WERDER MAGAZIN Nr. 348

INTERVIEW WERDER MAGAZIN 348 13 WERDER MAGAZIN: Wie viel Spaß hat Ihnen die Arbeit in den vergangenen Wochen gemacht? FRANK BAUMANN: (überlegt, schmunzelt) Die meiste Zeit hat es tatsächlich Spaß gemacht. Denn wir hatten eine spannen- de, sehr herausfordernde Aufgabe zu bewältigen. Natürlich gab es auch Momente, in denen die Arbeit nicht ganz so angenehm war. Gerade wenn die Ergebnisse nicht stimmen, die Kritik sehr stark wird, dann macht es weniger Spaß. Aber als Verantwort- liche waren wir sehr stark auf unsere Arbeit konzentriert. Klar ist: In jeder Transferphase gibt es Dinge, die gut funktionieren. Und auch Rückschläge und Enttäuschungen sind normal. Dann versucht man, eine andere Option zu verfolgen und umzusetzen. Wichtig ist, welches Ergebnis am Ende steht. Ich denke, dass wir insgesamt mit dem Kader und auch mit dem Saisonstart unter den bekannten schwierigen Bedingungen ganz zufrieden sein können. CLEMENS FRITZ: Es war eine sehr intensive Zeit. Es gab wenig Verschnaufpausen, der Kopf war voll. Sowohl bei den Zugängen, als auch bei den Abgängen hatten wir auch Pläne oder Vorstel- lungen, in die wir sehr viel Arbeit gesteckt haben, aber die sich nicht realisieren ließen. Im Gegensatz dazu hat jedes Erfolgs- erlebnis gutgetan und wieder neue Energie freigesetzt. Und als es eine längere Phase gab, in der diese Erfolgserlebnisse fehlten, haben wir trotzdem die Ruhe bewahrt. Das ist ein großer Ver- dienst von Frank. Er hatte immer die Überzeugung und hat diese auch vermittelt, dass es eine andere gute Lösung geben wird, wenn mal etwas nicht klappt. BAUMANN: Wir wussten von Anfang an, dass wir Geduld haben müssen. Dass es erst darum ging, signifikante Transfererlöse zu erzielen, bevor wir wieder investieren können. Wir wussten, dass der Transfermarkt sehr spät anspringt. Und da ist es entschei- dend, dass man sich nicht aus der Ruhe bringen lässt und nicht einfach etwas macht, nur um damit vielleicht die Öffentlichkeit zu besänftigen. Dennoch: Was macht es mit einem, wenn man für seine Arbeit teilweise öffentlich beschimpft und persönlich angegriffen wird? BAUMANN: Man kann so etwas nicht komplett zur Seite schie- ben. Es hat auch Einfluss auf das private Umfeld, auf die Familie. Man trägt gewisse Dinge mit nach Hause und kann nicht ganz so gut abschalten wie sonst. Aber es ist Teil des Geschäfts. Und es ist wichtig, trotzdem nicht zu sehr auf sich zu gucken, sondern im Sinne des Vereins die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wie schwer war es, dem großen wirtschaftlichen Druck stand- zuhalten und tatsächlich mit Transfers die benötigte Summe zu generieren? BAUMANN: Wir hätten einige Spieler schon deutlich früher ver- kaufen können, dann aber auch deutlich weniger Ablöse gene- riert. Daher haben wir uns in jedem einzelnen Fall immer wieder abgestimmt, ob wir noch auf weitere Angebote warten sollen oder es zum Beispiel auch mal richtig sein kann, etwas umzu- setzen, auch wenn man den gewünschten Betrag nicht bekommt, weil die Aussicht auf noch höhere Transfererlöse eher gering ist. Bei Ludwig Augustinsson oder Josh Sargent hat es sich zum Beispiel auf jeden Fall gelohnt zu warten und nicht die ersten Angebote anzunehmen. FRITZ: Dadurch, dass wir Geduld haben mussten, gab es na- türlich Spieler, die wir gerne verpflichtet hätten, aber die sich im Laufe der Zeit anders entschieden haben. Trotzdem sind wir nicht in Aktionismus verfallen, nur weil öffentlich gefordert wur- de, dass wir unbedingt etwas machen müssen. BAUMANN: Wenn man nicht sofort handeln kann, besteht im- mer die Gefahr, dass sich Optionen, die man lange und mit viel Arbeit vorbereitet hat, zerschlagen. Aber wir haben auch in die- sem Sommer wieder gesehen, dass sich, wenn man Geduld hat, immer wieder neue Türen öffnen. Am Wochenende, als unsere Mannschaft in Karlsruhe gespielt hat, hatten wir mit Linton Maina von Hannover 96 und Jordan Beyer von Borussia Mön- chengladbach zwei Zusagen, die sich dann aus unterschiedlichen Gründen wieder zerschlagen haben. Aber wenn Hannover 96 Lin- ton Maina abgegeben hätte, dann hätten sie Marvin Ducksch nicht mehr verkauft. Und wenn vorher etwas anderes geklappt hätte, zum Beispiel Jordan Beyer, dann wäre die Tür bei Mitchell Weiser zu gewesen und wir hätten ihn nicht noch am letzten Tag der Transferperiode verpflichtet. Wie läuft solch eine Verpflichtung in gewissermaßen letzter Minute ab? FRITZ: Wir hatten Mitchell Weiser schon vorher im Blick und ha- ben auch die Rahmenbedingungen für einen möglichen Trans- fer abgeklopft. Aber es war für uns wirtschaftlich einfach nicht machbar. Denn Bayer Leverkusen hatte ganz andere Vorstellun- gen, als die, die letztlich umgesetzt wurden. Trotzdem ging am letzten Tag noch einmal diese Tür auf. Frank hat mit den Ver- antwortlichen von Bayer telefoniert. Dann wurde es kurzzeitig etwas hektisch, weil die Trainer gerade draußen waren zum Trai- ning. Ich habe trotzdem bereits während des Trainings kurz mit ihnen gesprochen. Und wir haben vereinbart, uns dazu nochmal zusammenzusetzen, mit Mitchell zu sprechen. Danach war sehr schnell klar, dass wir das gemeinsam umsetzen wollen. Er hatte gerade in Leverkusen einen medizinischen Check ab- solviert, daher gab es noch einen Austausch mit den Medizinern in Leverkusen. So war es dann etwas entspannter, als wenn er dafür noch nach Bremen hätte kommen müssen. Geld alleine konnte es nicht sein. Wie haben Sie die Spieler, die sich im Sommer für Werder entschieden haben, von einem Wechsel überzeugt? BAUMANN: Mit einem starken Gesamtpaket. Werder hat immer noch einen guten Namen, wird als großer Club gesehen, egal, ob im Inland oder im Ausland. Das hilft uns. Dazu ist der Trainer immer ein wichtiger Faktor für Entscheidungen von Spielern. Es war ein positives Zeichen, dass sich Spieler, die bereits mit Mar- kus Anfang gearbeitet haben, wieder für die Zusammenarbeit mit ihm entschieden haben, weil sie sich bei ihm sehr gut aufge- hoben fühlen und wissen, dass sie sich weiterentwickeln können. Bei Mitchell Weiser war es außerdem insbesondere die Aussicht, wieder spielen zu können. Wir versuchen jeden Spieler mit den passenden Argumenten davon zu überzeugen, dass Werder der richtige Club für ihn ist. Foto: nordphoto s

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