können. Daher müssen wir zwischen Rele-
vantem und Irrelevantem unterscheiden.
Woran erkennt man die Entwicklungsmöglich-
keiten, die die Spieler noch haben?
Zum einen haben wir einen Verlauf der
Spielerdaten, teilweise über mehrere Jahre.
Bei Aaron Hunt zum Beispiel, der schon seit
langem in der Bundesliga spielt und vorher
auch im Nachwuchsbereich bei uns war,
steht uns Material aus fast zehn Jahren zur
Verfügung. Wir können also sehen, wo sein
Optimum im Bereich der Ausdauer liegt oder
welche Sprintwerte er bereits erzielt hat.
Mindestens dahin sollte er mit den aktuellen
Werten dann wieder kommen. Auch nach
Verletzungen kann man sehen, wann wieder
die Werte erreicht werden, die ein Spieler
vor der Verletzung hatte.
Wenn ein Spieler neu kommt...
...
dann haben wir keine Vergleichswerte,
können aber ermitteln, wie sich der Spieler
in seiner Zeit bei uns entwickelt. Dabei müs-
sen wir immer daran denken: Wir bilden kei-
ne Marathonläufer oder Hochspringer aus.
Sondern die Spieler müssen ihre Leistungsfä-
higkeit beim Training und vor allem im Spiel
zeigen. Generell ist die Leistungsdiagnostik
nur einer von vielen Mosaiksteinen.
Woran erkennen Sie den Erfolg Ihrer Arbeit?
Vor allem an der Motivation der Spieler, ei-
nen Weg mitzugehen und Dinge umzuset-
zen. Wir wollen die Spieler motivieren, aus
eigener Initiative an sich zu arbeiten. Na-
türlich kann man ihnen sagen, wie hoch sie
springen müssen oder wohin sie den Ball
schießen sollen. Aber sobald sie aus sich
heraus Fortschritte auch im athletischen
Bereich machen möchten, ist das ein An-
haltspunkt dafür, dass die Arbeit Früchte
trägt. Dass man den Spielern mitgeben konn-
te, wie wichtig es ist, sich weiter zu entwi-
ckeln und Verantwortung für sich selbst zu
übernehmen. Das ist keine leichte Aufgabe.
Aber davon ist es abhängig, ob meine Arbeit
erfolgreich ist oder nicht.
Wie motivieren Sie die Spieler?
Indem ich gut mit ihnen kommuniziere und
ihnen klarmache, dass zum Fußball eben
auch das Laufen dazu gehört
(
lacht)
.
Man
muss die Spieler immer wieder überzeugen.
Insofern haben die Testergebnisse auch eine
psychologische Komponente: Wenn ein Spie-
ler eine bestimmte Hürde überwunden oder
ein gestecktes Ziel erreicht hat, dann ist das
auch eine gewisse Befriedigung. Bei einem
Intervall-Lauf zum Beispiel, bei dem die Spie-
ler an ihre Grenzen gehen müssen, sind sie
danach zufrieden, weil sie es geschafft ha-
ben. Es ist wichtig, dass sie gerade beim Lau-
fen oder beim Krafttraining Erfolgserlebnisse
haben, damit sie weiterhin motiviert sind.
Welche Rolle spielt im Zusammenhang mit der
Leistungsdiagnostik die Ernährung?
Nicht jeder muss einen Ernährungsplan ha-
ben. Wir nötigen unsere Spieler nicht dazu,
nur Salat und Pasta zu essen. Genuss gehört
auch zum Essen dazu. Die Ernährung soll-
te ausgewogen und vielfältig sein. Und wir
wollen auch hier die Spieler überzeugen. Das
ist sinnvoller, als eine Standpauke zu halten
und haarklein aufzuschreiben, was sie wann
essen sollen.
Wie sind Sie zur Leistungsdiagnostik gekom-
men?
Ich habe in Paderborn Sportwissenschaften
studiert. Während des Studiums war ich stu-
dentische Hilfskraft und hatte nach Beendi-
gung des Studiums die Möglichkeit, dort in
der Leistungsdiagnostik zu arbeiten. Über
das Institut bin ich zum Leistungssport ge-
kommen. Die zehn Jahre, die ich verantwort-
lich im Institut gearbeitet habe, waren sehr
interessant. Werder ist für mich nun eine
neue Herausforderung, da ich jetzt nicht nur
punktuell Einfluss auf die Trainingsarbeit
nehmen, sondern täglich mit der Mannschaft
arbeiten kann. Fußball ist ein sehr komplexer
Sport, bei dem es um mehr als um elf Spieler,
die auf dem Platz stehen, geht. Alle Spieler
haben unterschiedliche Voraussetzungen.
Das ist eine sehr spannende Aufgabe.
Wäre auch ein anderer Berufsweg denkbar ge-
wesen?
Wenn ich nicht in der Leistungsdiagnostik
gelandet wäre, wäre ich Golftrainer gewor-
den
(
lacht)
.
Golf ist ein faszinierender Sport.
Man muss sich mit sich selbst auseinander-
setzen, ist ganz auf sich alleine gestellt und
hat keine Ausreden...
Interview: Anne Baumann
WERDER MAGAZIN 296 19