Seite 16 - Werder_Magazin_30

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ir fühlen uns hier ein bisschen
wie in Schweden“, bestätigt
der Hausherr schon bei der
Begrüßung an der Tür und
strahlt. Groß und hell ist das Haus in Bre-
men-Oberneuland, mit schönem Garten und
Blick aufs freie Feld. Ideal für Töchterchen
Izabella, die viel Platz zum Spielen hat. Im
April wird sie zwei Jahre alt und hat den
Haushalt von ‚Rosi‘ und seiner Freundin
Maria fest im Griff. „Sie geht seit kurzem
in den Kindergarten“,
erzählt der Vater stolz
und verrät: „Genau wie
sie schon versucht, ein
paar Wörter auf Schwe-
disch nachzusprechen,
so macht sie es auch mit
dem Deutsch, das sie
von den anderen Kin-
dern hört.“
Markus Rosenberg
verständigt sich mittler-
weile ohne Schwierigkeiten auf Deutsch.
Kein Wunder, schließlich kam er im Januar
2007 zu den Grün-Weißen und gehört damit
zu den dienstältesten Spielern der Mann-
schaft. Mehr als 50 Pf lichtspiel-Treffer er-
zielte er bisher. Und besonders mit einem si-
cherte er sich einen dauerhaften Platz in der
Werder-Historie: Im Rückspiel der Qualifika-
tion zur UEFA Champions League bei Samp-
doria Genua lag sein Team Ende August
2010 mit 0:3 zurück und war praktisch aus-
geschieden, ehe ‚Rosi‘ in der Nachspielzeit
traf und Werder die Verlängerung sicherte.
„Ein wichtiges Tor, na klar, es ging für den
Verein um eine Menge Geld“, erinnert sich
der Schwede und gibt sich zugleich beschei-
den: „Erst nach ‚Pizas‘ Tor in der Verlänge-
rung waren wir für die Champions League
qualifiziert.“
Bei vielen Fans
in Bremen hat dennoch vor
allem ‚Rosis‘ Treffer emotional einen bleiben-
den Eindruck hinterlassen. Und der treibt
mitunter kuriose Blüten, wie ‚Rosi‘ beim
Gastgeschenk der Werder-Medien-Delegati-
on feststellen darf: WERDER.TV-Redakteur
Felix Ilemann hat einen Film mitgebracht
über drei verrückte Werder-Anhänger, die
das Spiel in Genua in einer Kneipe im Bre-
mer ‚Viertel‘ verfolgt und dabei dem Alkohol
ausgiebig zugesprochen hatten. Kurz vor
dem Heimweg seufzte einer von ihnen be-
nebelt und siegestrunken: „Mann, werde ich
einen ‚Kater‘ haben morgen. Den nenn‘ ich
Rosenberg.“ Später reifte der Entschluss, sich
für die gemeinsame Wohngemeinschaft ei-
nen leibhaftigen tierischen Kater zuzulegen.
Der wurde dann zwar eine Katze. Doch der
Name war sofort klar: Rosenberg. Und Katze
Rosenberg trinkt seit ihrem Einzug nur stil-
echt aus einem Stadion-Trinkbecher mit dem
Porträt des Werder-Stürmers.
‚Rosi‘ ist begeistert
vom
launigen Film und ver-
rät schmunzelnd: „Nach
unserem Poka l -Sieg
2009 und dem sensa-
t ionellen Empfang bei
unserer Rückkehr nach
Bremen wusste ich, dass
bei den Werder-Fans al-
les möglich ist. Damals hatte ich das Gefühl,
dass uns eine Million Menschen gefeiert
haben. Dass aber eine Katze ‚Rosenberg‘ ge-
tauft wird, ist wirklich verrückt und unge-
wöhnlich.“
Ungewöhnlich
ist auch, dass Markus Rosen-
berg seine Tür für eine ‚Homestory‘ öffnet.
