WERDER MAGAZIN Nr. 349
WERDER MAGAZIN 349 15 INTERVIEW s Noch vor Beginn Ihres Studiums sind Sie für ein Jahr nach Aus- tralien gegangen. Warum? Zunächst hatte ich nach der Ausbildung noch mein Abitur nach- geholt. Dann wollte ich eigentlich nach Kanada. Aber dort sind die einjährigen Visa stark reglementiert. Und es waren schon alle vergeben. Also wurde es Australien, da ich in ein Land wollte, in dem ich mich verständigen kann. Der spanische Sprachraum war daher keine Option. Was waren die eindrucksvollsten Erlebnisse in Australien? Ich bin mit einem Budget von etwa 1.000 Euro nach Sydney ge- flogen. Und ohne dass ich eine Unterkunft oder einen Job hatte. Schon bei den Kosten für die Bahnfahrt vom Flughafen bis in die Stadt habe ich dann kurz nach der Landung gemerkt, dass ich mit meinem Geld wohl höchstens eine Woche hinkommen würde (lacht) . Ich habe auch nur für eine Nacht eine Unterkunft gefunden, weil alles ausgebucht war, was ich bezahlen konnte. Glücklicherweise bekam ich durch einen Freund Kontakt zu ei- ner Familie. Ich habe Ihnen eine Mail geschrieben, und sie haben mich spontan eine Woche lang bei sich wohnen lassen, ohne dass sie mich kannten. Diese unglaubliche Hilfsbereitschaft und Gast- freundschaft war das erste eindrucksvolle Erlebnis in Australien. Aber sicher nicht das einzige... Wie war die Jobsuche? Ich wollte eigentlich auf den Bau, weil ich da in Deutschland schon mal gearbeitet hatte. Allerdings hat es sich dann erge- ben, dass ich bei einem Gärtner angefangen habe. Am dritten Tag sollte ich auf einem verlassenen Hof Unkraut sprühen, hat- te also einen Kanister auf dem Rücken, der ein zischendes Ge- räusch machte. Plötzlich habe ich ein noch etwas zischenderes Geräusch gehört und mich umgedreht. Auf einem Stein, nicht weit von mir entfernt, lag eine Schlange und fauchte. Ich bin so schnell wie möglich aus dem Garten raus. Mein Chef wusste später zu berichten, dass ich bei einem Biss dieser Schlange ein ernsthaftes Problem gehabt hätte. Neben dieser kleinen Anek- dote, die wie viele andere unvergessen bleibt, war das entschei- dende Erlebnis für mich allerdings, dass ich es als junger Mensch geschafft habe, in einem fremden Land, in dem ich niemanden kannte, mein Leben eigenständig zu organisieren. Zurück zum aktuellen Fußball: Wie lange hat es gedauert, die zurückliegende Saison mit Holstein Kiel zu verarbeiten? Alle, die daran beteiligt waren, hat diese Saison lange beschäf- tigt. Einiges kommt mir noch heute immer mal wieder in den Kopf, ohne dass mich das in der alltäglichen Arbeit beeinflusst. Das Schwierige war nicht, dass wir in der Relegation knapp den Aufstieg verpasst haben. Letztlich war es die beste Saison der Vereinsgeschichte. Alles was ging, haben wir ausgeschöpft. Aber vor dem Hintergrund dessen, was wir erlebt haben, fühlte es sich ein Stück weit unfair an. Zwei Mal war das gesamte Team in Quarantäne. Dabei wurde im Vergleich zur Konkurrenz an unse- rem Standort bei vergleichbaren Fällen anders entschieden als anderswo. Alle haben sich dann jeweils unter sehr schweren Be- dingungen wieder aufgerafft, um die Saison ordentlich fortzu- führen. Leider wurde das nicht belohnt. Auch wenn ich es nicht beweisen kann: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir aufgestie- gen wären, wenn wir zumindest eine dieser beiden Quarantänen nicht gehabt hätten. Zu den Saison-Highlights gehörte der Sieg im DFB-Pokal gegen Bayern München. Wie haben Sie der Mannschaft das Selbstver- trauen vermittelt, gegen Bayern bestehen zu können? Zunächst haben wir uns klargemacht, dass sich unsere Chance, das Spiel zu gewinnen, im unteren einstelligen Prozentbereich bewegt. Dass wir aber von Minute zu Minute versuchen wollen, diese Prozentzahl durch unsere Leistung zu erhöhen, um in den Bereich einer Siegchance zu kommen. Zweitens haben wir ge- sagt, dass wir ein paar Sachen ganz gut können. Die wollten wir bestmöglich beibehalten. Wir hatten die Stärke, mit Ball Fuß- ball zu spielen, wussten natürlich auch, dass wir gegen Bayern Ole Werner jubelt über den 3:2-Erfolg bei Jahn Regensburg in seinem zweiten Spiel als Werder-Trainer (Foto li.) und macht sich Notizen während der Partie bei Hannover 96 kurz vor Weihnachten, die die Grün- Weißen überzeugend mit 4:1 gewannen (Foto unten).
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