WERDER MAGAZIN Nr. 346

WERDER MAGAZIN 346 35 WERDER BEWEGT gleitet, kann er sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „So, jetzt schiebe ich dich unter die Tribüne und lass dich hier.“ Der außenstehende Betrachter würde wahrscheinlich peinlich berührt lachen oder sogar intervenieren. Doch Bjarne Jürgen- sen grinst über beide Backen und kontert: „Das schaffst du gar nicht, ich bin viel zu schnell für dich.“ Diese Art der Konversation führen die beiden weiter, zwar nicht so extrem, wie in der durch Schauspieler dargestellten Komödie. Dennoch teilen die beiden den gleichen Humor, auch wenn manche Witze auf Kosten des anderen fallen. Neben all den gemeinsamen Späßen ist vor allem die gegensei- tige Wertschätzung spürbar. Wie selbstverständlich übernimmt Leo Dietz das Kommando über den Rollstuhl, ohne nachfragen zu müssen. Es wird schnell und unübersehbar deutlich, dass die beiden einander voll vertrauen. Sie unterhalten sich über das vergangene Spiel der Werder-Profis, dabei hat Bjarne den deut- lich größeren Redeanteil als der vermeintliche Experte. Bis sich die Wege der beiden wieder trennen, wird heiß diskutiert, auf- gemuntert und herzlich gelacht. Kennengelernt haben sich Leo Dietz und Bjarne Jürgensen im Rahmen des Blindenfußballs beim SV Werder Bremen. Über die erste Kontaktaufnahme berichtet das 17 Jahre alte Talent: „Bjar- ne sieht schlecht und kann kaum laufen, aber er ist riesiger Wer- der-Fan und spielt eben mit seinem Rollator Fußball. Und zwar mit Herz und Seele. Das hat mich beeindruckt. Daher wollte ich ihn besser kennenlernen.“ Also nahm er Kontakt zu Andrea Jür- gensen, Bjarnes Mutter, auf. Seitdem steht er dem grün-weißen Fan mit großem Einsatz helfend zur Seite. Denn Bjarne leidet an einer Sehbehinderung und einer Tetraspastik, die eine Lähmung der Gliedmaßen nach sich zieht. Er benötigt aufwendige Therapien, damit Körper und Muskeln nicht versteifen. All das ist die Folge einer neun Wochen verfrühten Geburt und plötzlich eintretender Hirnblutungen. Auf der Frühchen-Station infizierte sich Bjarne zudem mit einem Krankenhauskeim, woraus eine Sepsis resultierte. Der Kampf um sein Leben hinterließ Schäden, mit denen Bjarne Jürgensen und seine Familie noch heute zurechtkommen müssen. Das Haus wurde an die Bedürfnisse des kleinen Rollstuhlfahrers angepasst. 120.000 Euro investierten die Jürgensens beispiels- weise in ein behindertengerechtes Bad und Therapiegeräte. „Wir haben versucht, alles zu stemmen, aber irgendwann ist auch mal Schluss“, erklärt Mutter Andrea die finanzielle Situation. Anfang des Jahres fehlte es an Möglichkeiten, Bjarne wichtige Behand- lungen zu bezahlen. Die andauernde Corona-Pandemie wirkt sich auch in dieser Hinsicht negativ aus. Auf dem Internetportal ‚betterplace.me‘ rief Leo Dietz zu Spen- den für seinen Freund auf. 5.000 Euro sammelte er, um die Fa- milie zu entlasten. „Ich war völlig überwältigt. Das habe ich noch nie erlebt, dass ein Junge in dem Alter so sozial engagiert und hilfsbereit ist. Wir haben es ihm zu verdanken, dass Bjarne jetzt eine Therapie machen konnte. Die zweite im Oktober haben wir auch schon gebucht. Das ist unvorstellbar, damit haben wir nie gerechnet“, so Mutter Andrea, die verrät: „Für uns ist Leo wie ein weiterer Sohn. Wir passen auf ihn auf und sind regelmäßig in Kontakt mit ihm.“ Die Einschränkungen und Auswirkungen der Behinderung haben Bjarne nicht die Freude am Leben genommen. Im Gegenteil: Mit seiner positiven Einstellung beeindruckt und begeistert er Men- schen wie Leo Dietz. „Wir sind gesund, haben ein Dach über dem Kopf und können alles machen, was wir wollen. Trotzdem sind s Strahlende Gesichter: Bjarne Jürgensen und Leo Dietz (re.) haben gemeinsam jede Menge Spaß, hier am Rande eines Fotoshooting im wohninvest WESERSTADION.

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