonnenten bleiben der Marke so länger treu. Selbst wer mehrere Wochen nicht in den Newsletter schaut, schiebt die Kündigung oft auf. Schließlich hat man damals aus guten Gründen das Häkchen gesetzt. Newsletter kommunizieren direkt mit einer bereits interes­ sierten Leser- oder Kundschaft. Die Botschaft fällt keinem unberechenbaren Facebook-Algorithmus zum Opfer, der die Inhalte vielleicht wie gewünscht ausspielt, vielleicht aber auch herabstuft und versanden lässt. Hat der Newsletter den Empfänger erreicht, erhält der Sender Daten, die ihm bei- spielsweise erzählen, wann und mit welchem Gerät gelesen wurde. Und welcher Link die meisten Klicks sammelte. Newsletter sind einfach. Empfänger müssen nichts zusätz- lich installieren oder sich an eine neue App gewöhnen. Sie müssen einfach nur eine E-Mail öffnen und lesen. Das Format ist seit Anbeginn des Internetzeitalters bekannt. Und wer genug Abonnenten zusammenhat, kann Werbekunden an­ locken. Dank Anzeigenverkauf beginnt der Newsletter dann auch noch Geld zu machen. Ansprache und Layout wiederum unterscheiden sich je nach Ziel und Leserschaft. Wir stellen vier verschiedene Newsletter vor. TEXT: MARTEN HAHN »Keine große Medienmarke oder Agentur kommt noch ohne Newsletter aus.« 14

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