WERDER MAGAZIN Nr. 348
Werder-Präsident und Geschäftsführer Dr. Hubertus Hess-Grunewald über die historische Mitgliederversammlung, den neuen Aufsichtsrat und die zukünftige Struktur des SV Werder Bremen. s WERDER MAGAZIN 348 71 WERDER MAGAZIN: Herr Dr. Hess-Grunewald, wie ist es Ihnen gelungen, die knapp zehnstündige Mitgliederversammlung zu leiten und auch am Ende noch alles bestens im Griff zu haben? DR. HUBERTUS HESS-GRUNEWALD: Erstmal geht ein Lob an unsere Mitglieder, die sich während dieser langen Zeit sehr dis- zipliniert verhalten haben. Die Diskussionen waren strukturiert, es gab kein Chaos. Natürlich erforderte diese Versammlung auch von mir ein Höchstmaß an Konzentration. Daher war ich danach zum einen sehr erleichtert über den guten Verlauf, zum anderen aber auch recht erschöpft. Welche Signale sind aus Ihrer Sicht von der Veranstaltung aus- gegangen? Die Mitglieder haben noch einmal deutlich gemacht, dass sie eine hohe Sensibilität und ein großes Verantwortungsbewusst- sein für die Gesamtsituation von Werder haben. Das hat man an ihren Reaktionen, an den Wortmeldungen gemerkt und auch daran, dass sie den Kritikern, die sich im Vorfeld sehr stark medial in Szene gesetzt haben, nicht blind gefolgt sind. Gleichwohl gab es einen kritischen Diskurs. Es wurde deutlich, dass es einen Vertrauensvorschuss für die Geschäftsführung gibt, die Geschäfte im Sinne des von uns aufgezeigten Wegs, der uns aus dieser schwierigen Situation führen soll, weiterzu- gehen. Das ist eine sehr wichtige Botschaft. Waren Sie überrascht von den positiven Wortmeldungen? Ich hatte gleich zu Beginn das Gefühl, dass es durchaus eine positive Grundstimmung gab. Als ich das Trainerteam um Markus Anfang und die Spieler des Mannschaftsrats begrüßt habe, gab es Applaus. Das hat gezeigt, dass viele Mitglieder mit einem positiven Grundgefühl an der Veranstaltung teil- genommen haben. Eine wichtige Entscheidung war die Wahl der Kandidaten und der Kandidatin für den Aufsichtsrat. Was erwarten Sie vom zu zwei Dritteln neu zusammengesetzten Gremium? Zunächst einmal: Der neue Aufsichtsrat steht vor einer großen Herausforderung. Der Hype, der im Vorfeld zum einen um die Mitgliederversammlung, aber auch um die Auswahl der Kandi- datin und der Kandidaten für den Aufsichtsrat gemacht wurde, hat das Gefühl vermittelt, dass wir vier Supermänner oder Su- perfrauen brauchen, die alles können und am Ende am besten auch noch den Ball über die Linie drücken. Aber das ist letztlich nicht die Aufgabe des Aufsichtsrats. Das neue Gremium hat den Vorteil, zunächst völlig unvoreingenommen seine Arbeit aufzunehmen. Natürlich ist das Bundesliga-Geschäft für sie neu, und sie müssen sich erst einfinden. Aber ich denke, dass dieser Aufsichtsrat, auch mit den beiden entsendeten Vertre- tern Marco Fuchs und Axel Plaat, sehr schnell zu einem Team zusammenwachsen wird. Mit Ulrike Hiller ist auch eine Frau dabei. Sind damit die Irrita- tionen im Vorfeld, als es zunächst eine ausschließlich männlich besetzte Kandidatenliste gab, ausgeräumt? Man könnte sagen, dass sich am Ende alles gut gefügt hat, dennoch müssen wir den Prozess kritisch hinterfragen. Ich hatte im Vorfeld meine Position deutlich gemacht und gesagt, dass ich es sehr begrüßt hätte, wenn auch eine Kandidatin auf der Liste gewesen wäre. Dass es nun tatsächlich so gekommen ist und Ulrike Hiller auch gewählt wurde, hat mich sehr ge- freut. Denn auch das war ein ausgesprochen positives Signal der Veranstaltung. Sie hat im ersten Wahlgang die zweitmeis- ten Stimmen bekommen. Das zeigt deutlich, dass es auch der Wunsch der Mitglieder war, dass sie mit ihren Kompetenzen im Aufsichtsrat vertreten ist. In den neunköpfigen Ehrenrat wurden drei neue Mitglieder ge- wählt. Wie haben Sie diese Wahl erlebt? Es war sehr spannend. Weil wir diese große Zahl an Kandi- datinnen und Kandidaten noch nie hatten. Unter ihnen waren Mitglieder, die sich während der Veranstaltung und auch im Vorfeld sehr kritisch gegenüber der Geschäftsführung geäu- ßert hatten. Die Wahl hat dann aber gezeigt, dass diese Kritik von der Mehrheit der Mitglieder nicht geteilt wurde. Die per- sonelle Kontinuität im Ehrenrat ist eine Bestätigung, dass die dort geleistete Arbeit anerkannt und den Mitgliedern des Gre- miums ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht wird. Das finde ich sehr gut. Es wurde viel über die zukünftige Werder-Struktur gesprochen. Wie soll diese Struktur in den kommenden Monaten entwickelt werden? Die Strukturkommission, die auf Beschluss des Präsidiums ein- berufen wurde, wird sich in diesen Tagen konstituieren und ihre Arbeit aufnehmen. Wir werden sicher darüber sprechen, ob der eV weiter einen Geschäftsführer in die Kapitalgesellschaft ent- sendet. Wenn das der Fall ist: Ob diese Person gleichzeitig Mit- glied des Präsidiums sein soll oder eben nicht mehr sein darf. Wenn dies nicht mehr gewünscht sein sollte, dann müssen wir darüber reden, wie der Verein seine Rolle als Gesellschafter auf andere Weise wahrnehmen kann. Dabei kann man zum Beispiel über Veränderungen im Aufsichtsrat nachdenken. In diesem Gremium haben wir dieses Jahr einen echten Wahl- kampf erlebt, ein Stück gelebte Demokratie im Verein. Darauf INTERVIEW
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