Seite 10 - Werder_Magazin_30

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ußball und Hochkultur verbindet vor
allem eins: Kreativität. Während die
einen mit dem Ball zaubern, kom-
mentieren die anderen das Ergebnis
mit ihrer künstlerischen Arbeit: Der ‚35ste
Spieltag‘ ist ein ungewöhnliches Projekt aus
Bremen.
Während die erste Halbzeit
eher dahinplät-
schert, geht es in der zweiten richtig zur
Sache: Werder stürmt und drängt nach vorn,
schießt ein Tor. Der Jubel ist grenzenlos, die
Ostkurve tobt. Unmittelbar davor steht Co-
sima Hanebeck, die das Spiel Werder gegen
Augsburg verfolgt und später künstlerisch
verarbeiten wird. Sie ist begeistert: „Es ist
so beeindruckend, Prof ifußbal l hautnah
zu erleben. Allerdings wäre ‚Oropax‘ nicht
schlecht!“ In der Nachspielzeit fällt der Aus-
gleich für die Gäste: Die Bremer Fans sind
außer sich. Die umstrittene Entscheidung
des Schiedrichters wird Cosima Hanebeck
später mit einbauen in ihre ‚Augsburger
Puppenkiste‘. „Ich erstelle eine Fotografie,
die eine Theaterszene zeigt. Ein Spot auf ein
Fußballgeschehen mit echten Menschen, die
zu große Köpfe haben und wie Marionetten
an Fäden hängen.“ Manchmal ist Fußball
einfach auch nur ein großes Theater! Text-
lich begleitet wird Cosima Hanebeck von
Lauma Zvidrina.
Eigentlich eine schöne Idee,
Volkssport mit
Kunst zu verbinden. Bereits zum sechsten
Mal findet die Zusammenarbeit zwischen
dem ‚35sten Spieltag‘ und dem SV Werder
statt. Geistiger Vater und Kopf des Ganzen
ist Oliver Voigt. Vor sechs Jahren sahen er
und seine Kollege Werner Kuhrmann ein
Champions-League-Spiel und konnten in
Ermangelung von Platz den Spielf luss nicht
richtig verfolgen. Stattdesssen floss der Wod-
ka, und der ‚35ste Spieltag‘ als Kunstprojekt
wurde ausbaldowert. Das Duo wurde noch
um Tom Gefken ergänzt. Der Kontakt zu
Werder fand auf persönlichem Wege statt,
entsprechend unkompliziert war und ist die
Kooperation.
Das Konzept ist denkbar einfach:
Siebzehn
bildende Künstler und Autoren aus Bremen
verfolgen die Heimspiele des SV Werder. Ih-
ren Eindruck verarbeiten sie künstlerisch.
Darin ist alles enthalten: Frust und Freude,
Begeisterung und Enttäuschung, der schö-
ne Schein und tiefer Sinn. Je ein Spiel wird
einem Zweier-Team vorab zugeteilt. Dabei
müssen die Kreativen keine eingef leischten
Werder-Fans oder Fußball-Kenner sein. „An-
fangs war es eine reine ‚Jungs-Sache‘“, so
Oliver Voigt. „Beim ersten Projekt hatten
wir noch fußball-affine Künstler gefragt. Im
Laufe der Zeit wurden die Plätze unter der
Hand weitergegeben, wenn jemand ausstieg.
2009 kamen dann die Autoren dazu.“ Alte,
renommierte Hasen wie Til Mette, Hermann
Stutzmann, Jub Mönster und Michael Au-
gustin sind dabei gewesen. Aber auch ihre
Nachfolger – vom Talent ebenbürtig – hatten
großartige Ideen umgesetzt: Christian Holt-
mann mit kleinformatigen Portraits, Colla-
gen von Hajo König und Piotr Rambowskis
Malerei, um nur einige Beispiele zu nennen.
In diesem Jahr
sind es ausschließlich Frauen,
die den ‚35sten Spieltag‘ gestalten. Voigt:
„Wir hatten zwar immer ‚Quotenfrauen‘, aber
jetzt habe ich die Herren mal rausgekickt.“
Was erfrischend neu ist, denn Künstlerin-
nen haben vielleicht einen anderen Zugang
zum Geschehen. Beispielsweise gibt es in
diesem Jahr statt eines klassischen Katalogs
Postkarten der Arbeiten, die gesammelt
in einem weißen (Ball-)Netz verkauft
werden. Das ist der Beitrag von Sabine
Schellhorn. Und – ebenfalls neu – in
diesem Jahr wird es einen temporären
Kunst-Fanshop geben, in dem von den
Künstlerinnen angefertigte Fan-Artikel
angeboten werden. Unikate, die sich mit
Fankult, Spielkultur und dem Emotions-
thema Fußball beschäftigen. Verantwort-
lich zeichnen hier Heidrun Immendorf und
Anneli Käsmayr. Noch sind die zwei auf der
Suche nach einem Ladenlokal, das zur Zwi-
schenmiete angeboten wird. „Es muss nur
ein Raum sein. Unrenoviert, provisorisch,
ganz egal. Denn wir bringen alles mit, und
nach drei, vier Wochen sind wir wieder weg.
Wir machen keine Mühe, wir machen Spaß“,
sagen sie.
Die gesamten Ergebnisse
des ‚35sten Spiel-
tag‘ werden vom 30. Mai bis 10. Juni 2012 in
der ‚Galerie Kramer‘ (Vor dem Steintor) und
der ‚Galerie am Schwarzen Meer‘ gezeigt.
Den Termin sollten Werder-Fans und Kun-
stinteressierte nicht verpassen, weil dieser
‚35ste Spieltag‘ der letzte sein wird, der von
Oliver Voigt organisiert ist, denn „wenn es
am schönsten ist, soll man gehen“.
Text: Maren-Britt Dahlke
Fotos: Cosima Hanebeck
Leidenschaft für den Fußball
Die
Künstler Christian Holtmann, Jub
Mönster (re.) und Piotr Rambowski
(oben re.) arbeiteten bereits für
das Projekt ‚35ster Spieltag‘.
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MAGAZIN
Foto: Maren-Britt Dahlke