„Eigentlich ist unser Zuhause für mich und
meine Familie ein heiliger Bereich. Schließ-
lich hat man auch als Fußballer ein Privat-
leben. Wir stehen viel im Mittelpunkt, da
ist es wichtig, zu Hause Ruhe zu haben. Für
euch machen wir aber gerne eine Ausnah-
me“, sagt ‚Rosi‘ und wählt fürs Interview
einen hellen Sessel...
WERDER MAGAZIN:
‚Rosi‘, du bist ein ruhi-
ger und besonnener Typ. Nach dem Ausgleich
in letzter Sekunde im Spiel gegen Augsburg
sah das aber anders aus...
MARKUS ROSENBERG:
Das war wirklich
ein sehr spezielles Spiel. In der zweiten Halb-
zeit haben wir richtig gut Fußball gespielt
und hätten höher als 1:0 führen müssen. Die
Schlussphase war sehr turbulent. Und am
Ende konnte man sehen, dass der Schieds-
richter nicht zu meinen besten Freunden
gehörte
(lacht)
. Allerdings war ich nicht als
Einziger sauer. Schließlich haben wir das
Gegentor in der dritten Minute der Nach-
spielzeit bekommen, obwohl nur zwei Minu-
ten angezeigt waren. Da gab es eine Menge
Diskussionsbedarf.
In dieser Saison standest du nur in einem
Bundesliga-Spiel nicht auf dem Platz. Und
wenn dich nicht zu Beginn dieses Jahres eine
unglaubliche Serie von Pfostenschüssen ver-
folgt hätte, wäre dir ein Platz in den Top-Ten-
Torschützen der Liga sicher. Wie fällt dein bis-
heriges Fazit aus?
Ich habe mir natürlich Gedanken darüber
gemacht, wo wir in der Tabelle stehen wür-
den, wenn diese Bälle im Tor und nicht am
Pfosten gelandet wären. Insgesamt bin ich
nicht zufrieden mit meiner Torausbeute in
dieser Saison. Wenn man als Stürmer für
einen Club wie Werder Bremen spielt, will
man Tore schießen. Bei mir sind es bisher
nur sechs, das ist zu wenig.
Aber es war eben auch Pech...
Das ist nett, dass du das sagst, aber ich bin so
selbstkritisch, dass ich weiß: Einige Situatio-
nen hätte ich besser lösen müssen. Klar wür-
den wir heute ganz anders reden, wenn ich
nicht nur sechs Treffer, sondern zwölf oder
13 auf dem Konto hätte. Es fehlten nur ein
paar Zentimeter...
Wie stark ist dein Selbstvertrauen von Toren
abhängig?
Wenn man sechs oder sieben Mal in kur-
zer Zeit den Pfosten trifft, dann fängt man
an nachzudenken. Das ist nicht so einfach.
Aber ich weiß, dass ich mich zuletzt fußbal-
lerisch verbessert und in dieser Saison gut
gespielt habe. Auch das gibt Selbstvertrauen,
nicht nur die Tore.
Schwierig war es für dich in der vorletzten Sai-
son, die schließlich damit endete, dass du für
ein Jahr zu Racing Santander in Spanien ge-
wechselt bist. Tat es damals weh, Werder zu
verlassen?
Mein Beruf ist es, Fußball zu spielen. Das
wollte ich tun und nicht auf der Bank sitzen,
sondern Spielpraxis bekommen. Bei Werder
hatte das nicht geklappt. Wir haben damals
oft nur mit einem Stürmer gespielt. Und
wenn es zwei waren, dann war ich häufig
dritter hinter Claudio Pizarro und Hugo Al-
meida. Deshalb wollte ich weg. Und schließ-
lich war dieser Wechsel eine Super-Sache.
Ich bin zehn Monate später als stärkerer
Fußballer wieder nach Bremen gekommen.
Hattest du in Gedanken mit deiner Zeit bei
Werder schon abgeschlossen?
„Einige
Situationen
hätte ich besser
lösen müssen“
h
16 WERDER MAGAZIN 288
INTERVIEW