KNOW!S 01-2019
Schaffrath Köpfe EinGesprächmit André Bardoun ES IST SELTEN, DASS JEMAND MIT VOLLZEITJOB NEBENBEI NOCH WOANDERS ARBEITET. Und es ist noch seltener, dass der Hauptarbeitgeber nichts dagegen hat. Doch im Leben des André Bardoun ist beides der Fall. Der Mittdreißiger ist Softwareentwickler bei Schaffrath DigitalMedien. Er schreibt Erweiterungen für TYPO3 und passt das Content Manage- ment System je nach Kundenwunsch an. Und er ist für die Administration der Server zuständig. Gleichzeitig ist Bardoun ehrenamtlicher Feuerwehrmann — oder besser „Brandoberinspektor“ — bei der Freiwilligen Feuerwehr Geldern. Würde jetzt in der Nachbarschaft ein Haus in Flammen aufgehen, würde der „Melder“ an seinem Gürtel piepen. Dann hätte er genau acht Minuten, um am Einsatzort zu sein. Das ist gesetztlich so vorgegeben. Die Maus fallen lassen. Aus dem Büro. Ins Auto. Zur Wache. In die Schutzkleidung. Ein „Fahrzeug besetzen“. Dann zur Einsatzstelle. In acht Minuten? Ja, sagt er. Ist knapp. Aber machbar. Weil heute alles ruhig ist, fahren wir ganz entspannt vom Schaffrath-Campus in Geldern rüber zur Wache. Wie lange ist er schon bei der Feuerwehr? „Seit dem 18. Lebensjahr.“ Während des Studiums kurz unterbrochen? „Nee, ich war ständig ehrenamtlich dabei.“ Wo studiert? „In Krefeld.“ Das ist nur eine halbe Stunde entfernt. Bardoun ist hier verwurzelt. Wegziehen käme für ihn nicht infrage. Er habe Bekannte in Berlin, die von hier in die Haupt- stadt gezogen sind. „Es ist schön, da mal Urlaub zu machen oder da mal ein Wochenende hinzufahren, aber da leben, das wäre nichts für mich persönlich.“ Zu anonym? „Genau.“ Dass Bardoun bei Schaffrath gelandet ist, ist Zufall, aber nicht überraschend. „Ich habe an der Uni gesehen, dass schaffrath medien eine studentische Aushilfskraft sucht. Das Logo kam mir bekannt vor. Ich wusste, das ist um die Ecke und dachte ‚Könnte man sich mal vorstellen‘.“ Das Haus seiner Eltern steht nur zwei Straßen weiter. Tante und Onkel arbeiteten schon bei Schaffrath. Die Firma war immer prä- sent. Schon in Bardouns Kindheit. „Aber eben als Druckerei. Die haben halt Zeitschriften hergestellt.“ Als Bardoun dann als Student anheuerte, war das Familien- unternehmen nicht mehr das gleiche. Schaffrath Digital- Medien boten nun auch digitale Lösungen an. Er fing als Werksstudent noch in der Druckerei an und schrieb dort seine Diplomarbeit. Aber er war dort schon für die Betreu- ung der technischen Infrastruktur zuständig. Der Schritt zu den DigitalMedien nebenan war da nicht weit. Wir rollen auf den Parkplatz der Wache. Das Gebäude ist erstaunlich groß. Ein Rolltor reiht sich ans nächste, alle durchnummeriert. Zehn Einsatzwagen stehen hier. „Ein weiterer steht in der Stadtverwaltung.“ Im Jahr gibt es rund „250 Alarmierungen“. Die Einsätze reichen von „Katze auf Baum“ bis zum Großbrand. Vor einiger Zeit sei ein Werk eines hiesigen Leiterplattenherstellers abgebrannt. „Da waren wir eine Nacht und einen Tag im Einsatz.“ Am Schlimmsten seien aber oft Verkehrsunfälle. Insgesamt gibt es „47 aktive Kameraden und Kamera- dinnen“, sagt Bardoun und führt durch die Halle, an einem nagelneuen Hilfeleistungslöschfahrzeug vorbei. Er erzählt von „Dienstabenden“ und „Kameradschaftspflege“, gemein- samen Wochenendtrips und Fahrradtouren. „Das ist wie eine zweite Familie.“ Da stört es auch nicht, dass er für seine Führungsposition nur 96 Euro Entschädigung bekommt pro Monat. Ohne Leute wie Bardoun würde es für kleine Städte wie Geldern teuer. Eine hauptamtliche Vollzeit-Feuerwehr würde mehrere Millionen Euro kosten, sagt der Zeugwart der Wache und begrüßt Bardoun. Der Mann hält mit einem anderen Kollegen Autos und Ausrüstung in Schuss. Sie sind die einzigen Festangestellten hier. Es werde immer schwieriger, Freiwillige zu finden, so Bardoun. Das liege auch an den immer stärkeren Auflagen, wie zum Beispiel den acht Minuten Reaktionszeit. Was macht er, wenn Schaffrath in den kommenden Jahren aus irgendwelchen Gründen mal den Standort wechselt und er die acht Minuten nicht mehr einhalten kann? Kein Ding, sagt er. „Dann unterstütze ich eben dort die Freiwillige Feuerwehr.“ TEXT: MARTEN HAHN KNOW ! S 01/2019 33 SCHAFFRATH KÖPFE: ANDRÉ BARDOUN Foto: Georg Schreiber
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