WERDER MAGAZIN Nr. 342

WERDER MAGAZIN 342 51 SCHACH Einer deiner stärksten Schüler, Dmitrij Kollars, kam mit 16 Jah- ren von Werder zu dir ins Training und wurde mit 18 einer der jüngsten Großmeister Deutschlands. Macht dich das stolz? Er hat damals die Schule beendet und ist nach Hamburg ge- zogen. Wir sind dann zwei Jahre lang durch Europa getourt und haben viel zusammengearbeitet. Er hat kürzlich ein Turnier in Rom gewonnen, und seine ELO (Internationale Wertungszahl, Anm. d. Red.) liegt jetzt bei fast 2.600. Auch wenn ich inzwischen nicht mehr mit ihm arbeite, verfolge ich immer, wenn er irgend- wo spielt. Auf das, was wir unter großem Einsatz und gegen großen Widerstand hinbekommen haben, bin ich extrem stolz. Ob man Schach-Profi werden möchte oder nicht, muss man vor allem mit seinen Eltern abmachen. Da mische ich mich nicht ein. Wenn sich aber jemand dafür entscheidet, dann unterstütze ich, so gut ich es kann. Ich denke, diese Versprechung habe ich bei Dmitrij eingelöst. Für ihn war es meines Erachtens die richtige Entscheidung, als Schachspieler zu leben. Aber andere Eltern und Jugendliche müssen das für sich bewerten. Mein Ziel ist es nicht, jeden aus meiner Trainingsgruppe zum Schach-Profi zu machen. Im Jahr 2012 bist du als Organisator und Veranstalter von Schach-Events aktiv geworden, zum Beispiel beim ‚VMCG- Schachfestival‘ in Lüneburg, einem der größten und beliebtes- ten Turniere in Norddeutschland. Was hat dich dazu bewogen? Ich hatte schon 2011 mit dem Hamburger SK ein Großmeis- ter-Turnier organisiert und bekam dadurch ein Gefühl für diese Arbeit. Mir wurde klar, dass ich mein Geld mit Schach verdienen wollte. Als Spieler profitiert man von solchen Events. Ich wollte mit dem ‚VMCG-Schachfestival‘ einfach auch etwas zurückge- ben. Wir hatten beste Bedingungen, ein gutes Vier-Sterne-Hotel als Spielstätte, haben in Spitzenzeiten 50 Partien live übertra- gen. Es gab ein GM- und IM-Turnier, Blitzturniere, ein A-, B- und C-Open, und wir haben Schachseminare veranstaltet. Warum wurde das VMCG-Schachfestival nach fünf Jahren ein- gestellt? Ich bin aus der Organisation ausgestiegen, denn ich musste mir überlegen, wie ich meine Zeit vernünftig einteile. Da ich dazu nei- ge, deutlich zu viel zu arbeiten, hat mir mein Körper Warnsignale gesendet. Ich hatte für die Veranstaltung viel Zeit und auch Geld investiert. Das Turnier gibt es übrigens weiterhin als ‚Lüneburger Schachfestival‘, und für mich ist es das beste in Deutschland. An deinem ersten Schach-Bundesliga-Wochenende in Bremen hast du mit deiner Live-Kommentierung im Internet für Auf- sehen gesorgt. Gehören Zuschauer direkt vor Ort bald der Ver- gangenheit an? Es ist schon heute so, dass sich zwar Einzelne zu den Spielta- gen ‚verirren‘. Online hatten wir aber an einem Tag etwa 950 Zuschauer und müssen uns überlegen, was die Berechtigung einer Bundesliga-Mannschaft ist. Sind es einfach nur acht Spie- ler, die gewinnen oder verlieren und am Ende auf irgendeinem Tabellenplatz stehen? Oder haben wir auch den Auftrag, unsere erste Mannschaft der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren? Als Verein sind wir verpflichtet, den Schachsport noch populärer zu machen, tolle Veranstaltungen wie die stärkste Liga der Welt, die wir in Deutschland mit der Bundesliga haben, nach außen zu präsentieren. Die Abteilung stellt sich im Jugendbereich gerade neu auf. Neben dir als Trainer ist mit Caroline Detjen eine neue Jugend- wartin dabei. Was sind die Herausforderungen erfolgreicher Jugendarbeit? Wir benötigen zunächst eine gewisse Breite, müssen zum Bei- spiel in den Schulen aktiv sein, unsere Schach-Arbeitsgemein- schaften weiter intensivieren. Mit der in Deutschland einzig- artigen Aktion ‚Schach macht schlau‘ haben wir in Bremen die Möglichkeit, eine große Zahl Schülerinnen und Schüler zu errei- chen. Danach ist die Herausforderung, die Kinder in den Verein zu bekommen. Also: Wie schaffen wir es, Schach so interessant zu machen, dass man dafür einen Nachmittag Freizeit opfert? Dafür wiederum benötigen wir ausreichend lizenzierte Trainer, die qualifiziert ausbilden können. Wir wollen die monatlichen Kinderturniere, an denen auch vereinslose Schüler teilnehmen können, wiederbeleben. Wir wollen Turnierreisen anbieten. Und wir wollen auch die Eltern mit ins Boot holen. Wir haben also viel zu tun und müssen uns zunächst klar darüber werden, wie wir diese Herausforderungen bewältigen wollen. Im Jahr 2017 hast du deine dritte Großmeister-Norm erspielt. Für die Verleihung des Titels musst du noch eine ELO-Zahl von 2.500 erreicht haben. Wie sieht die Planung deiner persönlichen Schachkarriere aus? Die gibt es nicht. Ich möchte zwar eines Tages Großmeister wer- den, aber wenn ich nur als Internationaler Meister sterben sollte, war mein Leben genauso schön (lacht) . Für mich ist jetzt die Arbeit als Trainer bei Werder wichtig. Und ich möchte ein guter Familienvater sein. Alles andere steht hinten an. Interview: Jens Kardoeus Jonathan Carlstedt kümmert sich als Cheftrainer Schach des SV Werder nicht nur um den Leistungsbereich, sondern auch darum, dass sich Kinder für den Sport am Brett begeistern. Fotos: M. Rospek

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