WERDER MAGAZIN Nr. 348

Zweikampf mit Werders Daniel Jensen: Markus Anfang (li.) im Jahr 2008 im Trikot von Fortuna Düsseldorf. WERDER MAGAZIN 348 11 INTERVIEW Gegner spielen, gegen die wir uns unsere Chance erst gedul- dig erspielen müssen. Da gilt es, die Konzentration über einen möglichst langen Zeitraum im Spiel hochzuhalten und die Ba- sics, die man einfach braucht, einzubringen. Sollte ein Verein wie Werder aus seinem Selbstverständnis – auch im Bewusstsein der aktuellen Situation – nicht immer den direkten Wiederaufstieg anstreben? Natürlich können wir sagen: Felix Agu, du musst jetzt funktio- nieren. Romano Schmid, du musst jetzt funktionieren. Niklas Schmidt, du musst jetzt hier bei Werder funktionieren. Eren Dinkci, Abed Nankishi. Das kann klappen. Aber es kann auch laufen wie gegen Paderborn. Mit zu viel Druck kann man viel zerstören, insbesondere bei einer jungen Mannschaft. Und um das noch einmal zu betonen: Wenn ich sage, dass wir wieder etwas aufbauen wollen, dann heißt das nicht, dass wir nicht auch kurzfristig erfolgreich sein wollen. Wiederaufbau schließt Erfolg nicht aus. Aber ich kann nicht ein übergeordnetes Ziel für die Mannschaft ausrufen, von dem ich denke, dass sie sich erstmal dahin entwickeln muss. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein ruhiger Aufbau mehr Stabilität ermöglicht und dann die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man oben dabei ist. Bo- chum ist ein gutes Beispiel: Der VfL hatte vorletztes Jahr eine schwere Saison, hat eine Mannschaft aufgebaut. Dann haben sie sich stabilisiert und sind durch die zweite Liga marschiert. Worauf wird es also konkret ankommen? Dass wir in den entscheidenden Spielen so weit sind, dass wir sie gewinnen. Ob uns das gelingen wird, ist derzeit einfach noch schwer zu sagen. Wir haben gerade angefangen, mit dem endgültigen Kader zu arbeiten. Dass wir das nötige Potenzial haben, davon bin ich überzeugt. Dass wir daraus die Qualität entwickeln, dieses Potenzial auch in Drucksituationen abzu- rufen, daran arbeiten wir. Werder wird immer mal unterstellt, zu wenig Einflüsse von au- ßen zuzulassen. Wie wurden Ihre Ideen aufgenommen? Ich habe insbesondere meine Gedanken zur Spielidee mitge- bracht. Das wurde sehr positiv aufgenommen. Und ich möch- te den Leistungsgedanken noch etwas mehr leben. Alle sollen sich bei uns wohlfühlen. Aber alle sollen auch selbst viel dafür tun, dass sie sich wohlfühlen. Es wird ja immer wieder über die Werder-Familie gesprochen. Die fühle ich hier tatsächlich. Aber gerade in einer Familie darf man auch kritisch sein, mal etwas sagen, was dem anderen nicht gefällt, ohne dass er gleich böse ist. Reibung kann auch positive Stimmung erzeugen. Ich bin kein Mensch, der jammert. Ich denke in Lösungen und möchte immer vorankommen. Ich finde übrigens, dass man auch nach außen sagen darf, wenn man mit etwas nicht zufrieden ist. Wenn ich zum Beispiel während der Vorbereitung gefragt wur- de, ob ich zufrieden bin mit der Kaderplanung zum damaligen Zeitpunkt, dann habe ich das natürlich verneint. Auch Frank Baumann und Clemens Fritz waren damit nicht zufrieden. Das zu sagen, bedeutet nicht, Schwäche zu zeigen. Vielmehr haben wir signalisiert, dass wir alles dafür tun, um die Situation zu verändern. Das ist doch auch das, was von uns erwartet wird. Warum hilft es Ihnen, dass Sie bereits einige Jahre in der zwei- ten Liga gearbeitet haben? In der ersten Liga hat man Spiele gegen Mannschaften, die klar besser sind. In der zweiten Liga gibt es keine Mannschaft, die klar besser ist. Die Liga ist sehr ausgeglichen. Gefühlt kann jeder jeden schlagen. Denn die Qualität der Mannschaften ist nicht so exorbitant unterschiedlich. Alle haben Spieler, die auch erste Liga spielen könnten. Vielleicht haben sie den Sprung nicht geschafft, weil sie ihre Leistung nicht kontinuierlich ab- rufen können. Aber wenn man Pech hat, gelingt es ihnen ge- rade gegen uns. Das muss man wissen. Man kann daher in der zweiten Liga auch nicht in der 80. Minute bei einer 2:0-Füh- rung sagen, dass das Spiel gelaufen ist. Hinzukommt, dass wir in vielen Spielen zum Favoriten gemacht und viel Ballbesitz haben werden. In der Bundesliga war das zuletzt anders. Wir müssen also Lösungen mit Ball finden, Chancen kreieren, müs- sen geduldig sein. Und es kann passieren, dass die Fans, gerade im wohninvest WESERSTADION, auch mal unruhig werden. Wie können Sie vom Fußballstress abschalten? Beim Laufen. Selbst Sport zu machen, ist mir sehr wichtig. Oft versuche ich, gleich morgens gegen sieben Uhr zu laufen, meis- tens vom Stadion aus. Aber ich war auch schon im Bürgerpark, der ist von meiner Wohnung aus schnell zu erreichen. Hand aufs Herz: Wenn am Ende Platz eins oder zwei steht, dann… … hätten wir uns sehr schnell entwickelt, wären sehr schnell stabil geworden und hätten in unserer Arbeit in dieser Saison eine Menge richtig gemacht. Interview: Martin Lange Foto: imago images

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