WERDER MAGAZIN Nr. 342

WERDER MAGAZIN 342 15 lienzeit ist. Manchmal kann ich das fehlende Wochenende unter der Woche etwas ausgleichen. Wir versuchen, dass einer von uns immer bei unserer Tochter ist. Dass wir beide aufgrund unserer Arbeit verreist sind, kommt nicht vor. Sie stellt oftmals meinen Job über ihren, was mir sehr hilft. Welche Rolle spielt für die neue Aufgabe deine frühere Karriere als Profi? Es ist natürlich hilfreich, dass ich schon länger im Fußballge- schäft bin, gerade was das Netzwerk in Deutschland betrifft. Insgesamt denke ich, dass ich schon ganz gut aufgestellt bin und einiges mitbringe, aber die Kontakte sind immer ausbaufähig. Sind deine früheren Erfahrungen als Kapitän heute hilfreich bei der Mitarbeiterführung? Ich denke, dass ich als Kapitän grundsätzlich sehr kommunikativ war. Jeder wusste, dass man jederzeit mit mir reden kann. Ande- rerseits war mir immer auch wichtig, Dinge, die mir auffallen, klar und deutlich anzusprechen. Dabei durfte der Respekt voreinan- der nie auf der Strecke bleiben. Nach diesen Prinzipien versuche ich auch heute zu arbeiten. Welche Spieler sind interessant für Werder und stehen daher beim Scouting im Fokus? An erster Stelle steht natürlich die sportliche Qualität. Wir haben für jede Position Profile und schauen, dass Spieler dazu passen. Darüber hinaus wollen wir immer eine Mannschaft zusammen- stellen, in der die Spieler charakterlich zueinander passen. Dazu gehört auch, dass wir Typen benötigen, die mal klar ihre Meinung sagen, auf den Tisch hauen. Es muss auch mal Reibereien geben, denn ich bin davon überzeugt, dass dadurch das Leistungsver- mögen gesteigert wird, es einen guten Konkurrenzkampf gibt. Auf dem Platz muss man zusammenhalten, sich aber auch mal die Meinung sagen. Dazu braucht man Spieler, die eine Mann- schaft führen können, auch jemanden, der mal ein bisschen Spaß ins Team bringt, einen Kreativen, einen Querdenker, der nicht in ein bestimmtes Schema passt. Als wir 2006 das erste Interview fürs WERDER MAGAZIN ge- führt haben, lautete die Überschrift: „Ich bin ein Kopfmensch“. Gilt das auch heute noch? Ich finde, dass ich zwar grundsätzlich durchaus ein gutes Bauch- gefühl habe. Andererseits denke ich sehr rational, wäge Ent- scheidungen sehr stark ab, mache mir Gedanken über mögliche Konsequenzen. Früher habe ich noch mehr gegrübelt, mittler- weile konnte ich das ein bisschen ablegen. Du hast den Weg des Vereins mit seinen Höhen und Tiefen seit 2006 unmittelbar verfolgt. Wie beurteilst du die Entwicklung? Der Wettbewerb in der Bundesliga ist in der Vergangenheit jedes Jahr ein weiteres Stück härter geworden. Es sind Clubs dazuge- kommen, die finanziell deutlich bessere Möglichkeiten haben als wir. Und als wir nicht mehr die Qualifikation für die Champions League geschafft hatten, war allen klar, dass es einen Umbruch geben muss, von dem niemand wusste, wie lange er dauert. Wir mussten ein Tal durchschreiten, das ist anderen Vereinen – wie Borussia Dortmund vor einigen Jahren – aber auch schon pas- siert. Ich finde, dass wir jetzt – auch wenn es die aktuelle Ta- bellensituation nicht widerspiegelt – wieder auf einem guten Weg sind, um dahinzukommen, wo wir hinwollen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Liga bleiben und unsere positive Ent- wicklung in den nächsten Jahren weitergeht. s Mai 2009: Rauschende Feier auf dem Balkon des Bremer Rathauses – mit Werder gewann Clemens Fritz den DFB-Pokal. Mai 2011: Für den Weg zum Training ließ Clemens Fritz als Spieler das Auto gerne mal zu Hause. September 2016: Von Sommer 2011 bis zu seinem Karriereende 2017 führte Clemens Fritz die Bundes- liga-Mannschaft als Kapitän aufs Spielfeld. Fotos: nordphoto

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