WERDER MAGAZIN Nr. 348

WERDER MAGAZIN 348 9 INTERVIEW s Das Umfeld in Köln hat damals gefühlt noch im Europapokal gelebt. Aber der Club war von jetzt auf gleich in die zweite Liga gerutscht. Und es gab auch nicht das Selbstverständnis, dass man es annehmen muss, nun Zweitligist zu sein. Das Umfeld in Köln wollte eigentlich am ersten Spieltag wieder aufstei- gen. Wir standen dann 30 Spieltage lang auf einem direkten Aufstiegsplatz, davon 20 auf eins. Dennoch gab es sehr viele Nebenkriegsschauplätze, die für Unruhe gesorgt haben. Am Ende war es wirklich schmerzhaft, ein Jahr lang zu arbeiten, die Mannschaft dahin zu bringen, wo sie stand, und dann offi- ziell nicht der Aufstiegstrainer zu sein. Ich weiß, dass viele mich so sehen. Aber ich durfte eben nicht die Zweitliga-Meisterscha- le hochhalten. Wie haben Sie diese Erfahrung verarbeitet? Mein Vater hatte damals einige Zeit zuvor während unseres Auswärtsspiels in Duisburg auf der Tribüne einen schweren Herzinfarkt erlitten. Am selben Tag, als ich in Köln freigestellt wurde, konnte er das Krankenhaus verlassen. Und ich habe mich voll auf meinen Vater konzentriert. Dennoch: Dass ich nicht die Meisterschale hochheben durfte, kann mir keiner zu- rückgeben. Das war und bleibt bis heute bitter. Wie groß ist Ihre Sehnsucht, mal in der ersten Liga auf der Bank zu sitzen und die Verantwortung für ein Team zu haben? Sehr groß! Wirklich sehr groß! Ganz ehrlich: Das war einer der Gründe, warum ich aus Kiel nach Köln, in meine Heimatstadt gegangen bin. Ich wollte unbedingt in die Bundesliga. Mein Weg bis dahin war: Niederrheinliga, Oberliga, Jugendabteilung, Drittligist, diesen in die zweite Liga führen, dann mit einem Zweitligisten fast in die erste Liga. Ich wollte mir meine Trai- nerkarriere erarbeiten. Mir ist es wichtig, dass ich diesen Weg gegangen bin. Und jetzt möchte ich unbedingt auch mal in der ersten Liga Trainer sein. Sie sind eher spät, im Alter von 21, Profi geworden. Mussten Sie damals andere Pläne in der Tasche haben? Nach dem Abitur habe ich meinen Zivildienst abgeleistet und kam dann zu Fortuna Düsseldorf, um Profi zu werden, habe aber parallel erstmal eine Ausbildung als Groß- und Außen- handelskaufmann begonnen, damals im Autohaus des Präsi- denten. Allerdings habe ich schon nach wenigen Wochen ge- merkt, dass es mit dem Training nicht so gut funktionierte, es durch meine Freistellungen dafür einige Unruhe gab. Ich habe mich dann an der Sporthochschule Köln immatrikuliert. Direkt danach hatte ich ein Gespräch mit Aleksandar Ristic. Ich habe ihm gesagt: ‚Trainer, ich muss im Studium jetzt meine Kurse eintragen‘. Darauf sagte er nur in seinem nicht ganz akzent- freien Deutsch: ‚Du hast gute rechte Fuß, du kannst später noch studieren‘. (lacht) Mit diesem Satz war mein Studium zu Ende, und ich bin Fußballprofi geworden. Sie sind in Ihrer Karriere als Spieler viel herumgekommen. Wä- ren Sie lieber bei einem Verein ‚sesshaft‘ geworden? Ich habe bei Fortuna Düsseldorf ein richtig gutes erstes halbes Jahr in der Bundesliga gespielt. Im zweiten Jahr sind wir ab- gestiegen, ich hatte einige Angebote aus der Bundesliga und habe das von Schalke 04 angenommen. In Österreich war ich später immerhin vier Jahre lang, mit drei Meistertiteln in Inns- bruck die erfolgreichste Zeit meiner Karriere. Danach ging es nach Kaiserslautern, wo ich wirklich gerne geblieben wäre, aber es gab eine Menge Unruhe, finanzielle Probleme. Der Verein wollte und musste Spieler loswerden, unter denen war auch ich. Wie haben Sie Werder früher von außen wahrgenommen? Es war immer schwer, gegen Werder zu spielen. Werder hatte eine spielstarke Mannschaft, mit Raute, klassischem Zehner. Zu meiner Zeit bildeten Spieler wie Micoud, Borowski, Bau- mann, Lisztes das Mittelfeld. Das sagt eigentlich alles. Und ich verbinde ein besonderes Erlebnis mit Bremen: In meinem zweiten Bundesliga-Jahr haben wir mit Fortuna Düsseldorf am vorletzten Spieltag hier mit 0:1 verloren, wodurch unser Abstieg besiegelt wurde. 25 Jahre als Spieler und Trainer im Profifußball – mit welcher Entwicklung in dieser Zeit tun Sie sich schwer? Ich finde, dass wir früher als Spieler unbelasteter in die Spie- le gehen konnten. Die neuen Medien, die sozialen Netzwerke beeinflussen die heutige Zeit sehr stark. Natürlich ist es gut, dass man auf diese Weise viele Menschen erreichen kann, tolle Plattformen hat. Aber die Nutzung der sozialen Medien und Markus Anfang brachte seine beiden Co-Trainer Florian Junge (li.) und Tom Cichon (re.) mit zu Werder.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=